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Kommentar zur Energiekrise Von Gasknappheit zu Panikmache Rechtsaußen

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Benzin wird teurer, Gas knapper. Und der rechte Rand reagiert mit Panikmache und apokalyptischer Sprache (Quelle: Tony Wu/Pexels)

Aktuell machen sich viele Sorgen um die drohende Gasknappheit und die damit einhergehenden Kosten – zu Recht. Viele Menschen wissen nicht, wie sie kommende Gasrechnungen bezahlen sollen, die Angst vor einem Gasmangel bestimmt Talkshows und Titelseiten von Zeitungen. Dass die verschwörungsidelogische und rechtsradikale Szene diese Sorgen für ihre menschenfeindliche Propaganda instrumentalisiert, ist leider nicht überraschend. Telegram, Social-Media-Profile und Blogs haben seit Tagen kaum ein anderes Thema mehr als Energieknappheit und einen drohenden, kalten Winter.

Die Sprache ist stellenweise nicht weniger als apokalyptisch: Die USA wollten durch ihren russlandfeindlichen Kurs Deutschland vom Gas abschneiden und zerstören! Die Gesellschaft stehe vor dem Kollaps! Uns drohe nichts weniger als der komplette Wirtschaftsstillstand! Kurz: der Ausnahmezustand stehe vor der Tür und es wird Zeit, dass wir alle angemessen durchdrehen.

Feindbestimmung: erneuerbare Energien und die Ukraine

Schuld an der drohenden Situation ist jedoch nicht der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, das russische Gasmonopol oder die Abhängigkeit von nicht erneuerbaren Energien, sondern die klassischen Feindbilder von rechts. Vor allem trifft es die Grünen und deren Energiepolitik.

So polemisiert AfD-Politikerin Alice Weidel in einem Facebook-Post: „Bundesregierung führt Energiekrise sehenden Auges herbei!“ – weil diese an der Abschaltung von Atomkraftwerken festhalte. Das rechtsextreme Magazin Compact erklärt: „Man wird die Frage stellen müssen, wer für diese Katastrophe verantwortlich ist. Es sind ganz sicher diejenigen Politiker in allen etablierten Parteien, die sich von der Irrsinnsideologie der Grünen sowie der Kinderkreuzzügler von Fridays for Future treiben ließen, nach denen Deutschland mit einem Fingerschnippen und zu minimalen Kosten auf Erneuerbare Energien umsteigen kann.“

Auch der ehemalige Bild-Chefredakteur Julian Reichelt, der wegen sexuell übergriffigen Verhaltens seines Postens enthoben wurde und seitdem offenbar versucht, sich als deutschsprachige Version des rechtsradikalen FOX News-Sprechers Tucker Carlson zu etablieren, veröffentlicht seit Wochen auf seinem Kanal „Achtung, Reichelt“ reißerische Videos, in denen er rechtspopulistische Narrative bedient. „Die Grünen wollen unsere Gesellschaft radikal umbauen, die Energie-Katastrophe sehen sie als historische Chance. Für die meisten Menschen sind abgeschaltete, zuwuchernde Fabriken ein Alptraum – für die Grünen ist das ein Lebenstraum, der in Erfüllung geht“, so Reichelt. Er spielt damit konkret auf die rechtsradikale Verschwörungsideologie des „Great Reset“ an. Diese besagt, das World Economic Forum wolle durch unterschiedliche – und je nach gesellschaftlicher Lage im Narrativ austauschbare – Mittel die Menschheit kontrollieren und umpolen.

Neben den Grünen wird immer wieder der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Ziel der Angriffe von rechts, da er Deutschland anscheinend eigenhändig in die Energiekrise treibt. Die russlandtreue Telegram-Gruppe „Roter Oktober“ schreibt: „Der Gasmangel in Deutschland und der EU ist Selenskyj vollkommen egal. Ihm ist vollkommen egal, ob im Winter die deutschen Bürger frieren werden.“ Die rechtsextreme Gruppe „Freie Sachsen“ lässt ähnliches verlautbaren: „Ukrainischer Weltkongress will Deutsche frieren sehen! Es kommt einer Kriegserklärung gleich: Der ‚Ukrainische Weltkongress‘ will mit einer Klage die Auslieferung der reparierten Turbine für Nord-Stream 1 verhindern, die von Kanada nach Russland transportiert werden muss. Damit nimmt der Weltkongress in Kauf, dass Millionen Menschen im Winter frieren werden, möglicherweise sogar an Unterkühlung sterben.“

Prorussische Propaganda und Nationalismus

Lösung soll die Zusammenarbeit mit Russland sein. Die Begeisterung für das autoritäre Regime Wladimir Putins ist seit Kriegsbeginn fester Programmpunkt großer Teile der radikalen und extremen Rechten, da Russland als Gegenstück zum verweichlichten und degenerierten Westen betrachtet wird. Dass das Zurückhalten von Gas de facto einer Erpressung gleichkommt, wird verleugnet.

Gleichzeitig schüren die Nachrichten, die in rechtsradikalen Kreisen verbreitet werden, gezielt nationalistische Ressentiments. Das als fremd markierte „Die Ukrainer“ und der jüdische Präsident des Landes, oder „die Grünen“ mit ihren erneuerbaren Energien haben es auf das deutsche Volkskollektiv abgesehen, das nun auf die Straße gehen und sich gegen ein diffuses Feindbild zur Wehr setzen muss. Konkrete Lösungen bieten reaktionäre Kräfte jedoch nicht – denn um Lösungen oder gar ein besseres Leben für Menschen geht es ihnen nicht. Dass es sich bei der AfD um eine Partei handelt, die vehement für Sozialkürzungen eintritt oder dass die „Querdenken“-Bewegung immer wieder gegen Arbeitskämpfe hetzt, zeigt auf, dass ihr frierende Bürger*innen weitestgehend egal sind.

Mobilisierung von Hass

De facto geht es reaktionären Kräften darum, verängstigte und unzufriedene Menschen für die eigenen Interessen zu instrumentalisieren. Die Anfänge dieser Mobilisierung können auf die Montagsmahnwachen von 2015 zurückgeführt werden, und haben vor allem durch die Corona-Pandemie einen massiven Aufschwung erlangt. Die dort vermittelte Ideologie der autoritären Revolte – also das vermeintliche Gefühl, als Rebell gegen eine bedrohliche Übermacht vorzugehen, während die Anhänger*innen dieser Proteste de facto antidemokratische und menschenfeindliche Positionen vertreten – bleibt in den Köpfen jedoch bestehen und wird zu den gegebenen Anlässen wieder „aktiviert“. Es ist zu befürchten, dass die drohende Krisensituation zu einer verstärkten Mobilisierung rechtsradikaler Kräfte genutzt wird, und dass sich der Frust über die momentane gesellschaftliche Lage wie auch bei den Corona-Protesten gegen ohnehin bereits marginalisierte Menschen richten wird.

Das bittere ist, dass es einige sehr naheliegende Lösungen für das Problem steigender Energiekosten gibt: einerseits die Erforschung erneuerbarer Energien, und andererseits die Umverteilung von gesellschaftlichem Reichtum. Geld ist da – es liegt nur in den Händen einiger weniger konzentriert und könnte durch beispielsweise eine drastische Erhöhung der Reichensteuer in die Bewältigung der Energiekrise fließen. Es ist die notwendige Aufgabe der Zivilgesellschaft, legitime Ängste der Bevölkerung ernst zu nehmen und progressiv zu lösen, bevor sie von rechts instrumentalisiert werden können.

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