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Kommentar zur Landtagswahl in Thüringen Wenn der Gegner vermeintlich links steht

Die Landtagswahl in Thüringen ist nur auf den ersten Blick ein Sieg der Linkspartei, tatsächlich hat sich auf Basis eines Feindbildes ein informelles Bündnis aus Parteien der scheinbar demokratischen Mitte bis zur extremen Rechten gebildet. Ein Kommentar von Konrad Erben. 

 
Am 27. Oktober wird der Landtag in Thüringen gewählt. (Quelle: Thüringer Landtag)

Wahlabend, 23:58, das vorläufige Ergebnis zur Landtagswahl in Thüringen steht und lässt Beobachter*innen scheinbar ratlos zurück. Die Linkspartei jubelt über ein historisches starkes Ergebnis. Die AfD kann ebenso für sich verzeichnen, dass ihre extrem rechten Positionen und ihr Personal bei fast einem Viertel der Wähler*innen auf Zustimmung stoßen. CDU und SPD stehen, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau, vor den Scherben ihres politischen Selbstverständnisses. Die Grünen fragen sich, woran es gelegen hat, stand man doch bis zur letzten Umfrage stabil über den 5 %. In der FDP freut man sich über den knappen Einzug in den Landtag und das Ende von fünf Jahren außerparlamentarischer Opposition. Trotz ihres scheinbar bescheidenen Ergebnisses, lohnt aber ein besonderer Blick auf die FDP und ihren Wahlkampf, denn in den letzten Wochen vor der Wahl, ließ sie ihr Visier fallen.

Bis dahin setzte der Plakatwahlkampf der FDP auf das bekannte Muster der letzten Jahre. Schwarz-Weiß-Aufnahmen, zumeist des Spitzenkandidaten, mit kontrast- und wortstarken Slogans in Gelb und Magenta. Auf Großflächen ließ sie plakatieren: „FDP wählen, Rot-Rot-Grün beenden“. Und tatsächlich arithmetisch wird durch den Einzug der FDP in den Landtag eine Fortsetzung der rot-rot-grünen Zusammenarbeit, auch in Form einer Minderheitsregierung deutlich schwieriger. Rot-Rot-Grün ist vorerst am Ende, auch, aber nicht nur dank der FDP.

Neben der FDP hatten noch zwei andere Parteien die Beendigung der rot-rot-grünen Koalition zum zentralen Ziel ihrer politischen Arbeit erklärt. CDU und AfD. Und so kommt in diesem Ergebnis zusammen, was zusammengehört – Parteien, deren kleinster gemeinsamer Nenner die reaktionäre Bekämpfung einer linken Regierung ist. Mehr braucht es nicht, damit sich die vermeintlichen Parteien der Mitte an die Seite der sogenannten  “neuen” Rechten begeben. Dass der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU schon am Tag nach der Wahl eine Koalition mit der AfD forderte und der Landesvorstand den Landesvorsitzenden und dessen vorsichtige Signale in Richtung Linkspartei sofort einfing, setzt die künftige Linie der CDU. Offebar blicken einige in der Partei lieber in Richtung rechter Menschenfeinden, als über Kooperation mit linken Feindbildern nachzudenken.

Eine Zusammenarbeit mit der AfD ist bei der CDU Thüringen indes keine neue Idee. Den Sündenfall hätte es schon nach der Landtagswahl 2014 um ein Haar gegeben. Seinerzeit versuchte der Fraktionsvorsitzende Mike Mohring ein Bündnis mit Höcke und Co. zu schmieden, um den linken Bodo Ramelow doch noch zu verhindern und stattdessen den Rektor der Jenaer Uni in die Staatskanzlei zu hieven. Wurde Mohring dafür 2014 noch sanktioniert, ist die Stimmung innerhalb der Union inzwischen deutlich in Richtung AfD gekippt.

Zwar bleibt die alte Landesregierung geschäftsführend im Amt. Doch für Mehrheiten im Landtag, besonders für den Landeshaushalt, müssten aber immer je zwei Fraktion aus Linken, CDU und oder AfD gemeinsam abstimmen. Das erscheint wahlweise utopisch (Linke und CDU) oder apokalyptisch (CDU und AfD). Wohlweislich hatte die rot-rot-grüne Koalition vor der Wahl noch einen Haushalt für 2020 verabschiedet, der die Handlungsfähigkeit zumindest für ein reichliches Jahr absichert, danach ist alles offen. Daran hängen nicht nur die Dinge, wie die allgemeine Landesverwaltung und Zuschüsse an Kommunen, sondern auch Mittel für zivilgesellschaftliche Initiativen wie beim Landesprogramm „DenkBunt“, dass Maßnahmen gegen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Präventionsarbeit finanziert. Dass das in Thüringen bitter nötig ist, zeigt auch ein Blick auf das Wahlverhalten nach Altersklassen. Hätten in Thüringen nur die jungen gewählt, wäre die AfD stärkste Kraft.

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