In einem Gastbeitrag in der Welt (04.01.2018) hat Alexander Dobrindt sieben Thesen zu Deutschland veröffentlicht. Es geht um “Christlichen Glauben”, “Der Einzelne und die Familie”, “Heimat und Vaterland”, “Europa und Abendland”, “Freiheit”, “Sicherheit” und “Wohlstandsaufbruch”. Aus seinem Hauptkredo, in Deutschland herrsche eine linke Hegemonie, leitet Dobrindt ab, dass es nun einer „bürgerlich-konservativen Wende“ bedürfe.
Revolution von der Regierungsbank
Trotz jahrzehntelanger Regierungsbeteiligung der CSU behauptet Dobrindt, „linke Aktivisten“ seien seit 1968 zu „Meinungsverkündern, selbst ernannten Volkserziehern und lautstarken Sprachrohren einer linken Minderheit“ geworden. Daher ruft er nun zur “konservativen Revolution” auf:
„Auf die linke Revolution der Eliten folgt eine konservative Revolution der Bürger. Wir unterstützen diese Revolution und sind ihre Stimme in der Politik.“
Konservative Revolution: Wo kommt der Begriff her?
Der Begriff, den Dobrindt zu setzen versucht, ist der der Konservativen Revolution. Dieser Begriff ist allerdings nicht neu. Besonders beliebt war er in den 1920-1930er Jahren. Da nutzen Intellektuelle den Begriff der “Konservativen Revolution” für ihre Ideen, auf denen schließlich der Nationalsozialismus fusste. Seit den 1960er Jahren ist der Begriff der “Konservativen Revolution” deshalb ein Schlüsselbegriff der rechtsextremen Strömung, die sich die “Neue Rechte” nennt und sich auf die Weimarer Konservative Revolution bezieht .
„Konservative Revolution“ ist ein Schlüsselbegriff der neuen Rechten (Quelle: Screenshot)
Die Konservative Revolution in der Weimarer Republik
Die Konservativen Revolutionäre formierten sich nach dem Zusammenbruch des Deutschen Kaiserreiches 1918/1919: Zum einen in Abgrenzung zu der als reaktionär verachteten Monarchie, zum anderen in Ablehnung der als anti-deutsch verhassten Demokratie. Den Versprechen der Französischen Revolution „Liberté, Egalité, Fraternité“ wurden die Hoffnungen auf alte-neue Werte entgegengestellt.
Die konservativ-revolutionären Intellektuellen (Carl Schmitt, Ernst Jünger, Arthur Moeller van den Bruck, Oswald Spengler, Othmar Spann, Edgar Julius Jung, Hans Freyer, Ernst Niekisch, Martin Heidegger etc.) begriffen sich als geistige Avantgarde. Einige von ihnen gelten als Wegbereiter der Nationalsozialisten und profitierten später von der Zusammenarbeit mit ihnen.
Sie bekämpften die Grundprinzipien der Weimarer Verfassung, vor allem das demokratische, parlamentarische System, den politisch-gesellschaftlichen Pluralismus und Liberalismus sowie das Gleichheitsprinzip. Die Ideologie der konservativen Revolutionäre verband traditionell konservative mit klassisch-rechtsextremen Elementen. So unterschiedlich die rechten Vordenker auch waren, gemeinsam war der Wunsch nach einer militärisch formierten, hierarchisch strukturierten und autokratisch regierten Gesellschaft. Der angestrebte autoritäre oder diktatorische Staat sollte von einer „neuen Aristokratie“, von einer kleinen Elite oder einem Führer geleitet werden. Wie das geendet ist, können wir heute in unseren Geschichtsbüchern nachlesen.
Die Neue Rechte und die Konservative Revolution
In jüngerer Zeit galt einigen sich intellektuell gebenden Rechtsextremen die nationalistische „Alte Rechte“ im Nachkriegseuropa ebenso wie der Nationalsozialismus als überholt. Als Gegenmodell zur linken Studentenbewegung Ende der 1960er Jahre entwickelten sie eine neue Bewegung, die “Neue Rechte”.
Ihre rechtsextremen Akteur_innen greifen auf die autoritären und elitären Denkschulen der Konservativen Revolution in der Weimarer Republik zurück. Als wichtiger Akteur ist hier Armin Mohler zu nennen. Für das ganze Milieu der “Neuen Rechten” kann Mohler als geistiger Vater gesehen werden. Seine Mission war die Reorganisation des rechten Lagers nach der deutschen Kriegsniederlage. Zur Rettung der extremen Rechten konstruierte er eine eigene Strömung, die er in einen scharfen Gegensatz zum Nationalsozialismus rückte: die “Konservative Revolution”. Der neurechte Tonangeber Götz Kubitschek zählt zu Mohlers letzten Schülern und hielt 2003 auch die Grabrede.
Ziel der “Konservativen Revolution” ist die Deutungshoheit in Sprache und Kultur, um eine Rückkehr zu vermeintlich konservativen Werten herbeizuführen.
Das hat aber nichts mit Dobrindts “Konservativer Revolution” zu tun – oder?
An einer Stelle seines Gastbeitrags schreibt Dobrindt, Linke hätten sich „Schlüsselpositionen“ in Kunst, Kultur, Medien und Politik gesichert. Dieser Sprachgebrauch erinnert stark an den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Mit der Förderung einer völkischen Ideologie und der Propagierung von Hass gegen alles Liberale und Fremde hat sich die Führung um Orbán laut ihren Kritikern längst schon in die Nähe der internationalen “Neuen Rechten” und von deren extremeren Auswüchsen gerückt. Dieser autoritär regierende europäische Staatschef ist am Freitag Gast bei der Winterklausur der CSU-Landesgruppe im oberbayerischen Kloster Seeon.
Die CSU, Orban und die Neue Rechte
Eine weitere Möglichkeit, mit ungarischen Politiker_innen und Akteur_innen der “Neuen Rechten” über die “Konservative Revolution” zu sprechen und zu planen, bekäme Dobrindt vom 23. bis zum 25. Januar 2018. Dann nämlich lädt die ungarische „Öffentliche Stiftung für mittel- und osteuropäische Geschichts- und Gesellschaftsstudien“ in Budapest zu „Die Konferenz Europas“ ein. Die Führung der Stiftung ist von der Regierung eingesetzt, von der sie auch die Mittel erhält.
Einer der Redner wird neben dem ehemaligen “Breitbart”-Redakteur Milo Yiannopoulos der neurechte Rechtsextreme Götz Kubitschek, sein. Auf seinem Hauseigenen Blog „Sezession“ hat er unter anderem einen Text veröffentlicht mit dem Titel „Die Stahlkraft der Konservativen Revolution“. Dort heißt es:
„Die sogenannte Konservative Revolution von 1918 bis 1932 hat bis heute ihre Strahlkraft auch deshalb nicht verloren, weil sie in ihren Hauptvertretern radikal und kompromißlos war, so ganz und gar bereit für etwas Neues, einen Dritten Weg, einen Umsturz, eine Reconquista, einen revolutionären, deutschen Gang in die Moderne.“
Was ist der Verlag Antaios?Bibliothek des KonservativismusDebunking: Die „Reconquista“ der „Identitären Bewegung“
Die CSU auf AfD-Wähler-Fang?
Angesicht der anstehenden bayerischen Landtagswahl im Herbst diesen Jahres und der Angst der CSU vor Stimmenverlusten an die AfD hat Dobrindt womöglich den Eindruck, zündeln mit Rechtsaußen-Begriffen könne der CSU hilfreich sein. Doch es ist gefährlich, denn hier wird ein rechtsextremes Narrativ legitimiert, wenn es von einem Vertreter einer als demokratisch wahrgenommenen konservativen Partei geäußert wird. Damit erhalten eben auch Vertreter_innen der rechtsextremen “Neuen Rechten” eine Aufwertung.
Einige ausgewählte und unkommentierte Passagen aus dem Dobrindt-Text:
„Linke wollen diese Welt tendenziell ideologisch in Gender-Welten umdefinieren, kollektivieren und Staatsinstitutionen familiäre Kompetenzen zuweisen.“„Heimat und Vaterland sind Wurzeln unserer Identität. Wir lieben unsere bayerische Heimat, wir sind deutsche Patrioten. Linke haben seit 1968 Heimat diffamiert als einen angeblich reaktionären Ort der Engstirnigkeit. Wir schützen unsere Heimat.“„Deshalb wenden wir uns gegen all diejenigen, die sich als „Antipatrioten“ bezeichnen, die das Schwenken von Deutschlandfahnen verbieten wollen, die Trachten und Brauchtum verunglimpfen und die die Existenz der deutschen Kultur infrage stellen.“„Links-grüne Ideologien haben dazu geführt, dass unsere Gesellschaft einen schleichenden Freiheitsverlust erleidet, dass unser Staat zusehends zur Bevormundung neigt.“„Jeder Art von Kriminalität sagen wir entschlossen den Kampf an – egal, aus welcher Richtung sie kommt. Rechtsextreme, die gegen Ausländer hetzen, linksextreme Hausbesetzer und Steineschmeißer, islamistische Terroristen oder osteuropäische Einbrecherbanden – sie alle gehören gefasst, verurteilt und bestraft.“