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Kreative, ans Werk! Memes als metapolitisches Mittel des extrem rechten Kulturkampfes

Ethnopluralismus in Memeform - das ist ein Teil vom Metapolitik-Konzept der "Neuen Rechten". (Quelle: Screenshots / Collage: BTN)

Für extrem rechte Akteur*innen sind sie ein Teil der „Informationsflut“ im Internet – und zugleich ein Instrument, mittels dessen sich Ideologeme (Ideologie-Fragmente) und Narrative, also Erzählungen, verbreiten lassen. In einem Gastbeitrag in der extrem rechten Zeitschrift Sezession heißt es:

„Durch das eigene massenhafte Verbreiten von Mems tragen die Internetaktivisten einerseits von sich aus zu einer Informationsflut bei und erhöhen damit zugleich die Wahrscheinlichkeit, daß ein gewisser Prozentsatz ihres Outputs auf Resonanz stößt und von Dritten weiterverbreitet wird. “ [Fehler im Original]

Was Memes verbreiten, soll bei den Empfänger*innen haften bleiben. Doch warum sind ausgerechnet Memes als Agitationsmittel, insbesondere für die Neue Rechte, von so immenser Bedeutung?

Metapolitik beginnt beim Namen: Neue Rechte?

Die sogenannte „Neue Rechte“ ist eine von extrem rechten Akteur*innen geprägte und somit problematische Eigenbezeichnung. Im deutschen Sprachraum handelt es sich um einen Sammelbegriff, mit dessen Hilfe ein Teil der extremen Rechten demokratie- und menschenfeindliche Ideologien der Ungleichwertigkeit in neue, vermeintlich unverbrauchte Worte kleidet. Der Begriff zielt darauf ab, eine scheinbar ‚softere‘ „Neue Rechte“ von einer gefährlicheren, ‚härteren‘ „Alten Rechten“ abzugrenzen, also vom Nationalsozialismus, italienischen Faschismus oder Neonazismus. In diesem Sinne ist die Eigenbezeichnung bereits Teil dessen, was die „Neue Rechte“ unter Metapolitik versteht.

Die Bezeichnung „Neue Rechte“ fußt vor allem auf der französischen „Nouvelle Droite“: Ein politisches Spektrum, das der Publizist Alain de Benoist (*1943) in mehreren Büchern beschrieb und zugleich als Aktualisierung extrem rechten Denkens ausrief. Als Geburtsstunden der „Nouvelle Droite“ gelten die Gründung des Groupment de Recherche et d’Études pour la Civilisation Européenne (GRECE) im Jahr 1968 und des Club de L’Horologe (dt. der Uhrenclub).

Seit 1980 versucht das von Pierre Krebs aus der Taufe gehobene Thule-Seminar, die Konzepte der „Nouvelle Droite“ in Deutschland zu verankern. Deutlich erfolgreicher ist jedoch das im Mai 2000 von Götz Kubitschek, Karlheinz Weißmann und Stefan Hanz gegründete Institut für Staatspolitik (IfS) im sachsen-anhaltinischen Schnellroda. Das IfS gilt heute als Zentrum neurechter Theoriearbeit in Deutschland, besucht von Aktivist*innen der “Identitären Bewegung” bis zu AfD-Funktionär*innen.

Typisch für Akteur*innen, die sich dem neurechten Spektrum zuordnen, war bereits seit den 1960er-Jahren der Bezug auf ein völkisch gedachtes Europa. Dies hat sich bis heute nicht geändert. Vernetzungstreffen der „Neuen Rechten“ werden regelmäßig von (extrem rechten) Gästen aus anderen europäischen Ländern, etwa Anhänger*innen der “Identitären Bewegung”, besucht. Doch welche Strategie zeichnet die „Neue Rechte“ aus?

Neue Begriffe, neue Bilder: Kulturkampf und Metapolitik

Akteur*innen, die sich selbst der „Neuen Rechten“ zurechnen, verbindet der Kampf um kulturelle Hegemonie (dt. „Vorherrschaft“, „Vormachtstellung“) – ein Konzept, das den Schriften des italienischen Marxisten Antonio Gramsci (1891-1937) entlehnt ist. Kerngedanke des Konzepts: Eine politische Wende, die sich in Wahlerfolgen äußert, lässt sich nur durch das langwierige Beeinflussen des vorpolitischen Raums erreichen. Zu diesem zählen Institutionen der Zivilgesellschaft (Vereine, Verbände), vermeintlich unpolitische (Pop-)Kultur, aber auch in den (sozialen) Medien ausgetragene Grundsatzdebatten. Wird der vorpolitische Raum beherrscht, soll die politische Machtergreifung folgen. Sei eine extrem rechte Hegemonie hergestellt, sähen große Teile der Bevölkerung die Dinge “Aus rechter Sicht” (so ein Buchtitel von Alain de Benoist), träfen politische Entscheidungen und bewerteten Alltagssituationen im Sinne einer extrem rechten Ideologie.

Ging es Gramsci damals darum, der italienischen politischen Linken zum Sieg zu verhelfen, plädieren neurechte Akteur*innen heute für die Umsetzung rassistischer Politik – dazu gehört die von „Neu-Rechten“ so genannte “Remigration” aller “kulturfremden” Menschen, die eine zentrale Zielvorstellung der „Neuen Rechten“ ist. Der Kampf um die kulturelle und infolgedessen politische Vorherrschaft folgt einer Strategie der sogenannten “Metapolitik”. Was das – aus neurechter Sicht – ist, erklärt Martin Sellner, einer der prominentesten Vertreter der Neuen Rechten im deutschsprachigen Raum:

„Alle Metapolitik ist ganz wesentlich eine Arbeit mit Begriffen und Bildern. Ihr Ziel ist es, die kulturelle Hegemonie, welche die Grundüberzeugungen und Grundbestimmungen in der Gesellschaft formt, zu beeinflussen. Das bedeutet vor allem, neue Begriffe und Bilder zu injizieren.“

 Am Beispiel des Ethnopluralismus: Ideologie der „Neuen Rechten“

Die metapolitische Arbeit mit Begriffen und Bildern lässt sich am Beispiel des Ethnopluralismus veranschaulichen. Dieses von Henning Eichberg (1942-2017) entwickelte Konzept ersetzt den mit der ‚Alten Rechten‘ verknüpften Begriff der „Rasse“ durch die harmlos klingenden Worte „Ethnie“ und „Kultur“. Das Aufeinandertreffen verschiedener „Kulturen“ gilt den Vertreter*innen des Konzepts als Ursache für globale Konflikte. Wenn hingegen „Kulturen“ getrennt voneinander existieren und nicht „vermischt“ würden, gäbe es angeblich keine Probleme mehr. „Kulturen“ sind für Ethnopluralist*innen nicht dynamisch, sondern statisch: Sie erinnern an wenig wandelbare „ewige Wahrheiten“. Die ‚Neue‘ – wie auch die ‚Alte‘ – Rechte definiert Individuen über ihre Zugehörigkeit zu einer „Kultur“ bzw. zu einem „Volk“. Der Wert des*der Einzelnen bemesse sich an diesem Zugehörig-Sein.

„Ethnopluralismus“-Meme, kursiert u. a. in diversen Telegram-Gruppen und auf der Facebook-Seite „National Minarchism“.

Metapolitik als Prägung positiv klingender Begriffe: „Ethnie“ ersetzt „Rasse“, verbunden mit dem vermeintlichen Bekenntnis zur „Diversität“ (oben). Die fünf Köpfe auf dem Meme sind den rassistischen Stereotypisierungen eines Geografie-Lehrbuchs aus dem Jahr 1864 entlehnt (unten rechts). Der weiße Mann in der Mitte bildet nicht zufällig das Zentrum beider Darstellungen. Eine detaillierte Analyse des Memes findet sich in diesem noch nicht veröffentlichten Aufsatz von Nick Nestler: Die „Neue Rechte“ und der digitale Bilderkampf mit Memes – Ideen und Strategien rechtsextremer Online-Kommunikation im Kontext transnationaler Vernetzung. In: Beiträge zum 17. Düsseldorfer Forum für politische Kommunikation (DFPK). Düren: Shaker.

Links: „The five races of mankind“, Illustration von G. Ellka (1911), Dresden: Meinhold und Söhne [17]. Rechts: Lehrbuch „Geography for Beginners“ von K. J. Stewart, Hg. von J.W. Randolph (1864), S. 32 (digital archivierte Buchversion S. 52).
Es ist kein Zufall, dass diese kurze Skizze des Ethnopluralismus an ‚klassischen‘ Rassismus erinnert. In ideologischer Hinsicht unterscheidet sich die „Neue Rechte“ kaum von der vermeintlich „Alten Rechten“. Zentrale Ideologeme wie Rassismus, aber auch Antisemitismus, Sozialdarwinismus, Antipluralismus und Antiliberalismus vertritt sie gleichermaßen. Ein Bindeglied zwischen „Alter“ und „Neuer Rechter“ ist zudem die Kritik an für alle Menschen geltenden Menschenrechten, die jeder*jedem – unabhängig von der „Kultur-“ oder „Volkszugehörigkeit“ – zustehen und die von Regierungen weltweit geachtet werden müssen. Die ersten Internetkampagnen, die sich am Konzept des Ethnopluralismus orientierten, starteten die “Unsterblichen” und die “Identitäre Bewegung”. Ideen wie “Volkstod”, “Europa der Vaterländer” und “Remigration” lassen auf ein ethnopluralistisches Gesellschaftsbild schließen.

Die Begriffe der „Neuen Rechten“ mögen auf den ersten Blick weicher klingen. Politisches Ziel neurechter Akteur*innen bleibt jedoch eine auf Ausschluss und Ausgrenzung beruhende „Volksgemeinschaft“, in der alle gleich denken und ähnlich aussehen sollen. Der an Ungleichwertigkeit und Hackordnungen orientierten Neuen Rechten geht es außerdem darum, das demokratische Gemeinwesen zugunsten einer Eliten-Herrschaft zu überwinden: geführt wird von oben, gefolgt von unten.

Memes als metapolitisches Mittel

Aus politikwissenschaftlicher Perspektive sind Memes ein mit popkulturellen Inhalten arbeitendes politisches Instrument. Häufig auf Humor zurückgreifend, transportieren Memes politische Ideologie in die Lebenswelt und den Alltag der Menschen: heimlich und oft ein (zum Teil schuldbewusstes) Schmunzeln provozierend. Die Meme-Erstellenden platzieren eine politische Botschaft so, dass sie für die Betrachtenden als solche nicht immer erkennbar ist oder nicht zentral erscheint. So verstärken Memes Vorurteile, die für das Verbreiten, das Vertiefen und die breitenwirksame Akzeptanz extrem rechter Weltsicht(en) entscheidend sind.

Wie im Kapitel zuvor beschrieben, findet mittels Memes auch eine neurechte Vergemeinschaftung statt: Memes sind schnell erstellt und wandelbar, konsumierende Nutzer*innen werden schnell zu Produzent*innen. Prosuming heißt dieses Phänomen in der Partizipationsforschung: ein Kofferwort aus produce und consume [20]. Das Unterteilen der Menschen in Insider*innen und Outsider*innen ist ein weiteres gemeinschaftsbildendes Moment von Memes.

Die für Meme charakteristische Komplexitätsreduktion nutzt der politischen Rechten, deren Denken, Sprechen und Agieren darauf ausgelegt ist, die soziale Welt in überschaubare Schwarz-Weiß-Schemata zu unterteilen. Wer braucht schon Argumente, wenn ein “witziges” Bild-Text-Arrangement die eigene Meinung auf den Punkt bringen kann? Die Bildsprache vieler Memes emotionalisiert, was ein weiterer Vorteil für das extrem rechte Spektrum ist, das mit Emotionen wie Wut, Angst und Hass Politik machen möchte. Für die „Neue Rechte“ ebenfalls interessant: Meme lassen sich prima an tagespolitische Debatten anpassen. Mit ihrer Hilfe lässt sich (Re-)Framing betreiben.

Mehrere Artikel der Sezession behandeln Memes als (meta-)politisches Agitationsmittel. Der neurechte Publizist Nils Wegner bezeichnet sie sogar als „kognitive Biowaffen im Informationskrieg.“ Für seine extrem rechten Freund*innen hat Wegner ein paar Tipps parat: „Ein Mem muß dem soziokulturellen Umfeld angepaßt sein und Abwandlungen ermöglichen, um erfolgreich zu sein. Zweitens bedarf es einer Schärfung des Gespürs für Bilder, Texte usf., die sich ‚memen‘ lassen.“ Und weiter: „Es braucht nur den Willen, aus der altbekannten Lethargie und dem Jammern über schlechte Presse herauszukommen, um die vom politischen Gegner in die Welt gesetzten Schlagworte und Inhalte ‚umzudrehen‘, emotional neu aufzuladen und zum eigenen Vorteil einzusetzen.“ Soll heißen: Politische Gegner*innen spielen beim extrem rechten meme war mit – oft unfreiwillig. Und auch das ist Strategie.

Memes innerhalb des extrem rechten Spektrums

Die Meme-Kanone richten extrem rechte Akteur*innen aber nicht nur auf weltanschauliche Gegner*innen – manchmal geraten auch die Mit-Faschist*innen ins Fadenkreuz. Ein Aussteiger aus der neurechten Szene, den die Verfasser dieser Broschüre interviewten, berichtet von friendly fire kurz vor einem Parteitag:

„In den letzten Jahren meines Parteimitwirkens spielten sogenannte Memes auch parteiintern eine immer größere Rolle. Da ging es dann verstärkt darum, parteiinterne Gegner verächtlich zu machen, bestimmte Strömungen zu denunzieren und Menschen im Endeffekt ihrer Ernsthaftigkeit zu berauben, Politiker vor Parteitagen in ein bestimmtes Licht zu rücken und ins Lächerliche zu ziehen.“

In der extrem rechten Internetkommunikation unterstützen Memes nicht nur das Anwerben neuer Anhänger*innen, sondern dienen zudem der Radikalisierung derjenigen, die der Szene bereits angehören. Ein ausschließlich virtuelles Phänomen sind sie allerdings nicht, denn ein Zusammenspiel von digitaler Debatte und Aktionismus ‚auf der Straße‘ lässt sich beobachten: Offline-Ereignisse werden zu Memes, Memes wiederum beeinflussen extrem rechten Offline-Aktivismus.

Festzuhalten bleibt: Memes spielen für das Verbreiten extrem rechter Erzählungen eine entscheidende Rolle. So profitiert auch die AfD seit ihrer Entstehung von Memen. Ein Aussteiger berichtet:

„Nach meiner Einschätzung ist einer der Erfolge oder warum die AfD so viele Erfolge hatte – 2015, 16, 17, 18 –, dass sie zum ersten Mal eine Partei war, die die sozialen Medien genutzt hat. Und die genau in den sozialen Medien diese Memes eingespielt hat. Und vielleicht auch zum ersten Mal Leute erreicht hat, die sonst mit Politik wenig zu tun haben, beziehungsweise Leute, die von den anderen Parteien sehr enttäuscht waren und genau durch diese neue Art der Kommunikation Erfolg hatte.“

 

Dieser Text ist ein Auszug aus der Broschüre:

Amadeu Antonio Stiftung / MISRIK:

Kreative, ans Werk! Memes in extrem rechter Internetkommunikation

Berlin 2023

PDF zum Download hier.

Mehr Texte aus der Broschüre auf belltower.news:

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