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Krefeld Das abgebrannte Affenhaus und die nächste große Verschwörung

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Menschen stellen vorm Krefelder Zoo Grabkerzen und Erinnerungsstücke auf. (Quelle: picture alliance/Roland Weihrauch/dpa)

2020 hat gerade erst begonnen, aber schon jetzt zeichnet sich ab: Das mit den Fakten und dem Bezug zur Realität wird auch in diesem Jahr nicht einfacher. Fast 20.000 mal wurde bisher ein dubioser Text auf Facebook geteilt, der die „offizielle“ Version über den Brand des Krefelder Affenhauses anzweifelt. 

Während Polizei und Feuerwehr noch die genauen Gründe des Brandes ermitteln und Versuche durchführen, um herauszufinden, wie genau der Brand ausgelöst wurde, wissen Aluhut-Träger*innen bereits jetzt, was passiert ist. Oder besser, was nicht passiert ist. Denn natürlich ist alles was in den „Lügenmedien“ steht, nur erfunden und dient lediglich dazu Regierungspropaganda – in diesem Fall womöglich Zoopropaganda – zu verbreiten. 

Mehrere Facebook-Profile teilen aktuell den gleichen Text, alle bedienen dabei offenbar das mehr oder weniger gleiche Milieu. Einer der Poster bezeichnet sich als „Präsident Mecklenburg Schwerin“ und gehört zur „Vereinigung der Landgeborenen im Rechtsstand von 1913“ und deckt ansonsten auf, dass Deutschland eigentlich eine GmbH sei. Über 11.000 mal wurde sein Post mittlerweile geteilt. Ursprünglich scheint der Post von einer Hobbybrandexpertin am 3. Januar verfasst worden zu sein, ebenfalls eine Freundin der Aluminium-Kopfbedeckung. Auch dieser Beitrag wurde über 6.000 mal geteilt. Dazu wurde der gleiche Text von anderen Nutzer*innen gepostet und so weiter verbreitet. 

Offenbar gibt es weitaus mehr Hobby-Brandschutzexpert*innen, als gedacht. Alle Informationen, die von Feuerwehr und Polizei bisher veröffentlicht wurden sind nämlich scheinbar falsch. Und vor allem fehlt dabei das wichtigste: Bilder von toten Affen. „Hat irgendjemand von euch ein Bild der toten Affen gesehen? Oder wird uns das nur erzählt?“ heißt es im Text. Wenn ein Affenhaus brennt und es danach keine Bilder von verkohlten Affenkadavern gibt, hat es dann wirklich gebrannt? Wenn die Feuerwehr sagt, dass womöglich Laub auf dem Dach des Affenhauses durch die Himmelslaterne in Brand geriet, wissen die Facebook-Poster: „In der Silvesternacht war es frostig, neblig und nass.“ Und überhaupt kann es eigentlich sowieso nicht sein, dass da Laub gelegen haben soll. Dass die Feuerwehr davon ausgeht, dass das Plexiglas auf dem Dach etwas mit dem Brand zu tun haben könnte, wird mit einem Link widerlegt, der auf das Blog eines Plexiglas-Herstellers verweist. Womöglich nicht die allerbeste Quelle.

Und dann ist da noch die hohe Luftfeuchtigkeit von 70% im Affenhaus. Facebookexpert*innen wissen: Da kann überhaupt nichts brennen. Wie zum Beispiel am Amazonas. Dort ist die Luftfeuchtigkeit im Jahresschnitt noch höher und erreicht in manchen Monaten fast 90 Prozent. Und am Amazonas brennt es bekanntlich nie. Also außer zum Beispiel im August 2019, als binnen fünf Tagen 471.000 Hektar Wald brannten, aber in dieser Sphäre  muss man nicht immer alles so genau nehmen.  

Ähnlich geht es weiter. Die Aluhutgemeinde weiß Bescheid: „Rauchschutzmelder, Sprinkleranlagen? – hat es nach Aussage der Medien keine gegeben… Jetzt mal ehrlich, ihr kennt doch die deutschen ‚Ämter‘. Glaubt ihr allen Ernstes, dass das in einem öffentlichen Gebäude mit Publikumsverkehr möglich ist?“ Immerhin gibt es aber auch Menschen, die ihr Wissen über Feuer und Brände nicht nur auf das eigene Gefühl und viel Fantasie stützen, sondern die tatsächliche Expert*innen in diesem Bereich sind. Eine davon ist Wiebke Thönissen, Inhaberin eines Brandschutzbüros und Feuerwehrfrau, sowie Sachverständige für Brandschutz. Sie nimmt in einem längeren Text viele der Fantasieargumente auseinander und erklärt zum Beispiel: „Natürlich gibt es Brandmeldeanlagen, die in solchen Umgebungen installiert werden können. Die sind aber erheblich teurer als eine ‚normale‘ Brandmeldeanlage mit Rauchmeldern. Hier greift dann wieder die Risikobetrachtung: Wer ist bereit, diese Kosten über die Eintrittspreise zu finanzieren? Außerdem kam der Brand von außen über das Dach. Eine Brandmeldeanlage hätte den Brand also auch erst erkennen können, wenn er sich bereits vom Dach aus nach innen ausgebreitet hätte.“ Aber was ist denn nun mit den „deutschen ‚Ämtern‘“, die wir schließlich alle so gut kennen? Thönissen geht auch darauf ein: „Brandmeldeanlagen sind übrigens nicht mal flächendeckend für Krankenhäuser, Altenheime, Kindergärten und Schulen vorgeschrieben, falls Ihr Euch fragt, wie unsere Gesellschaft den Bedarf nach solchen Anlagen einschätzt.“

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Die Verschwörungsideologie der Verfasser*innen wird auch deutlich, wenn  es um die mutmaßlichen Verursacherinnen des Brandes geht: Drei Frauen hatten sich der Polizei gestellt. Die Verfasser*innen auf Facebook dazu: „Verursacherinnen stellen sich – Ja nee, klar… wir sind ja hier in Dummland. Der schuldbeladene Deutsche nimmt gerne noch mehr Schuld auf sich!“ Die Erzählung vom angeblichen „Schuldkult“ wird immer wieder von rechtspopulistischen bis rechtsextremen Akteur*innen benutzt, um die Erinnerung und das Gedenken an den Holocaust zu delegitimieren. Notfalls offenbar auch mit Hilfe eines brennenden Affenhauses.

Aber es geht auch direkter. Denn die Hobby-Expert*innen wittern Versicherungsbetrug oder schlimmeres. Spenden, die der Krefelder Zoo erhalten hat, werden womöglich in ganz andere Richtungen geleitet. „Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen“, soll der östereichisch-israelische Autor Zvi Rex formuliert haben. Hier bewahrheitet sich das erneut. Im Facebook-Text heißt es:

„Tja, der Deep State ist pleite und braucht Geld. Schließlich kann Merkel nicht ständig Geld an andere Länder (wie z.B Indien 1 Mrd) oder Organisationen (jetzt wollte ich eigentlich die Auschwitzsanierung mit ich glaube 60 Mio erwähnen, die kürzlich im Gespräch war. Da ich mir bei der Summe nicht ganz sicher war, hab ich kurz gegoogelt. Stellt euch vor, ich habe NICHT EINEN Beitrag darüber gefunden. Ob sie ihre Spuren verwischen will?) verteilen und über dunkle Kanäle zurückfließen lassen.“

Wir lernen: Hobby-Brandexpert*innen sind nicht unbedingt Rechercheprofis. Immerhin sind es tatsächlich 60 Millionen Euro, mit denen Bund und Länder die Gedenkstätte unterstützen. Meldungen dazu findet man mit insgesamt einer Google-Suche auf der Seite des Auswärtigen Amtes, bei t-online, der Süddeutschen Zeitung, der Zeit, beim Focus, dem Hamburger Abendblatt, der Berliner Zeitung oder auch der Borkener Zeitung. Aber man kann die zahlreichen Medienberichte auch einfach ignorieren, wenn man lieber antisemitische Verschwörungstheorien verbreiten will.
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