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Krieg in Nahost Weltweite Pogrom-Stimmung gegen Juden*Jüdinnen

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Erscheckende Szenen aus dem Flughafen von Dagestan: Ein antisemitischer Mob sucht israelische Passagiere. (Quelle: Screenshot)

Es sind schockierende Bilder, die fast täglich über die Bildschirme flimmern: Jüdinnen und Juden laufen um ihr Leben. Zuletzt in Dagestan. Am Sonntagabend haben in der mehrheitlich muslimischen russischen Republik Dagestan Dutzende Menschen einen Flughafen gestürmt. Zuvor hatte die Nachricht eines ankommenden Flugzeugs aus Israel die Runde gemacht. Der aufgebrachte Mob stürmte das Rollfeld und kletterte auf das Dach des Flugzeugs. Sie machten Jagd auf Israelis und Jüdinnen*Juden. Menschen, die die Angreifer als jüdische Menschen oder als israelische Bürger zu identifizieren meinten, wurden Opfer ihrer Gewalt. Inzwischen teilte das zentrale russische Ermittlungskomitee in Moskau mit, die Menschen seien über Telegram-Kanäle zu gewaltsamen Protesten aufgerufen worden und hätten dann „Pogrome“ begangen (vgl. Welt). In Sozialen Netzwerken veröffentlichte Videos zeigen, wie die Männer Zäune durchbrachen, Türen im Terminal eintraten und versuchten, Autos beim Verlassen des Flughafens zu kontrollieren. Einige Beteiligte kontrollierten die Pässe der ankommenden Passagiere – offenbar, um Israelis ausfindig zu machen. Es gab auch Versuche, das Flugzeug zu stürmen.

Ein weiterer antisemitischer Vorfall ereignete sich am Samstag ebenfalls in Dagestan: In der Stadt Chassawjurt umringte eine Menge aufgebrachter Menschen ein Hotel, weil es das Gerücht gab, dort seien Flüchtlinge aus Israel untergebracht. Nach örtlichen Berichten drangen mehrere Dutzend Männer in das Hotel ein, um angeblich die Pässe der Hotelgäste zu kontrollieren. Die Polizei riegelte das Hotel ab. (vgl. Welt)

USA

In den USA fanden am Mittwoch, dem 25. Oktober, Demonstrationen und Solidaritätsbekundungen an vielen Universitäten mit den Menschen in Gaza statt. Im Cooper Union College in New York demonstrierte eine Gruppe unter „Free Palestine”-Rufen. Eine Gruppe jüdischer Studierender schloss sich derweil auf Anraten von Security-Mitarbeiter*innen in der Bibliothek ein. Der demonstrierende Mob hämmerte gegen die Tür, während die verängstigt aussehenden jüdischen Studierenden nervös in der Bibliothek standen, wie Videos zeigen. Immerhin wurde niemand verletzt. Tausende Kilometer von Israel und Gaza entfernt, gab der antisemitische Mob den Studierenden in Manhattan scheinbar persönlich die Schuld an den palästinensischen Opfern.(dailymail)

Laut Anti-Defamation League (ADL) gab es in den USA 312 antisemitische Vorfälle zwischen dem 7. Oktober und dem 23. Oktober 2023 – ein Anstieg um 400 Prozent im Gegensatz zum gleichen Zeitraum im Vorjahr. Darunter waren Bedrohungen, Belästigungen und Vandalismus. (Reuters)

Noch unklar sind die Hintergründe beim Mord an der Vorsitzenden einer Synagogen-Gemeinde in Detroit, der 40-jährigen Samantha Woll am 21.Oktober 2023.  Woll sei mit mehreren Stichwunden leblos nahe ihrem Haus gefunden worden, teilte die Polizei laut Medienberichten am Samstag (Ortszeit) mit. (stern)

Deutschland

In Deutschland gibt es auf Social Media offene Gewaltaufrufe gegen Jüdinnen*Juden und jüdische Einrichtungen. Wenn sie etwa von TikTok-Influencern veröffentlicht werden (vgl. BILD), erreicht das Hunderttausende von Jugendlichen, egal wie krude die Argumentationen sind, wer alles als Teil einer nicht existenten, aber verschwörungsideologisch gelernten „jüdischen Weltverschwörung” sei, und wie sehr es angeblich die Regierung in Israel beeindrucken würde, wenn Jüdinnen*Juden in Deutschland attackiert würden (vgl. Belltower.News). Nichtsdestotrotz hat solche Stimmungsmache auch in Deutschland praktische, gewaltsame Folgen.

Für die erste Woche nach dem Angriffskrieg der Hamas auf Israel verzeichnet der Bundesverband der Recherche und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) e.V.  202 antisemitische Vorfälle im Deutschland zwischen dem 7. bis zum 15. Oktober 2023. Das ist ein Zuwachs von 240 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. 91 Prozent der dokumentierten Vorfälle sind israelbezogener Antisemitismus. Unter den 202 bereits verifizierten antisemitischen Vorfällen sind sechs Angriffe, sieben gezielte Sachbeschädigungen, fünf Bedrohungen, eine Massenzuschrift und 183 Fälle verletzenden Verhaltens (davon sind 30 Fälle Versammlungen) (vgl. RIAS).

Darunter:

  • 15 Wohnungstüren in NRW und Berlin, die mit Davidssternen markiert wurden, um zu zeigen, dass dort angeblich Jüdinnen*Juden wohnen.
  • In Kiel wurden Teilnehmende einer Solidaritätskundgebung angespuckt (08.Oktober 2023)

Seitdem hat sich die Situation verschärft. Demonstrationen und Hasskommentare gibt es immer noch – aber auch viel mehr konkrete Bedrohung und Gewalt. Die Zahl der gestohlenen Israel-Fahnen, die dann auch gern auf Social Media zerstört oder mit Urin besudelt werden, lässt sich schon kaum mehr zählen.

9. Oktober: Männer greifen Frauen an und spucken auf Israel-Flagge

Bei einer Israelsolidarischen Kundgebung in Hamburg kommt es zu einem antisemitischen Vorfall. Eine 32-jährige und eine 47-jährige Frau, die mit dem Abbau beschäftigt sind, werden von hinten angegriffen, geschlagen und getreten. Die zwei Täter entreißen ihnen auch eine Israel-Flagge und trampeln auf ihr herum (t-online).

10. Oktober: Familien auf Spielplatz antisemitisch beleidigt

Mehrere Familien werden auf einem Spielplatz in Berlin-Marzahn antisemitisch beleidigt. Zudem zeigt der Täter einen Hitlergruß und deutet mit der Hand einen Pistolenschuss an (rbb)

11. Oktober: Israel-Flagge gestohlen und Mann verletzt

Während Protesten gegen eine israelsolidarische Kundgebung in Chemnitz entwenden drei Männer einer Teilnehmerin eine kleine israelische Flagge. Dabei rennen die drei einen 55-Jährigen um und treten den am Boden Liegenden (Polizei Sachsen).

12. Oktober: Antisemitischer Hass vor Schule

Vor einer Schule in Cottbus (Brandenburg) verteilen rechtsextreme Jugendliche Sticker und fragen Schüler*innen außerhalb des Schulgeländes nach ihrer politischen Einstellung. Sie skandieren antisemitische Äußerungen wie „Juden abstechen“ und „Geht zurück auf Eure Judendisko“. (Tagesspiegel)

16. Oktober: Paar spricht Hebräisch und wird angegriffen

In Berlin-Neukölln wirft ein Mann einen Feuerwerkskörper auf ein Paar, das sich auf Hebräisch unterhalten hat. (tag24)

17. Oktober: Israeli in Wohnung angegriffen

Zwei Männer klingeln bei einem 34-jährigen Israeli in Gießen (Hessen) und fordern ihn auf, seine Israel-Fahne vom Balkon zu entfernen. Als er sich weigert, schlägt einer der Täter ihm ins Gesicht und schleudert ihn gegen den Türrahmen, der andere stürmt in die Wohnung und entwendet die Fahne. (Gießener Allgemeine)

18. Oktober: Brandanschlag auf jüdisches Gemeindezentrum

In den Morgenstunden werfen zwei Täter Molotowcocktails in Richtung eines jüdischen Gemeindezentrums in Berlin-Mitte. In dem Gebäude befinden sich eine Synagoge sowie eine jüdische Schule und Kita.

Wenige Stunden später rast ein Mann auf einem E-Roller zum Eingang des Gemeindezentrums. Dort versucht er, einen Gegenstand aus seiner Tasche zu ziehen, wird jedoch sofort verhaftet. (Jüdische Allgemeine)

21. Oktober: Frau mit Israelfahne angegriffen

In München wird eine 58-jährige Frau aus dem Landkreis Dachau von unbekannten Tätern angegriffen, als sie sich mit einer Israel-Fahne in der Fußgängerzone aufhält. Mehrere bislang unbekannte Personen beleidigen und schubsen sie. (Merkur)

23. Oktober: Israelfeindliche Randale 

Rund 40 Jugendliche und junge Männer versammeln sich in Hamburg-Harburg und randalieren dort.  Unter anderem sprayen die Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 21 Jahren israelfeindliche Parolen und zünden Böller. (NDR)

24. Oktober: Islamist plante Angriff auf Pro-Israel Demo

Ein Mann wird von Spezialkräften in seiner Wohnung in Duisburg festgenommen. Nach Angaben der Polizei hatte es zuvor Hinweise auf ein mögliches Anschlagsszenario gegeben. Der Tatverdächtige soll sich darüber informiert haben, wie man mit einem Lastwagen in eine Versammlung fährt. Die Anschlagspläne sollen sich gegen eine proisraelische Demonstration gerichtet haben. (FAZ)

25. Oktober: Frau antisemitisch beleidigt und bedroht:

Eine 26-jährige Frau wird in einem Bus in München von einem 19-jährigen Mann antisemitisch beschimpft und bedroht. Der 19-Jährige entnimmt einem Telefonat der Betroffenen im Bus, dass sie jüdischen Glaubens ist. Daraufhin beschimpft er sie und droht allen Jüdinnen*Juden mit dem Iran. (SZ)

29. Oktober: Antisemitische Attacken auf Laden und Restaurant in Bayern

In Bayern ist es zu zwei antisemitischen Vorfällen gekommen: In Senden wurde die Schaufensterscheibe eines Geschäfts mit Waren aus Israel demoliert, in Nürnberg schmierten Unbekannte das Wort „Kindermörder“ an ein israelisches Restaurant — etwa 1,5 mal 1,2 Meter groß (BR).

Antisemitischer Hass im Netz

Die Medienanstalten haben in Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt 160 Rechtsverstöße auf Social-Media-Plattformen festgestellt. Dabei handelt es sich überwiegend um Video- und Bild-Beiträge auf der Plattform X (vormals Twitter) von Elon Musk, wie eine Sprecherin am Mittwoch in Berlin mitteilte. Auf sie entfielen 70 Prozent der beanstandeten Beiträge. Die übrigen Rechtsverstöße fanden die Medienanstalten auf Facebook, YouTube und TikTok. Die Posts verstoßen laut Medienanstalten gegen den Jugendmedienschutz, die allgemeine Menschenwürde, seien antisemitisch oder gewaltverherrlichend. (Jüdische Allgemeine, FAZ)

Gleichzeitig gibt es aber auch einen islamfeindlichen Vorfall

29. Oktober: Moscheen im Kreis Recklinghausen erhalten widerliche Umschläge

Zwei Moscheen im Kreis Recklinghausen haben am Samstag (28. Oktober) mysteriöse Umschläge erhalten. Das, was sich darin befand, sorgt nun für große Aufruhr. Denn neben einem eindeutig islamfeindlichen Schmähbrief macht auch der sonstige widerliche Inhalt fassungslos.Es handelte sich um einen verbrannten Koran, der heiligen Schrift der Muslime, Schweinefleisch sowie Fäkalien – vermutlich Hundekot. Zu den demütigenden Gegenständen war eine verbale Schmähung des Korans beigelegt. Einen Umschlag mit quasi identischem Inhalt erhielt die Moschee der Mevlana-Gemeinde in Castrop-Rauxel. (DerWesten)

Europa

Schweiz

  • Basel: Der Rabbiner der Israelitischen Gemeinde Basel, Mosche Baumel, wurde am letzten Wochenende mitten in Basel angepöbelt und mehrfach bespuckt. (tachles.ch)

Frankreich

Seit dem Terror-Angriff der islamistischen Hamas auf Israel hat es in Frankreich laut Innenministerium 719 antisemitische Vorfälle gegeben. Es wird vermutet, dass die Dunkelziffer viel höher ist (Jüdische Allgemeine). Besorgniserregend ist die politische Gesamtsituation: Der rechtsextreme Rassemblement National von Marine Le Pen stellt sich an die Seite der Jüdinnen*Juden, während linke Politiker Hass auf Israel schüren (Guardian).

  • In Lyon wurde die Duchère Synagoge am 21. Oktober mit einem pro-palästinensischen Graffiti beschmiert (lyonmag).
  • In Straßburg wurde am 23. Oktober ein Teenager verhaftet, weil er mit einem Messer am Metalltor der Synagoge entlangkratzte (20 Minutes).
  • Ancenis-Saint Géréon, Frankreich: Das Auto einer jüdischen Famiie wurde am 17. Oktober mit Hakenkreuzen beschmiert und mit “Jude” gebrandmarkt. (actu.fr)
  • Grenoble, Frankreich: Bei einem Einbruch in die Wohnung einer jüdischen Familie in Grenoble wurden Graffitis in der Wohnung hinterlassen: „Free Palestine”, antisemitische Sprüche, Todesdrohungen, Hakenkreuze.(17.10.2023, france-3).
  • Moirans, Frankreich: Ein 17-jähriger Schüler bedrohte am 17. Oktober im Klassenzimmer einen jüdischen Mitschüler mit dem Tod; er wird von der Polizei verhaftet (france-3)

Großbritannien

In Großbritannien registrierte die Organsiation CST, die antisemitische Vorfälle dokumentiert, in 21 Tagen (07. bis 27. Oktober 2023) 805 antisemitische Vorfälle. Das ist die höchste Zahl, seit CST Vorfälle erfasst – und das ist seit 1984. Im Vorjahr waren es im gleichen Zeitraum 102 Vorfälle – ein Anstieg von 689 Prozent. Darunter sind 35 Angriffe, 44 Beschädigung und Schändung von jüdischem Eigentum, 75 direkte Drohungen, 649 Beleidigungen, einschließlich Beschimpfungen. (CST).

  • Am 9. Oktober wird bei einem koscheren Restaurant in London die Fensterscheibe eingeschlagen, anti-israelische Graffitis werden daneben gesprüht. (express)

Österreich

76 antisemitische Vorfälle zwischen 07.-19. Oktober, Anstieg um 300 Prozent (vgl. OTS)

Spanien

  • Melilla, Spanien: Pro-palästinensische Demonstrant*innen versuchten am 18.10.2023, in die Synagoge von Melilla einzudringen und riefen dabei „Mörder”. Polizei schützte die Synagoge (fcye).

Kanada

    • British Columbia: Das Haus eines lokalen Rabbis wird am 13. Oktober 2023 mit Eiern beworfen und ein Nazisymbol wird ans Fenster gezeichnet. (Global News)
  • Calgary: Ein Mann warf in Calgary am 17. Oktober Eier auf ein Holocaust Memorial Denkmal und auf vorbeifahrende Autos und schrie dabei antisemitische Slogans. (Calgary Herald)

Tunesien

el-Hamma, Tunesien: Israelfeindliche Angreifer haben am 18. Oktober 2023  in der Stadt el-Hamma in Gabès eine Synagoge, die nicht mehr in Benutzung ist, weil es keine jüdische Gemeinde mehr gibt, mit antisemitischen Graffitis besprüht und sie in Brand gesetzt und herunterbrennen lassen. Dies geschah nach den Meldungen über eine angebliche Bombardierung eines Krankenhauses in Gaza durch israelische Streitkräfte, die sich später als Falschinformation herausstellte (The Algemeiner).

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Die Mitte-Studie untersucht rassistische und antisemitischen Einstellungen der Deutschen. 2019 zeigt sie vor allem viel Ablehnung gegen Asylsuchende, gefestigte Weltbilder und den Glauben an die große Verschwörung.

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