Am Dienstag den 14. Mai stellten Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, in Berlin die neuen Zahlen zu politisch motivierter Gewalt für das Jahr 2018 vor.
Das Bundeskriminalamt hat für das Jahr 2018 insgesamt 36.062 politisch motivierte Straftaten erfasst. 20.431 dieser Straftaten wurden dabei dem Phänomenbereich rechts zugeordnet. Mehr als die Hälfte dieser rechten Straftaten (61,6%) stellen dabei Propagandadelikte und das Zeigen von Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen.
Anstieg rechter Gewalt
Zwar sind rechte Straftaten 2018 in etwa auf Vorjahresniveau (2017: 20.520), allerdings verzeichnet die Statistik mit 1.156 (2017: 1.130) einen Anstieg rechter Gewaltdelikte um 2,3%. Dabei werden in den PMK-Statistiken Gewalttaten, als Teil aller Straftaten, gesondert aufgezählt. Als Gewalttat zählt beispielsweise Brandstiftung, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, Landfriedensbruch, Körperverletzung, Totschlag und Mord. Den größten Anteil machen hier Körperverletzungen aus, von denen 2018 1.000 Angriffe politisch rechts motiviert waren (insgesamt: 2.020), das ist ein Anstieg um 4,1%. Auch ein Todesopfer rechter Gewalt zeichnet die Statistik aus. Am 17. April 2018 folterten drei junge Männer Christopher W. im sächsischen Aue zu Tode, weil er schwul war. Weiter weist die Statistik sechs versuchte Tötungsdelikte aus, deren Täter*innen als rechts eingeordnet werden.
Angriffe auf Asyl- und Flüchtlingsunterkünfte sind zurückgegangen
Zurückgegangen sind hingegen die Angriffe auf Asyl- und Flüchtlingsunterkünfte. Gegenüber dem Vorjahr ist ein Rückgang auf 173 Straftaten zu verzeichnen (2017: 312). Damit hat sich der seit Februar 2016 rückläufige Trend weiter fortgesetzt.
Zunahme an Hasskriminalität
Insgesamt hat der Statistik zufolge die sogenannte Hasskriminalität mit 8.113 Taten zugenommen (2017: 7.913). Im Bereich Hasskriminalität werden Straftaten gezählt, die durch gruppenbezogene Vorurteile motiviert sind. Die Kategorien sind hier unter anderem „Fremdenfeindlichkeit“ (Abwertung aufgrund zugeschriebener oder tatsächlicher Nationalität, ethnischer Zugehörigkeit, Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit), „Rassismus“ (Abwertung aufgrund angeblicher Höherwertigkeit weißer Menschen), „Antisemitismus“ „Antiziganismus“, „Christenfeindlich“, „Islamfeindlich“, „gegen den sozialen Status“, „Sexuelle Orientierung“, „Behindertenfeindlich“ und „Hasspostings“. In diesen Kategorien werden also Straftaten subsumiert, die sich gegen Menschen zum Beispiel wegen ihres Aussehens, ihrer sexuellen Orientierung ihrer Nationalität, ihrer Religion oder ihres sozialen Status richten. Von diesen über 8.000 Taten waren der Statistik zufolge 2018 7.153 Taten rechts motiviert.
Sowohl „fremdenfeindliche Straftaten“ (2018: 7.701; 2017: 6.434) als auch antisemitische Straftaten (2018: 1.799; 2017: 1.504) sind dabei jeweils um knapp 20% angestiegen. Bei etwa 90% der judenfeindlichen und „fremdenfeindlichen“ Straftaten sieht das BKA rechte Motive als Ursache. Wobei BKA -Präsident Holger Mönch betonte, dass antisemitische und rassistische Einstellungen gesamtgesellschaftlich verankert sind. Es sei zwar eine gute Nachricht, dass die Fallzahlen der politisch motivierten Kriminalität auch in diesem Jahr wieder zurückgegangen sind, so Mönch am Dienstag in Berlin, „aber der Anteil der politisch motivierten Gewaltdelikte bleibt hoch. Besorgniserregend ist vor allem der Anstieg von Gewaltdelikten und Propagandadelikten in den Bereichen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Darum werden wir weiterhin und über alle Phänomenbereiche hinweg, hochsensibel bleiben und in unseren Anstrengungen nicht nachlassen, politische Tathintergründe zu enttarnen und aufzuklären.“ Es gehe darum, den Rechtsstaat gegenüber Extremist*innen zu schützen und zu verteidigen. Etwas merkwürdig mutet da die Zahl rechtsextremer Gefährder*innen an, diese lag laut BKA 2018 bei lediglich 35.
Die PMK-Statistik als ein Abbild der Realität?
Dass die Behörden bundesweit durchschnittlich nur drei rechte Gewalttaten pro Tag zählen, ist ein Hinweis auf ein deutlich größeres Dunkelfeld. Die unabhängigen Opferberatungsstellen zählen allein für Ostdeutschland und Berlin im Schnitt fünf rechte Gewalttaten täglich. Wir sollten die PMK-Statistik daher nicht als getreues Abbild der Realität missverstehen. Schließlich müssen wir davon ausgehen, dass bei Weitem nicht alle Opfer einer Straftat diese auch zur Anzeige bringen, beziehungsweise Polizist*innen nicht von allen Straftaten erfahren. Und sicherlich passieren auch bei der Erfassung in den Polizeidienststellen einige Fehler. Wenn sich der politische Hintergrund erst später in den Ermittlungen oder erst während des Gerichtsprozesses zeigt, sollen die Straftaten eigentlich nachgemeldet werden, was jedoch laut der „Bundeszentrale für politische Bildung“ oft nicht geschieht.
„Ein ‚weiter so‘ wäre ein fatales Signal in die gewaltbereite rechte Szene, die schon jetzt keine Angst vor Repression zeigt“, mahnt Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung daher. „Es braucht mehr Prävention und einen spürbar höheren Verfolgungsdruck seitens der Sicherheitsbehörden.“ Letztendlich zeigt die Studie nur einen Ausschnitt des bedrohlichen Anstiegs rechter Gewalt.