Am 8. November 2018, bei einer Gedenkveranstaltung für die ermordeten Jüdinnen und Juden Berlins anlässlich des 80. Jahrestags der Reichspogromnacht trägt ein AfD-Politiker eine Kornblume am Revers – ein Erkennungszeichen österreichischer Nationalsozialisten vor dem „Anschluss“ Österreichs an das damalige deutsche Reich. Wenige Monate später, im Februar 2019, pöbelt ein Rechtsextremer in der Gedenkstätte des ehemaligen KZ in Dachau und stellt die Existenz der Schoah infrage. Ein weiterer Fall ereignete sich in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen, wo ein Teilnehmer einer Besuchergruppe von AfD-Fraktionschefin Alice Weidel die Existenz von Gaskammern leugnete. Auch mehren sich Berichte aus Gedenkstätten und Museen von Tabubrüchen durch Besucher*innen.
Was oftmals als rechtsextreme „Einzelfälle“ abgetan wird, begreift die MBR als Bestandteile eines systematischen Kulturkampfes von rechts, welcher sich innerhalb der letzten Jahre intensiviert hat und die Grenzen des Sagbaren zu verschieben versucht. „Wenn Rechtsextreme und Rechtspopulist*innen die kritische Erinnerungs- und Geschichtskultur angreifen, dann geht es ihnen eigentlich um heute: Sie stellen die demokratischen Prinzipien der heutigen Gesellschaft infrage“, so die Leiterin der Beratungsstelle, Bianca Klose. Als Teil dieses Kulturkampfes werden neben deutlich rechtsextremen Anfeindungen z.B. auch parlamentarische Anfragen verstanden, die die Arbeit von Gedenk- und Kultureinrichtungen zu beeinflussen versuchen. Um dem entgegenzutreten, wurde am 06.02.2020 die Handreichung „Nur Schnee von gestern?“ vorgestellt, die Museen und Gedenkstätten bei der Behauptung demokratischer Werte unterstützen soll.
Diese Broschüre soll in erster Linie den Mitarbeitenden der Museen und Gedenkstätten helfen, in Konfrontationen mit rechtsextremen oder rechtspopulistischen Besucher*innen souverän auftreten zu können. Hierfür wird das Ziel des Kulturkampfes – die „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ (Zitat: Björn Höcke in Dresden am 17.01.2017) – erläutert, zudem werden angewandte Strategien von Rechtsextremen und Rechtsradikalen vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen die Handlungsempfehlungen für die Mitarbeitenden. Ein erster Schritt soll hier stets das Herausarbeiten einer klaren Haltung der Institutionen, in Abgrenzung zu rechtspopulistischen und rechtsextremen Positionen sein, die an die Mitarbeitenden kommuniziert werden müsse. Das Brücke-Museum ließ sich von der MBR im Zusammenhang mit ihrer Ausstellung über Künstler*innen der „Brücke“ im Nationalsozialismus beraten. Die Kuratorin für Outreach des Brücke-Museum, Daniela Bystron, erklärt dazu: „Öffentliche Institutionen sollten Haltung gegen Diskriminierung und Rassismus zeigen. Das Brücke-Museum ist ein Ort einer vielfältigen und offenen Gesellschaft.“
Bereits im letzten Jahr veröffentlichte die mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus Berlin einen Ratgeber zum Umgang mit dem Kulturkampf von rechts in Theater- und Kultureinrichtung mit dem Titel „Alles nur Theater?“. Die diesjährige Publikation ist deren Fortsetzung und kann hier heruntergeladen werden.