Etwa 1.000 Unterstützer*innen konnte der „Flügel“ zum Schloss Burgscheidungen im Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt mobilisieren. Das sind weniger, als ursprünglich angekündigt waren – nur wegen der hohen Zahl an erwarteten Gästen hatte man sich angeblich für das Schloss entschieden, statt das Treffen wie in den letzten Jahren am namensgebenden Kyffhäuserdenkmal abzuhalten.
Das Treffen fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Zu Gast waren zum Beispiel der mittlerweile 17-fach vorbestrafte Pegida-Gründer Lutz Bachmann, Jürgen Elsässer, Chefredakteur der Verschwörungs-Postille „Compact“, sowie Ellen Kositza und Götz Kubitschek, die sich gerne als intellektuelle Ideengeber der selbsternannten „Neuen Rechten“ darstellen. Dazu kam allerhand Parteiprominenz: Alexander Gauland, Jörg Meuthen, Hans Thomas Tillschneider. Eingeladen hatte das Rechtsaußen-Duo Björn Höcke und der kürzlich wegen Rassismus-Vorwürfen von seinem Amt als Fraktions- und Parteivorsitzenden zurückgetretene André Poggenburg. Poggenburg erklärte im MDR, dass der „Flügel“ sich als „Korrektivfunktion innerhalb der AfD“ verstehe und an die „Grundwerte der AfD“ erinnere.
Was genau diese Grundwerte sind, ließ sich sowohl vor dem Schloss als auch im Festzelt hinter den Mauern beobachten. Aggressive Besucher*innen griffen Journalist*innen an, die sich vor dem Eingang des Schlosses, auf öffentlichem Grund aufhielten. Ein Video dokumentiert einige Vorfälle.
Besonders bemerkenswert ist dabei die offensichtliche Aggressivität, mit der vorgegangen wird. Die renommierte Journalistin Andrea Röpke hat ihre Eindrücke auf „Blick nach Rechts“ (BNR) eindringlich zusammengefasst. Besucher des Festes bezeichneten sie als „Fotze“, ein Mann schreit in Richtung der Journalist*innen „Drecksschweine, wir kriegen euch“, während er mit der Handkante an seinem Hals vorbeifährt und röchelnde Geräusche macht. Ein älterer Mann geht mit dem Regenschirm auf sie los, ein anderer hat es auf das Equipment des Teams abgesehen und zerstört eine Kamera. Röpke betont, dass Gewalt auch und vor allem von auf den ersten Blick sehr bürgerlich erscheinenden Teilnehmer*innen aus ging. Die AfD hat es geschafft, eine nur oberflächlich friedlich scheinende Bevölkerungsgruppe zu mobilisieren und so Gewaltbereitschaft und Extremismus in Kreise zu tragen, die sich bisher eher zurückhielten. Im Gespräch mit Belltower.News beschreibt Röpke gleich zwei Phänomene: „Die Angriffe werden krasser und heftiger. Einerseits weil einer Art Arroganz, Selbstherrlichkeit und einem übersteigerten Selbstbewusstsein freie Bahn gegeben werden. Andererseits gibt es eine falsche Auffassung von Pressefreiheit. Man meint uns erklären zu müssen, wie wir zu arbeiten haben.“ Die Angreifer rechtfertigten die Übergriffe unter anderem mit dem „neuen Datenschutzgesetz“ oder dem „Recht am eigenen Bild“, schreibt Röpke auf BNR: „Von Kunsturhebergesetz und weiteren Rechten der Presse bei Veranstaltungen wie der in Burgscheidungen wollten sie nichts hören.“
Auch bei der Polizei scheint das Wissen um die Pressefreiheit dabei nicht immer vorhanden zu sein. „Die Polizei betonte immer wieder, dass sie nicht da seien, um uns zu schützen“, so Röpke. Allerdings waren auch die Beamt*innen überrascht von der Aggressivität der AfD-Unterstützer*innen und sprangen schlussendlich doch den Journalist*innen zur Seite. Das wiederum kam offenbar überraschend für die Angreifer*innen, die sich im Recht wähnten: „Mit Konsequenzen für strafbare Handlungen scheinen auch besonders unflätige AfD-Gäste nicht gerechnet zu haben“. Damit solche Situationen allerdings zukünftig vermieden werden können fordert Röpke eine Sensibilisierung: „Wir fordern, dass die Verantwortlichen bei der Polizei auch ihren Mitarbeitenden klarmachen, was Pressefreiheit bedeutet und was zu tun ist, wenn sie bedroht wird.“
Der, so Röpke, „regelrecht cholerische“ Mob kam nicht von ungefähr. Im Inneren des Schlosses, oder vielmehr im Bierzelt, in dem die eigentliche Veranstaltung stattfand, putschten die Parteivertreter ihre Zuhörerschaft geradezu gegen Medienvertreter*innen auf. Von einer „Medienmeute“ war die Rede, die die Partei spalten wolle. Björn Höcke bewies mit seiner Rede zum wiederholten Mal, dass alle Hemmungen gefallen sind und auch eindeutiges NS-Vokabular in der AfD nicht mal mehr ein Schulterzucken provoziert.
Zunächst bezog er sich dabei auf die „Hammer oder Amboss„-Rede des späteren Reichskanzlers Bernhard von Bülow, die dieser 1899 hielt. Von Bülow fragte seine Zuhörer, ob die Deutschen lieber Hammer oder Amboss sein wollten. Höcke dreht dieses Zitat weiter und sagte: „Heute, liebe Freunde, lautet die Frage nicht mehr Hammer oder Amboss, heute lautet die Frage Schaf oder Wolf. Und ich, liebe Freunde, meine hier, wir entscheiden uns in dieser Frage: Wolf.“
Der Vergleich mit Wolf und Schaf kommt direkt vom NS-Propagandaminister Goebbels, der in einem Leitartikel in der NSDAP-Zeitung „Der Angriff“ schrieb: „Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale. Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir.“ Der ehemalige Geschichtslehrer Höcke dürfte genau wissen, aus welchem Zitatenschatz er sich hier bedient. Ein direktes Goebbels-Zitat wäre vermutlich selbst für ihn noch zu gewagt, das braucht es aber auch nicht. Seine Zuhörer*innen wissen ohnehin, wie es gemeint ist.
Nach mehreren Stunden mit dieser Rhetorik ist es wahrscheinlich nicht überraschend, wenn die Zuhörenden eben gleich zur Tat schreiten, sobald sie das Gelände verlassen. Die anwesenden Journalist*innen kamen da gerade Recht.
Immerhin blieb die rechte Hetze in Burgscheidungen nicht unwidersprochen. Bewohner*innen des kleinen Orts hatten ein Dorffest unter dem Motto „Für Menschlichkeit und Miteinander“ organisiert. Die Pfarrerin öffnete die Kirche. 70 Menschen nahmen an einem „Friedenspaziergang“ durchs Dorf teil. Ein gutes Zeichen, denn im Gegensatz zum „Flügel“, dessen Gäste aus dem ganzen Land anreisten, waren beim Fest hauptsächlich Bewohner*innen des Dorfes und machten so klar, dass Rechtspopulismus und Menschenfeindlichkeit auch in Sachsen-Anhalt noch lange nicht so etabliert sind, wie die AfD-Vertreter*innen es gerne hätten.