Baden-Württemberg gilt als Hochburg des grünen und konservativen Milieus. Doch, wie mittlerweile in allen deutschen Landtagen, sitzt auch hier die AfD im Landtag. Derzeit hat die Partei 15 der 143 Sitze und ist somit zweitstärkste Oppositionspartei. Angenommen die Prognosen der Forschungsgruppe Wahlen stimmen und die AfD bekäme tatsächlich 11 Prozent der Stimmen, wäre sie bei einer erneuten schwarz-grünen Koalition stärkste Oppositionspartei.
Um dieses Szenario zu verhindern und eine kritische Perspektive auf die rechtsradikale Partei zu stärken, publiziert das „adiz“ – das Antifaschistische Dokumentations- und Informationszentrums – umfassende Informationen zu den einzelnen Wahlkreiskandidierenden auf einer interaktiven Karte. Ziel des Projektes ist es, Bürger*innen über die Kandidierenden und deren politische Einstellungen aufzuklären. Der ehemalige Biofruchthändler und Kandidat für den Wahlkreis Nürtingen, Hansjörg Schrade beispielsweise, bezeichnete auf Facebook die Europäische Union als EudSSR und suggeriert so in typischer AfD-Manier, dass die EU ein diktatorisches und kommunistisches Unrechtsregime sei. Im selben Post unterstellt er ebenjenem vermeintlichen Unrechtsregime, einen Plan gegen die eigenen Bürger*innen durchzusetzen, dessen Ziel es sei, durch massenhafte Zuwanderung diese zu unterdrücken. Der ehemalige Grüne Schrade bedient hier ganz eindeutig das rechtsradikale und verschwörungstheoretische Narrativ des sogenannten „großen Austauschs“.
Sehr viel konkretere Lügen verbreitete im April 2018 der AfD-Kandidat für den Wahlkreis Göppingen, Sandro Scheer. Nach der Amokfahrt in Münster am 7. April 2018, bei der der psychisch kranke Jens Alexander R. vier Menschen tötete, verbreitete Scheer im Internet das Foto eines unschuldigen Mannes und bezeichnete diesen als Täter. Besonders perfide und rassistisch: Scheer warf deutschen Behörden und Medien vor, einen islamistischen Hintergrund der Amokfahrt zu verschweigen, weil der Unschuldige auf dem Foto das er verbreitete, iranische Wurzeln hat.
Auch der Kandidat für den Kreis Bietigheim-Bissingen, Nikolaos Boutakoglou, verbirgt nicht seine menschenfeindliche Gesinnung im Netz. Im Jahr 2016 bezeichnete er auf Facebook Homosexuelle als „Ungeziefer“, das verbrannt werden müsse, und kommentierte mit den Worten „Es lebe der Führer“. Der ehemalige CDUler Boutakoglou distanzierte sich auf Medien-Nachfrage von den Aussagen mit der Begründung, dass sein Account gehackt worden sei. Wie glaubwürdig diese Entschuldigung von einem Kandidaten der Partei ist, dessen Landesvorsitzender in Thüringen den Holocaust als „Vogelschiss“ in der Geschichte betitelte, darf jede*r selbst entscheiden.
Doch Holocaust-Relativierung kann nicht nur Höcke, sondern auch Eugen Ciresa, der in Baden-Württemberg für den Wahlkreis Ulm antritt. Er äußerte 2014 auf Twitter, dass die Grünen zu wählen hieße, den Faschismus der 1930er Jahre wieder an die Macht zu bringen. Außerdem betonte der Mitarbeiter der AfD-Landtagsabgeordneten Christina Baum öffentlich, dass die Nationalsozialisten im Grunde genommen links gewesen seien, immerhin stecke ja das Wort „Sozialismus“ im Namen. Da passt es ins Bild, dass Ceresa 2015 an den „Pegida“-Demonstrationen teilnahm und sich auch öffentlich gegen eine Gleichstellung der Geschlechter stellt.
Indem das „adiz“ eine Vielzahl an Informationen über die Kandidierenden der AfD zusammenführt und systematisiert, wird deutlich, in welch großem Ausmaß hier menschenverachtende und rechtsradikale Positionen vertreten werden.