Am Sonntagmittag wurde in Halle an der Saale mit einem Luftgewehr auf eine Moschee am Meeresbrunnen in Halle-Neustadt, einem großen Neubaugebiet geschossen. Der Angriff ereignete sich während des Mittagsgebets. Verletzt wurde im „Islamischen Kulturcenter“ glücklicherweise niemand.
Laut einer Pressemitteilung der Polizei bemerkten zwei Zeug:innen in der Nähe der Moschee Schussgeräusche und Projektile, die gegen die Fassade schlugen. Die Zeug:innen konnten erkennen, dass die Schüsse aus einem „aus einem Fenster eines gegenüber befindlichen Mehrfamilienhauses abgegeben wurden.“
Dort konnte die Polizei den mutmaßlichen Täter ausfindig machen: den Wohnungsinhaber, einen 55-jährigen Hallenser. „Bei ihm wurde eine entsprechende Langwaffe zum Verschießen von Diabolos und eine Gasdruckpistole aufgefunden und sichergestellt“, heißt es von Seiten der Polizei. Diabolos sind Projektile, die speziell für Luftwaffen produziert werden. Die Waffen wurden beschlagnahmt. Der Mann sei nach einem ersten Erkenntnisstand der Beamt:innen bisher nicht mit politischen Straftaten aufgefallen. Der Staatsschutz wurde eingeschaltet. Die Ermittlungen dauern an.
Nicht der erste Angriff auf das „Islamische Kulturcenter“
Dabei war es nicht der erste Angriff auf diese Moschee. Schon mehrfach ist es in den vergangenen Jahren zu Schüssen auf das „Islamische Kulturcenter“ gekommen: Im Februar 2018 wurde die Moschee von einem benachbarten Hochhaus beschossen. Damals wurde ein Mann aus Syrien leicht verletzt. Der Staatsschutz hatte die Ermittlungen aufgenommen. Nur vier Monate später kam es erneut zu einem Angriff. Im Juni 2018 wurde die Moschee erneut beschossen. Zwei Männer, die am Vormittag einen Bildungskurs in der Moschee besuchten, wurden von Diabolos Geschossen getroffen. Nur einer wurde leicht verletzt.
Der Hallenser Torsten Hahnel von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus bei „Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt e.V.“ meint gegenüber Belltower.News, die Gewalttaten seien Teil eines Gewöhnungseffekts rechter Hetze in der Stadt. „Das gesellschaftliche Klima der Stadt ist verehrend. Seit dem antisemitischen Anschlag in Halle hat sich nichts verbessert.“
Der antisemitische Anschlag von 2019
Während der Feierlichkeiten zum jüdischen Versöhnungstag Yom Kippur am 9. Oktober 2019 versuchte ein rechtsextremer Attentäter gewaltsam in die Synagoge im Paulusviertel in Halle einzudringen, mit dem Ziel, die dort anwesenden 52 Menschen zu ermorden. Unmittelbar vor der Synagoge erschoss er dabei Jana L., die zufällig vorbeikam und ihn auf sein Verhalten angesprochen hatte. Nach mehreren missglückten Versuchen sich Zutritt zu verschaffen, fuhr er zum nahegelegenen Imbiss Kiez-Döner und erschoss dort Kevin S.
Halle ist seit Jahren Hotspot rechter und rassistischer Gewalt in Sachsen-Anhalt. „Dabei sind hier nicht unbedingt organisierte Neonazis aktiv, die solche Angriffe planen. In Halle sehen wir eher das ganze Ausmaß des Alltagsrassismus“, merkt Hahnel an. Verschiedene Studien zeigen, dass Rassismus, Antisemitismus und weitere gruppenbezogene Menschenfeindlichkeiten in allen Teilen der Gesellschaft vorhanden sind. In Halle ist jedoch eine Person aktiv, die als Verbreiter rechter und rassistischer Positionen bekannt ist: Der umtriebige Neonazi-Geschäftsmann Sven Liebich.
Rechte Raumgewinne
Wöchentlich veranstaltet er seine rechtsextremen Demonstrationen auf dem Hallenser Marktplatz und bundesweit ist er als rechter Redner gefragt. „Wenn das, was Liebich tut, im öffentlichen Raum sagbar ist, ohne juristische Konsequenzen zu fürchten, dann verändert so etwas eine Gesellschaft“, meint Hahnel. Liebich hetzt gegen Muslim:innen, Geflüchtete, PoCs, die Hallenser Stadtgesellschaft und die Zivilgesellschaft. Liebich habe durch seine Kundgebungen und seine Social-Media-Kanäle eine Dauerpräsenz, so Hahnel. Was er von sich gibt, würden die meisten wohl als Volksverhetzung bewerten, die Staatsanwaltschaft Halle sah das bisher jedoch oft anders. „Diese permanente rassistische und hetzerische Beschallung Liebichs, führt dazu, dass sich rechte Positionen weiter verbreiten“, sagt Hahnel.