Nur linkes Spektrum mobilisiert
Dabei wurde im Vorfeld der Demonstration durchaus versucht, für eine breite Mobilisierung jenseits des linken Spektrums zu sorgen. Das Bündnis „Berlin Nazifrei“ hatte am Sonntag in Marzahn 7.500 Flyer an Anwohner_innen verteilt, um sie für Montagabend einzuladen. Von diesen verloren sich aber nur Wenige auf der Demonstration. Auch während der Demonstration wurden Flyer an Passant_innen verteilt, diese reagierten aber meist ablehnend. Die vielbeschworene bürgerliche Zivilgesellschaft war jenseits einiger Parteispitzenfunktionärinnen wie Petra Pau kaum vertreten. Wenn nur Antifaschist_innen zu einer Demonstration kommen, weil Parteien und Gewerkschaften ihre Basis nicht mobilisieren können oder zu wenig Anstrengungen dahingehend unternehmen, dann wird der Ausdruck einer Demonstration nun mal von den Anwesenden geprägt. Ob allerdings klassische autonome Parolen, wie „Feuer und Flamme den Abschiebebehörden“ auf Anwohner_innen sonderlich anziehend wirken, ist überaus fraglich.
Kleine Erfolge
Vor der geplanten Blockade am kommenden Montag gab es zumindest kleine Erfolge zu feiern: Die Neonazis konnten ihre geplante Route nicht laufen, weil sich auf der mittlerweile symbolisch aufgeladenen Kreuzung Landsberger Allee/ Blumberger Damm, an der das künftige Containerdorf gebaut werden soll, Gegendemonstrant_innen aufhielten. Auf der Zwischenkundgebung, die so lange ausgedehnt wurde, bis die Route der rechten Demonstration verkürzt und verändert werden musste, wurde in Redebeiträgen ebenfalls Kritik an der geplanten Unterbringung der Geflüchteten laut: Man demonstriere keineswegs für das Containerdorf, dass in keiner Form einer menschenwürdigen Unterkunft für Flüchtlinge gleich käme. Es wurde gefordert, Geflüchtete dezentral unterzubringen, anstatt sie am Stadtrand auf engstem Raum „zusammenzupferchen“.
„Wer mit der NPD marschiert, ist ein Nazi“
Zudem waren an diesem Montag erstmalig genauso viele Gegendemonstrant_innen wie Flüchtlingsheimgegner_innen auf der Straße. Die Demonstration der Rechten setzte sich eine gute Stunde nach der Gegendemonstration in Bewegung, mit zunächst nur etwas über hundert Teilnehmenden. Die Zahl der Demonstrant_innen wuchs allerdings im Verlauf der Demonstration noch an, so dass die Polizei am Ende großzügig von „in der Spitze 800 Teilnehmern“ sprechen konnte. Mit dabei war die „Crème de la crème“ der NPD-Prominenz: Nicht nur der kameradschaftsnahe Chef der Berliner NPD, Sebastian Schmidtke, war gekommen. Auch der NPD-Bundesvorsitzende Frank Franz zeigte sich in Marzahn, so dass Schmidtke beseelt lächelnd ein Selfie von sich und seinem „Führer“ machen konnte. Ronny Zasowk, stellvertretender NPD-Bundesvorsitzender und stellvertretender Landesvorsitzender Brandenburgs, war ebenfalls mit von der Partie. Das Zeichen ist deutlich: Die NPD drängt mit Macht in die rechtsradikale Demonstration in Marzahn.
Kleidungsspenden für „Volksdeutsche“
Vor dem Start der Demonstration hatten die Rechten über Facebook zu Kleidungsspenden für Obdachlose aufgerufen. Dies hat in neonazistischen und faschistischen Kreisen in ganz Europa durchaus Tradition. Die Stoßrichtung der Aktion ist klar: Hilfe für „Volksdeutsche“ statt für Flüchtlinge. Auf der Facebook-Seite der „Bürgerbewegung Marzahn“ versteigen sich dann auch Kommentator_innen in der Hoffnung, dass bald Wohnungslose und rassistische Wutbürger_innen gemeinsam gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft demonstrieren könnten. Dies allerdings gänzlich ungeachtet der Tatsache, dass Wohnungslose und sozial benachteiligte Menschen nach wie vor eine Hauptopfergruppe rechter Gewalt sind.
Aggressive rechte Demo
Die Stimmung auf der Demonstration der rechten Unterkunftsgegner_innen war überaus aggressiv, auch dieses Mal wurden Journalist_innen bei ihrer Arbeit behindert und beschimpft. Im Verlauf der Demonstrationen kam es nur zu kleineren Zwischenfällen: So wurde ein Böller auf die antifaschistische Demonstration geworfen, die Polizei berichtet zudem von einem Angriff auf zwei Personen, die sich auf dem Weg zur rechtsradikalen Demo befanden. Am späten Montagabend wurde außerdem ein Mann festgenommen, der den Zaun des für das Flüchtlingsheim vorgesehenen Geländes beschädigt, und einen Wachdienstmitarbeiter mit Pfefferspray attackiert hatte. Hier ermittelt nun der Staatsschutz.
Gewalteskalation durch Polizist_innen
Als die antifaschistische Demonstration eigentlich vorbei und am S-Bahnhof Mehrower Allee angekommen war, sorgte die Polizei für eine völlig unnötige Gewalteskalation: Auf dem mit hunderten Gegendemonstrant_innen und Polizist_innen völlig überfüllten Bahnsteig entschloss sie sich, gegen die friedlich auf den Zug wartenden Antifaschist_innen vorzugehen. Dabei wurden Menschen von Polizist_innen auf die Gleise geschubst und Treppen hinuntergestoßen. Auch Pfefferspray und Schlagstöcke wurden an der vollbesetzten S-Bahn eingesetzt. Nur durch Glück und Zufall gab es hier keine schlimmeren Verletzungen. Was die Polizei zu ihrem gefährlichen Vorgehen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt bewogen hat, ist völlig unklar.
Das verflixte siebte Mal
Die linke Demonstration am gestrigen Abend ist wohl als Teilerfolg für diejenigen zu bewerten, die sich der rechten Hetze gegen Flüchtlinge entgegenstellen. Zwar ist es nicht gelungen, das bürgerliche Spektrum nach Marzahn zu mobilisieren, aber das kann ja noch werden. Denn auch am kommenden Montag wollen Neonazis und rassistische Wutbürger wieder marschieren. Vielleicht gibt es dann, bei entsprechenden Gegenprotesten, für die Rechten ein verflixtes siebtes Mal…