Weil sie ihren kleinen Sohn nicht schnell genug von der Schaukel nahm, beschimpfte Alex W. die kopftuch-tragende Mutter am 21. August 2008 auf einem Spielplatz in der Dresdner Johannstadt als ?Terroristin?, ?Islamistin? und ?Schlampe?. Damit hatte sich der 28-jährige Russlanddeutsche allerdings das falsche Opfer ausgesucht. Die ägyptische Apothekerin ließ sich das nämlich nicht gefallen und zeigte den Täter an. Der rassistische Hass des Täters war allerdings weit gefährlicher, als die Umwelt vermutete: Am 01. Juli 2009 tötet Alex W. die 32-jährige Marwa E. nach ihrer Zeugenaussage vor dem Dresdner Landgericht mit 18 Messerstichen.
?Nicht jeder, der Ausländer hasst, tötet?, erklärte Oberstaatsanwalt Christian Avernius nach der Tat. Das wirkt so hilflos, wie die staatlichen Stellen auch waren: Am 01. Juli 2009 wurde vor dem Dresdener Landgericht die rassistische und islamfeindliche Beleidigung auf dem Spielplatz verhandelt. Es war bereits die Berufungsverhandlung. Beim ersten Prozess im November 2008 war der Täter zu einer Geldstrafe von 780 Euro verurteilt worden. Im Prozess sagte er, ?solche Leute? seien für ihn ?nicht beleidigungsfähig?, da sie ?keine Menschen? seien. Die Staatsanwaltschaft ging daraufhin in Berufung, hielt die Geldstrafe für zu milde.
Trotzdem gelang es dem 28-jährigen Angeklagten offenbar ohne Probleme, ein Messer mit in den Gerichtssaal zu bringen, mit dem er die Zeugin Marwa E. tötete und ihren Ehemann Elwy O. lebensgefährlich verletzte, als dieser versuchte, sie zu schützen. Alex W. soll dabei gerufen haben, sie habe kein Recht zu leben. Auch bezeichnend für Denkmuster in der Gesellschaft: Ein zu Hilfe eilender Polizist aus einem benachbarten Raum schoss zunächst dem Ehemann der Ermordeten ins Bein, weil er den Ägypter für den Täter hielt.
Laut dem Sprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft erhärten erste Ermittlungen zum nicht vorbestraften Täter die rassistische und islamfeindliche Motivation des Lagerarbeiters aus Perm, der vor sechs Jahren nach Deutschland kam. Er sei ein ?notorischer Ausländerhasser? und ein ?fanatischer Einzeltäter?, der keine Kontakte zur rechtsextremen Szene habe.
So allein der Täter in der Konsequenz seiner Tat ist, so allein ist er mit seiner Einstellung nicht. Wie Kati Lang von der Opferberatung Dresden erklärt, entspricht es ihrer Erfahrung, ?dass Rassismus und Diskriminierung in weiten Teilen der Bevölkerung auf Zustimmung stoßen. So sind speziell auch islamophobische Einstellungen, die in diesem Fall zu dem entsetzlichen Mord führten, Bestandteil ablehnender Handlungen und Aktivitäten.? Rassistische Beleidigungen gehörten in Dresden ?leider zum Alltag?.
Während die Generalsekretäre des Zentralrates der Juden und der Muslime in Deutschland dem Ehemann kondolierten und ihre Bestürzung zum Ausdruck brachten, reagierten deutsche offizielle Stellen zögerlich und wenig präzise. Die Nachrichtenagentur ddp berichtet, der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich habe sein ?tief empfundenes Mitgefühl? ausgesprochen für eine ?hinterhältige?, ?feige? und ?beschämende? Tat. Berichtet wird auch das sicher verbindend gemeinte, aber merkwürdig relativierende Zitat: ?Dieser Angriff galt nicht nur der Verstorbenen, dieser Angriff galt allen Menschen, die für ein weltoffenes und friedliches Miteinander der Völker und Religionen eintreten.?
Der Generalsekretär des Zentralrats de Juden in Deutschland, Stephan Kramer sieht in der Tat den Ausdruck islamfeindlicher Tendenzen in der Gesellschaft: ?Die, die bisher die Sorge um Islamophobie in Deutschland für eine Phantomdebatte abgetan haben, sehen sich nach diesem furchtbaren Ereignis Lügen gestraft.? Der Generalsekretär der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, rief dazu auf, die Trauer durch ?friedliche Trauermärsche und Mahnwachen? auszudrücken und den Tod der 32-jährigen nicht zu instrumentalisieren und sich nicht vom Hass anstecken zu lassen.
Während in Ägypten bei der Beisetzung von Marwa E. am Montag vielfältig der Rassismus des Mordes beklagt wurde, ist es vielen Muslimen in Deutschland besonders wichtig, auf die besondere Islamfeindschaft des Täters hinzuweisen, weil sie damit eine Anfeindung nicht nur aus rassistischen Gründen, sondern auch wegen ihrer Religion belegt sehen.
Besondere Tragik erhält der Fall, da der Mord vor den Augen des dreijährigen Sohnes des Opfers geschah und die Familie in einem Vierteljahr nach Ägypten zurückkehren wollte. Der Ehemann war als Doktorand vor vier Jahren ans Max-Planck-Institut in Dresden gekommen, Marwa E. arbeitete in eine Apotheke und war im dritten Monat schwanger.
Ergänzung vom 09.07.2009:
Mörder von Marwa E. sagte offenbar im Gericht: „Haben Sie überhaupt ein Recht, in Deutschland zu sein? Sie haben hier nichts zu suchen“, und: „Wenn die NPD an die Macht kommt, ist damit Schluss. Ich habe NPD gewählt.“ (ZEIT online)
Die Bundesregierung verurteilt die Tat inzwischen. Bundeskanzlerin Angela Merkel will dem ägyptischen Ministerpräsidenten Husni Mubarak am Rande des G8-Gipfel über den Mord sprechen (Focus).
Ergänzung vom 13.07.2009:
Staatsministerin Maria Böhmer kondoliert Ehemann von Marwa El-Sherbini (PM). Bundeskanzlerin Angela Merkel kondoliert Ägyptens Präsident Husni Mubarak (FAZ).