Von Franziska Rocholl
Die Darstellung von rassistischen Stereotypen in Film und Fernsehen ist ein allgemein bekanntes Problem. Ändern tut sich daran trotzdem nichts. Stattdessen werden Stereotypen und Vorurteile unermüdlich weiter verbreitet. Das Menschen, die von dieser filmischen Stereotypisierung tangiert werden, darunter leiden, wird ignoriert. Eine dieser betroffenen Gruppen, sind jene Menschen, die der Minderheit der Sinti und Roma angehören.
Die Klischeebilder der Sinti und Roma in der Gesellschaft, die seit Jahrhunderten über die Literatur und Kunst vermittelt werden, sind auch heute noch in den Köpfen vorherrschend, ob romantisierend von Tänzen und Röcken geschwärmt wird oder abwertend über zu viele Kinder und Wohnsitzlosigkeit geurteilt wird. Diese Klischee-Bilder werden in der heutigen Zeit besonders in Film und Fernsehen für Geschichten aufgegriffen und dadurch reproduziert. Das gilt natürlich nicht nur für antiziganistische Klischees, sondern für sämtliche gruppenbezogene Diskriminierungen und davon sind sämtliche Filmarten betroffen. Auch Popcornkino bedient sich rassistischer Bildern und trägt dadurch zur Stigmatisierung und zur Reproduktion bei.
Das bedeutet in der Konsequenz, dass sich Produzent_innen von Unterhaltungsfilmen der realitätsstiftenden Wirkung des Genres in puncto Abbilden und Vervielfältigen von Rassismus stellen müssen. Gerade weil dieses Filmgenre Massenware ist und die Kraft der Narrative besonders anschlussfähig sind. Wird beispielsweise reales Filmmaterial bei fiktiven Filmen aufgenommen, entsteht dadurch ein Anspruch auf eine „realistische“ Darstellung. In solchen Fällen muss den Verantwortlichen bewusst sein, dass antiziganistische Narrative besonders nachhaltig gefüttert werden. Darüber hinaus kann es auch passieren, dass rassistische und antiziganistische Bilder in Filmen reproduziert werden, diese aber nicht nur auf Roma, sondern auf alle Menschen aus dem Balkangebiet projiziert werden, wie es beispielsweise bei Film „Nellys Abenteuer“ geschehen ist. In diesem Fall ist der Film „trotzdem“ antiziganistisch, denn es geht um die Reproduktion von antiziganistischen Stereotypen, die immer eine rassistische und diskriminierende Wirkung haben, egal wer exakt davon betroffen ist. Generell gilt: Werden antiziganistische Filme produziert, muss die Kritik der Minderheit ernst genommen werden.
Fatal ist, dass der dargestellte Antiziganismus den Filmschaffenden und allzu oft auch noch dem Publikum gar nicht auffällt. Schlicht aus dem Grund, dass antiziganistische Stereotype noch immer stark in der europäischen Gesellschaft verankert sind. Das bedeutet aber, dass der historischer Hintergrund, die gesellschaftliche Wirkung und der Kontext des Antiziganismus immer mitgedacht werden muss. Sprich: Filme müssen sehr aufmerksam auf die Produktion von antiziganistischen Strukturen untersucht werden, weil einerseits die Mehrheitsgesellschaft sowieso schon in antiziganistische Strukturen denkt und andererseits die Minderheit der Sinti und Roma immer unter diskriminierenden Repressalien zu leiden hat. Deswegen muss bedacht werden: Welchen Impact hat der Film auf die Mehrheitsgesellschaft? Welche Auswirkung hat der Film auf die Minderheit selbst? Die Frage, die nachhaltig gestellt werden sollte, ist also: Wie können Filmemacher_innen zukünftig antiziganistische Strukturen vermeiden?
Die Menschen der Minderheit müssen als divers begriffen werden – innerhalb der Gruppe, aber auch bezüglich ihrer eigenen Identität, als Sinti oder Roma mit ganz vielfältigen anderen Rollen wie Anwalt, Ärztin, Queer, Deutsche, Engländer, Muslim, Katholikin, Mutter, Sohn, Oma…etc.pp. Wichtig ist, dass der Blick der Kamera auf gelebte Geschichten, Erfahrungen, Alltagsbezug gerichtet und dabei empathisch vorgegangen wird.
Unterschiedliche Lebensgeschichten der diversen Gruppe der Sinti und Roma müssen gezeigt werden und auch der Holocaust an den Sinti und Roma muss endlich seinen Weg in die breite Öffentlichkeit finden. Dieser Teil der Geschichte darf nicht länger nur eine Fußnote der Nachkriegsgeschichte sein. Außerdem muss es den Sinti und Roma ermöglicht werden, mehr Einflussnahme auf jene Filme nehmen zu können, die die Minderheit darstellen möchten. Das beinhaltet Empowerment der Sinti und Roma und die Schulung des kritischen Blick der Mehrheitsgesellschaft. Die Grenzen zwischen Kulturen müssen in Filmen aufgelöst werden, sodass mehr transkulturelle Filme entstehen können, in denen die tatsächlich bestehende multikulturelle Gesellschaft dargestellt wird, mit Schwarzen Ärzt_innen, Lehrer_innen mit Migrationshintergrund und Juristen aus der Minderheit der Sinti und Roma oder den Sorben etc.. Das würde dazu führen, dass Menschen die sowieso schon mit Diskriminierung zu kämpfen haben, aus der Opferrolle im Fernsehen herausschlüpfen können und das Menschen, die einer Minderheit angehören, sich in Held_innen, die ebenfalls einer Minderheit angehören, repräsentiert sehen. Die Darstellung von Minderheiten muss Opferrollen überwinden und die Menschen auch mal als Held_innen oder aber zumindest auch mal als ganz alltägliche Menschen darstellen. Denn Filme haben eine große Bedeutung bei der Konstruktion der Wirklichkeit.
Titelbild: Flickr / Judy von der Velden / CC BY-NC-ND 2.0
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