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Mehr Todesopfer rechter Gewalt anerkannt

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Werden nachträglich als Todesopfer rechtsextremer Gewalt anerkannt: Günter Schwannecke, Beate Fischer und Dieter Eich. (Quelle: BTN)

Diese Todesopfer werden als recht motiviert nachgemeldet nach einer ausführlichen Untersuchung durch Wissenschaftler des Zentrums für Antisemitismusforschung der Technischen Universiätt Berlin unter der Leitung von Michael Kohlstruck nun – damit steigt die Zahl der Todesopfer rechter Gewalt seit 1990 in Berlin auf 9 Fälle:

29. August 1992: Günter Schwannecke

Der 58-jährige Obdachlose Günter Schwannecke wird am 29. August 1992 nachts auf einer Parkbank in Berlin-Charlottenburg von einem Ku-Klux-Klan-Anhänger zusammengeschlagen. Der 22-jährige Skinhead hatte mit einem Freund zuvor Ausländer bedroht und dann nach einem kurzen Wortwechsel mit seinem Baseballschläger auf den betrunkenen Schwannecke und einen weiteren Obdachlosen eingeschlagen. Der Täter wollte laut Berliner Landgericht „seine Aggressionen abreagieren“. Günter Schwannecke stirbt am 5.September 1992 an einem Schädelbruch. Am 23.Februar 1993 verurteilt das Landgericht Berlin Norman Z. wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu sechs Jahren Haft. Da es dem Täter „ausschließlich um die Lust an Gewaltanwendung“ gegangen sei, erkannte das Gericht „zu keinem Zeitpunkt ein politisches Motiv“. Obwohl der Täter bereits vor seiner Tat versuchte, „mehrere ausländische Bürger zu einer Schlägerei zu provozieren“, wie der Berliner Innensenator Frank Henkel auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Marion Seelig (DIE LINKE) antwortet.

23. Juli 1994: Beate Fischer

Am 23. Juli 1994 abends erwürgen drei Skinheads in Berlin die 32-jährige Beate Fischer und legen sie an eine Mülltonne. Die Prostituierte ist den drei Männern zunächst freiwillig in eine Wohnung gefolgt. Dem Gericht zufolge hat die Frau dort freiwillig Sex mit allen, will aber nach einer Misshandlung gehen. Die Skinheads verhindern das und vergewaltigen die Frau mehrmals. Dann töten sie Beate Fischer. Das Gericht verhängt lebenslange Haft für den 21-Jährigen, neun und zehn Jahre Jugendstrafe für die Mittäter. Der Richter sagt in der Urteilsbegründung, die Neonazis „haben nach ihrer Wolfsmoral Sex als die Bühne ihrer Macht benutzt“.

17. April 1997: Chris Danneil und Olaf Schmidke

Nach einem Polterabend der rechten Szene ersticht ein Neonazi in der Nacht zum 17. April 1997 in Berlin-Treptow die zwei „Kameraden“ Chris Danneil (31) und Olaf Schmidke (26). Dem Gewaltexzess geht ein banaler Streit voraus: Der aus Berlin stammende Täter und ein Kumpan können sich mit den beiden Neonazis aus Sachsen-Anhalt nicht einigen, wann die rechtsextreme FAP (Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei) vom Bundesinnenminister verboten worden ist. Das Landgericht Berlin verurteilt den 33-jährigen Messerstecher zu 14 Jahren Haft, der 27 Jahre alte Mittäter bekommt zweieinhalb Jahre. Das Gericht stellte in seiner Urteilsbegründung fest, dass „die Täter die Tat nicht aus besonderen niedrigen Beweggründen begangen haben“.

6. Oktober 1999: Kurt Schneider

In der Nacht zum 6. Oktober 1999 wird der 38-jährige Sozialhilfeempfänger Kurt Schneider von vier Neonazis in Berlin-Lichtenberg zu Tode misshandelt. Zunächst fordern die Täter Geld von dem Sozialhilfeempfänger und traktieren ihn dabei mit Schlägen und Tritten. Sie lassen ihn schwer verletzt in seiner Wohnung liegen. Wenig später kommen die Täter zurück und töten das Opfer mit einem mitgebrachten Messer, sowie Tritten gegen Kopf und Körper. Die Täter sind bereits einschlägig vorbestraft. Das Landgericht Berlin verurteilt im April 2000 die beiden 23-jährigen Täter zu lebenslangen Freiheitsstrafen. Die beiden anderen Angeklagten, 18 und 19 Jahre alt, werden nach Jugendstrafrecht zu acht beziehungsweise achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Obwohl der vorsitzende Richter auf die rechte Gesinnung der Täter verweist, sieht er kein rechtsextremes Motiv. Für Berlins Innensenator Frank Henkel handelt es sich bei der Tat nicht um ein Tötungsdelikt des Phänomenbereiches PMK-rechts, da es sich lediglich um eine „Verdeckungstat“ handle, um den zuvor begangenen Raub zu vertuschen. Wenn tödliche Attacken auf Sozialhilfeempfänger als Raubüberfälle getarnt werden, müssen sie als das behandelt werden, was sie sind: Rechtsextrem motivierte Morde. Menschen, die keine Arbeit haben und Sozialhilfe empfangen, gelten in der rechtsextremen Szene als „asozial“ und „minderwertig“. Der ideologische Kontext der Täter darf gerade bei einer tödlichen Attacke auf diese Opfergruppe nicht ignoriert werden, begründet sich doch in ihrer rechten Gesinnung (Sozialdarwinismus) die exzessive Gewalt gegen sozial schwächer gestellte Menschen. Kurt Schneider ist ein Todesopfer rechter Gewalt.

24. Mai 2000: Dieter Eich

Vier Rechtsextremisten überfallen in der Nacht zum 25. Mai 2000 im Berliner Bezirk Pankow den Sozialhilfeempfänger Dieter Eich in seiner Wohnung. Der 60-Jährige wird zunächst von den betrunkenen Neonazis brutal zusammengeschlagen, später kamen die Täter zurück und erstachen den 60-Jährigen mit einem Jagdmesser. Als Motiv nennen die Täter „einen Assi klatschen“. Polizei und Staatsanwaltschaft teilen erst drei Monate nach dem Verbrechen mit, dass die Täter der rechten Szene zuzuordnen sind. Der Haupttäter René R. prahlte bis zur Festnahme im Bekanntenkreis mit der Tat. Bei der Gerichtsverhandlung stellte sich heraus, dass einer seiner Komplizen ihn nach dem Mord mit den Worten „das hast du gut gemacht, der musste weg, der war asozialer Dreck“, gelobt hatte. Im März 2001 wurden die vier Angreifer zu Haftstrafen von fünf bis dreizehn Jahren verurteilt. Das Gericht stufte den Mord als eine Verdeckungstat ein, um den Gewaltexzess an Dieter Eich zu vertuschen. Somit wurde der Mord nicht als politsich motiviert eingestuft, sondern „nur“ die Schläge und Tritte der Täter.  Der ideologische Kontext der Täter hätte bei der Urteilsfindung eine stärkere Berücksichtigung finden müssen, wird doch die Hemmschwelle zum Mord an einem Menschen gesenkt. Die Initiative „Niemand ist vergessen“ bemüht sich um einen Gedenkstein für Dieter Eich und engagiert sich gegen die soziale Ausgrenzung von sozial benachteiligten Menschen und Obdachlosen. Als Mahnung an die brutale Tat an Dieter Eich hat die Initiative auch einen Film gemacht, der noch einmal eindringlich das furchtbare Geschehen an jenem Tag beleuchtet. Der Innensenator Berlins, Frank Henkel, stufte die Tat im Dezember 2011 nicht als PMK-rechts ein, da unter anderem „Täter und Opfer miteinander bekannt“ waren. Nur weil „sich Opfer und Täter kannten“, eine rechtsextreme Motivation auszuschließen, ist nicht nachvollziehbar. Dieter Eich wurde Opfer dieser furchtbaren Tat, weil er als Sozialhilfeempfänger in den Augen der Neonazis als „asozial“ galt. Dieter Eich wurde somit eindeutig aus einer sozialdarwinistischen Motivation heraus getötet und müsste deshalb auch offiziell als Todesopfer rechter Gewalt anerkennt werden.

5. November 2001: Ingo Binsch

Ingo Binsch wird am 5. November 2001 von drei Rechtsextremen über einen längeren Zeitraum in Berlin massiv geprügelt und gewürgt. Außerdem wirken die Täter mit ihrem gesamten Körpergewicht auf den Brustkorb ihres Opfers ein. Der 36-jährige Ingo Binsch ist schwer herzkrank. Am Tag danach erleidet er einen Herzinfarkt und stirbt. Die Angreifer wollten angeblich Schulden in Höhe von 40 Mark eintreiben. Das Landgericht Berlin verhängt Freiheitsstrafen zwischen dreieinhalb und sechseinhalb Jahren. Die geringen Strafen begründet das Gericht damit, dass sich die Angeklagten „über die Folgen ihres Handelns keine Gedanken gemacht“ hätten. Der Gewaltexzess wird als Körperverletzung mit Todesfolge gewertet. Die rechte Gesinnung der Täter findet keine Berücksichtigung – obwohl einer der Angreifer bereits wegen eines weiteren Delikts der Körperverletzung verurteilt wurde. Damals hatte der Neonazi Anfang 2001 einen Jugendlichen erst gefragt, ob er Ausländer sei und dann auf ihn eingetreten. Berlins Innensenator Frank Henkel sieht in der Tat keinen rechtsextremen Hintergrund, da die Täter vom Opfer „Bargeld forderten“ und Ingo Binsch zudem schwer herzgeschädigt gewesen sei. Hier zeigt sich, wie all jene Tötungsdelikte aus der offiziellen Statistik PMK-rechts rausfallen, die als Raubüberfälle getarnt werden.

Zwei weitere Fälle wurden bereits durch das LKA als politisch rechts motiviert gemeldet und die Wissenschaftler bestätigten dies nun:

24. April 1992: Nguyen Van Tu

Der 29-jährige Vietnamese Nguyen Van Tu stirbt am 24. April 1992 in Berlin durch einen Messerstich in die Lunge. Der 21-jährige Täter gibt an, der rechtsextremen DVU nahe zu stehen. Er wird am 8. Oktober 1992 vom Landgericht Berlin wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Als Tatmotiv stellt das Gericht Selbstjustiz vor dem Hintergrund fremdenfeindlicher Ressentiments fest.

21. November 1992: Silvio Meier

Am 21. November 1992 wird der 27-jährige Hausbesetzer Silvio Meier in Berlin von einer Gruppe Neonazis niedergestochen und verblutet. Auch zwei Freunde von Silvio Meier werden bei dem Angriff schwer verletzt. Der tödlichen Attacke ging voraus, dass Silvio Meier zusammen mit seinen Freunden am U-Bahnhof Samariterstraße auf eine Gruppe Neonazis traf. Einer der Nazis trägt einen Aufnäher „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“. Silvio Meier und seine Freunde stellen den Träger zur Rede. Bei dem Versuch den Bahnhof wieder zu verlassen, lauern die Neonazis der jungen Gruppe auf. Diese sind bewaffnet und stechen mit Messern auf sie ein. Silvio Meier ist sofort tot. Die Täter rufen: „Jetzt haben wir es euch gezeigt, ihr linken Säue“. Die Jugendstrafkammer des Kriminalgerichts Berlin-Moabit verurteilt Sandro S. am 2. Oktober 1993 in einem Jugendstrafverfahren wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren. Die Mitangeklagten, der 18-jährige Sven M. und der 17-jährige Alexander B., erhalten Freiheitsstrafen von dreieinhalb Jahren beziehungsweise acht Monaten auf Bewährung. Jedes Jahr im November organisiert die Antifa Berlin anlässlich seines Todestages eine Demonstration. Seit 2010 bemüht sich die Initiative „Aktives Gedenken“ um eine Silvio-Meier-Straße in der Nähe des Tatorts im Stadtteil Friedrichshain.

Untersuchungen gefordert nach NSU-Untersuchungsausschuss

Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages hatte 2013 kritisiert, dass die polizeiliche Erfassung rechter Tötungsverbrechen mangelhaft sei und zu einer Überprüfung bisheriger Einschätzungen geraten. Seitdem gab es systematische Überprüfungen neben Berlin in Brandenburg, woraufhin 9 Fälle nachgemeldet wurden, und in Sachsen-Anhalt, wo 3 Fälle nachgemeldet wurden. Alle anderen Bundesländer haben bisher keine erneuten Überprüfungen vorgenommen.

Der Tagesspiegel berichtet, vier Fälle geprüfte Fälle werten die Wissenschaftler nach Durchsicht der Akten nicht als politisch motiviert. Dabei geht es um den gewaltsamen Tod eines Scheckbetrügers 1990 in Lichtenberg, den tödlichen Schlag 1991 gegen einen jungen Türken in Charlottenburg, den Fall eines 1994 in der Spree ertrunkenen Polen und den eines 2008 in Marzahn erstochenen Vietnamesen.

Mit den nachgemeldeten Berliner Fällen steigt die staatliche Zahl der Todesopfer rechtsextremer Gewalt auf 83 Fälle.

 

Auflistung der bekannten Todesopfer rechtsextremer Gewalt:

http://www.opferfonds-cura.de/zahlen-und-fakten/todesopfer-rechter-gewalt/http://www.belltower.news/artikel/die-liste-184-todesopfer-rechtsextremer-und-rassistischer-gewalt-seit-1990-9143

 

Opfer rechter Gewalt unterstützen

Schnelle und unbürokratische Hilfe erhalten Betroffene rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Übergriffe vom Opferfonds CURA der Amadeu Antonio Stiftung. In knapp hundert Fällen wurde Geschädigten bei Arzt- und Anwaltskosten, Sachschäden oder Umzügen geholfen und ehrenamtliche Opferberatungsstellen unterstützt. Es ist ein Akt der Menschlichkeit und Solidarität, dass wir die Betroffenen nicht alleine lassen! Jede Spende hilft dabei, Opfer rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Gewalt zu unterstützen!

http://www.opferfonds-cura.de/

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