Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Menschenfeindlichkeit August 2015 Internet und Social Media

Von|
Rassistische, rechtsextreme, zu Gewalt aufrufende Hassrede? Mögen wir nicht. Facebook arbeitet dran. (Quelle: Flickr / Creative Commons / Ze'ev Barkan)

Was?Eröffnung der Facebook-Gruppe „gegen das Asylhaus an der Bayernkaserne“ Kommentar: „tut euch zusammen, zündet die hütten an, und verhaut die ordentlich. dann ist ruhe da.“Löscht als Admin nicht: „Meine Lösung für das Problem wäre ein Sonderzug nach Dachau“., sondern stimmt zu: „So sehe ich das auch.“Strafe?Volksverhetzung, sechs Monate auf Bewährung und 500 Euro Geldstrafe (Süddeutsche).

Was?Wünscht einer Jüdin in einem offenen Brief auf Facebook den Tod durch Zyklon B.Strafe?Volksverhetzung und Störung des öffentlichen Frieden durch Androhung von Straftaten, Geldstrafe von 900 Euro (Osthessen-News)

Was?Bietet auf Facebook einer Gruppe von Asylbewerbern angeboten, „eine Gasflasche und eine Handgranate“ zu liefern – „frei Haus“.Strafe?Volksverhetzung, 7.500 Euro (otz)

Was?Mehrmals bei Facebook zu Hass und Gewalt gegen ethnische Minderheiten aufgerufen.Strafe?Volksverhetzung, 4.800 Euro (otz)

Was?„Wir sollten die Duschen wieder öffnen und brauchen mehr Ascheplätze“. (FB)Strafe?Volksverhetzung, 500 Euro (WZ-NewslineRheinische Post)

Was?„Glei weg damit, a 9 mm kost ned viel“ (FB)Strafe?3 Monate auf Bewährung (Heute.at)

Was?„I hätt nu a Gasflasche und a Handgranate rumliegen für des Gfrast. Lieferung frei Haus.“ Strafe?Volksverhetzung, 7.500 Euro (LTOBR)Aber:Unter dem gleichen Eintrag hatte damals ein Polizist aus Pocking geschrieben: „I häd nu 60 Eintrittskarten fürs Onkelzkonzert mit Zugticket herzugeben. Aber ohne Rückfahrt. De erübrigt sich dann sowieso.“ Hier entschied der Staatsanwalt: Keine Volksverhetzung. 

Soziale Konsequenzen:

Zalando-Azubi aus Erfurt wegen Rassismus auf Facebook (inSuedThueringen.de)Spar (Österreich) trennt sich von Führungskraft in Graz, die nach einem Brand im Erstaufnahmelager postete: „was? vor den Mauern. In den (sic!) Gebäude wäre besser. schlecht gezielt.“ (Kurier.at)Reservistenverband in Sachsen feuert Mitglied, nachdem er bei Facebook dazu aufrif, sich mit einem Maschinengewehr mit 1100 Schuss vor der Zeltstadt in Dresden zu positionieren und die Flüchtlinge zu ermorden (BILD)

Ermittlungen:

„Fakt ist, unser Erstaufnahme Lager ist zu klein, wir brauchen ein weiteres, am besten gleich mit Bahnanbindung.“ Dazu lud er ein Foto hoch, das die Bahngleise zeigt, die in das KZ führen – jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen Mann aus Neumünster (shz)

Warum wird so viel Hass auf Facebook nicht gelöscht – der Justizminster will reden

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat das Online-Netwerk Facebook aufgefordert, die Verbreitung von Hassbotschaften durch Nutzer zu stoppen. In einem Schreiben an die Europa- und die Deutschland-Zentrale lädt er Unternehmensvertreter zu einem Gespräch ein. Bei dem für den 14. September vorgeschlagenen Termin solle es darum gehen, „die Effektivität und Transparenz ihrer Gemeinschaftsstandards zu verbessern“ (taz). Sigmar Gabriel pflichtet ihm bei: SPD-Chef Sigmar Gabriel hat zu einem entschiedenen Kampf gegen rechte Hetze aufgerufen. «Wir dürfen Volksverhetzung in Deutschland nicht durchgehen lassen», sagte er am Donnerstag beim Besuch in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Ingelheim in Rheinland-Pfalz. Soziale Netzwerke wie Facebook müssten rassistische Posts schneller und nachhaltiger löschen. Aber auch jeder Bürger sei aufgerufen, sich fremdenfeindlichen Äußerungen in seinem Umfeld entgegenzustellen (WK).

Ist Facebook nach Kenntnis zur Löschung verpflichtet?

Anwalt.de schreibt:

„Facebook zieht sich gerne auf den Standpunkt zurück, als reiner Technikdienstleister nicht für die Inhalte der Nutzer verantwortlich zu sein. Das ist grundsätzlich auch korrekt, da Plattformbetreiber in Europa eine besondere Haftungsprivilegierung genießen. Da diesen Dienstleistern nicht zugemutet werden kann, jedes Posting vorab zu prüfen, haften sie erst ab Kenntnis von rechtsverletzenden Inhalten. Genau das ist im Fall von Facebook aber der springende Punkt. Mittlerweile haben tausende Nutzer volksverhetzende Kommentare an das Unternehmen gemeldet. Facebook löscht trotzdem nicht und sieht keinen Verstoß gegen die selbst gesetzten Gemeinschaftsstandards (…)  Auch wenn das Unternehmen seine Europazentrale in Irland hat, muss es sich natürlich an die deutschen Gesetze halten. Und die sind eindeutig: Löscht Facebook nach Kenntnis die rechtswidrigen Inhalte nicht, haftet das Unternehmen selbst. Es wäre also an der Zeit, dass die ersten Staatsanwälte sich die Verantwortlichen bei Facebook zur Brust nehmen und Ermittlungsverfahren wegen einer möglichen Beihilfe zur Volksverhetzung durch Online-Halten der Kommentare einleiten. Facebook kann sich auch nicht darauf berufen, mit der Prüfung der Meldungen überfordert zu sein. Der Konzern macht Milliardengewinne und muss dann eben einen Teil davon für die Beschäftigung weiterer Juristen aufwenden.

Interessant auch: „Verantwortlich sind im Übrigen auch die Betreiber von Facebook-Fanpages, sofern dort volksverhetzende Kommentare gepostet werden. Genau wie Facebook selbst müssen auch die Seitenbetreiber handeln, wenn sie Kenntnis von rechtsverletzenden Inhalten haben. Andernfalls kommen sie selbst in die Haftung. Eine Pflicht sämtliche Kommentare eigeninitiativ auf Rechtswidrigkeit zu prüfen, gibt es jedoch nicht. Bekommen Seitenbetreiber ein Posting gemeldet, müssen sie selbst die schwierige Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Volksverhetzung vornehmen. Wer nicht selbst in die Haftung kommen will, wird also im Zweifel lieber löschen.“ (ganzer Text: Anwalt.de, siehe auch: Express.de)

Wann sind die Grenzen zwischen Meinungsäußerung und Volksverhetzung erreicht?

Die Frankenpost fragt den Staatsschutz: Die Hofer Staatsschutz-Beamten verweisen auf Paragraf 130 des Strafgesetzbuches, also den Tatbestand der Volksverhetzung: Wer zum Hass aufstachelt, zu Gewalt auffordert, jemanden böswillig beschimpft, verächtlich macht, verleumdet oder die Menschenwürde anderer angreift, und zwar in Bezug auf „eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe“, der macht sich schuldig. Doch wo verläuft eigentlich die Grenze zwischen zulässiger Meinungsäußerung und strafbewehrter Volksverhetzung? „Das zu beantworten ist nicht leicht“, sagt Alexander Czech, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberfranken in Bayreuth, „denn gerade in diesem Bereich kommt es immer auf den Einzelfall an.“ Das bestätigen auch die Beamten des Fachkommissariats Staatsschutz bei der Kriminalpolizeiinspektion Hof. Auf eine schriftliche Anfrage der Frankenpost antworten sie ebenfalls schriftlich: „Es ist grundsätzlich eine Einzelfallprüfung erforderlich. In Zweifelsfällen wird der Vorgang der zuständigen Staatsanwaltschaft zur Prüfung vorgelegt.“

Die Anwaltskanzlei Ferner schreibt dazu genauer: „Wer jemanden konkret angreift, sei es mit Beleidigungen oder Verleumdungen, der macht sich strafbar – dazu muss nicht viel gesagt werden. Daneben ist dann aber auch an die „Volksverhetzung“ zu denken, die früher eher ergänzend formuliert war und dann eingriff, wenn es nicht um den Einzelnen sondern um Gruppen ging. Heute wird hier aber ebenfalls der Einzelne geschützt, was den Anwendungsbereich massiv erweitert. Als erstes ist zu fragen, ob man etwas veröffentlicht hat, was geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Es kommt alleine darauf an, ob die Eignung besteht, also auch nur die Möglichkeit, dass Teile der Öffentlichkeit Vertrauen in bestehenden Frieden oder Friedfertigkeit verlieren.“Als „Tathandlungen“ beschreiben sie: 

zu Hass oder Gewalt- oder Willkürmaßnahmen aufrufen – hier wird noch „Meinungsäußerungsfreiheit“ abgewägtMenschenwürde angreifen (z.B Eigenschaften als Mensch absprechen, NS-Rassenideologie verbreiten) – das ist immer unzulässig, KEINE MeinungsäußerungsfreiheitStrafrahmen: mit Störung des öffentlichen Friedens (das sind Internet-öffentliche Veröffentlichungen meist) – mindestens 3 Monate auf Bewährung oder Geldstrafe von 90 Tagessätzen = das kommt ins Führungszeugnisdes Ohne Störung des öffentlichen Friedens: Keine Mindeststrafe, maximal 3 jahre Freiheitsstrafe, meist bei Ersttäter_innen Geldstrafe von rund 30 Tagessätzen = ein Monatsgehalt

Autor Yassin Musharbash fordert: „Wir brauchen eine große Debatte darüber, was eigentlich o.k. ist im Umgang miteinander. Ich habe kein Problem, mit Leuten zu diskutieren, die rechtsradikal sind. Aber wir müssen einen gemeinsamen Boden finden: Wir leben alle hier, lasst uns reden, ohne dass wir uns die Köpfe einschlagen.“ Konfliktforscher Andreas Zick ergänzt: Es gebe genügend Foren, wo Bilder kursieren, auch Informationen über potenzielle Opfer; man könne potentiellen Tätern auf die Spur kommen: „Gewisse Leute könnte man auch gut ausmachen. Das Problem ist: Wir haben zu wenig Leute. Was ist das für ein Bedürfnis hinter der Meinung? Steckt da eine klare Schädigungsabsicht dahinter? Dann könnte man sie verfolgen. In der Zivilgesellschaft braucht man Zivilcourage – im Netz auch.“ (Deutschlandradiokultur)

Die WAZ berichtet: „Zumindest im Graubereich, wo Äußerungen zwar scharf sind, aber einen gewissen Grad nicht übersteigen, ist stets abzuwägen mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit“, sagt Michael Heghmanns, Strafrechtler an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Das treffe vor allem auf bei Äußerungen mit politischem Kontext zu. „Beim Tatbestand der Volksverhetzung ist schon das Beschimpfen einer ethnischen Gruppe wegen ihrer Herkunft verboten und steht unter Strafe.“ Grundsätzlich stellt sich auch die Frage, ob nicht Facebook selbst für solche Kommentare rechtlich belangt werden könnte. „Facebook genießt die gesetzlichen Privilegien eines Plattform-Betreibers, die Facebook davor schützen, für jedwede Äußerung eines Nutzers verantwortlich gemacht zu werden“, sagt Thorsten Feldmann, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht. „Facebook haftet allenfalls, nachdem es Kenntnis von solchen Kommentaren hat und diese nicht entfernt.“ Dafür müsse das soziale Netzwerk aber wissen, dass das Posting existiert und dass dieses eine Straftat darstellt.

T-Online-News schreiben: Der Gesetzgeber hat verschiedene Grenzen für die Meinungsfreiheit festgelegt. Eine davon ist der Schutz der persönlichen Ehre. Beleidigungen werden nicht durch Artikel 5 geschützt. Ebenso rechtswidrig ist üble Nachrede (§ 186 StGB), beispielsweise durch falsche Tatsachenbehauptungen oder Verleumdungen (§ 187 StGB). Viele Facebook-Kommentare erfüllen die Straftatbestände der Volksverhetzung (§ 130 StGB), Aufruf zum Völkermord (§ 6 StGB) und zum Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 StGB).

Was noch?

Reddit schmeißt rassistische Communitys raus – neue Richtlinien ab August 2015 (standard.at)Auch Mozilla sprechen sich jetzt gegen Hassrede aus (golem.de)Europarat rügt Zunahme von Rassismus und Antisemitismus im Internet (Deutschlandfunk)

Interessante Lesestücke / Was können User gegen Hasskommentare tun?

Digitale Volksverhetzung: Schwarmintelligente können die Schwarmbösen besiegen (Die Welt)Die Mensch-Maschine: Hass im Netz (Spiegel Online)Hass spricht (FAZ)Was können User gegen Hasskommentare tun? Diskutiere, Blockieren und Melden oder Anzeigen, meint der mdr oder auch der FocusVerschwörungstheorie in sozialen Medien:  „Hilfe, existiert das Deutsche Reich etwa noch?“ (Die Welt)Team Batman gegen den Islamischen Staat: Wie soziale Netzwerke den Terror bekämpfen (Wired)Rassismus auf Facebook: Macht Social Media böse? Nein, aber man ist empörter, reagiert schneller und zugespitzer und denkt weniger über Konsequenzen nach, sagt Medienpsychologe Martin Wettstein (Blick.ch)

Mehr Menschenfeindlichkeit aktuell, August 2015:

| Menschenfeindlichkeit August 2015: Rassismus und Feindlichkeit gegen Flüchtlinge| Menschenfeindlichkeit August 2015: Antisemitismus| Menschenfeindlichkeit August 2015: Homofeindlichkeit und Sexismus| Menschenfeindlichkeit August 2015: Islamfeindlichkeit| Menschenfeindlichkeit August 2015: Rechtspopulismus| Menschenfeindlichkeit August 2015: Internet

Weiterlesen

2016-02-29-gaming-comp

Rassismus als Designproblem in Computerspielwelten

Carl »CJ« Johnson lebt seit fünf Jahren in Liberty City. Der Mord an seiner Mutter zieht ihn zurück in sein altes Lebensumfeld einer afroamerikanischen Gang. Bevor ihn jedoch das Taxi vom Flughafen im »Ghetto« der fiktiven westamerikanischen Stadt San Andreas absetzen kann, wird er Opfer einer rassistischen Polizeikontrolle.Gewalt zählt von nun an zu seinem Alltag.

Von|
Eine Plattform der