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„Militärorden Centuria“ und „Asow“ Wie rechtsextreme Soldaten in der Ukraine vom Westen ausgebildet werden

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„Asow“-Soldaten in Kiew. Auf ihrer Flagge: eine Wolfsangel, beliebt unter Rechtsextremen und einst das Logo der NSDAP sowie von zahlreichen SS-Divisionen
„Asow“-Soldaten in Kiew. Auf ihrer Flagge: eine Wolfsangel, beliebt unter Rechtsextremen und einst das Logo der NSDAP sowie von zahlreichen SS-Divisionen (Quelle: picture alliance //dpa/Alexandr Maksimenko)

Die Lage an der russisch-ukrainischen Grenze ist ernst, die Krisendiplomatie vorerst gescheitert. Seit Wochen lässt Russlands Präsident Wladimir Putin rund 100.000 Soldaten dort aufmarschieren, begleitet von Panzern, Drohnen und Artillerie. Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, schätzt die Gefahr einer Invasion Russlands in der Ukraine als hoch ein. Laut Spiegel fürchten NATO-Insider einen russischen Angriff an mehreren Fronten. Es ist schon zu einem massiven Cyberangriff auf die Ukraine gekommen, für den laut Kiew Russland verantwortlich sein soll.

Nach der Krim-Annexion 2014 ist der Westen nervös. Droht eine Wiederholung? Oder ist das bloß putinsches Kalkül, um eine Osterweiterung der NATO zu verhindern? Eines ist sicher: Der Westen braucht die ukrainische Armee. Sollte das russische Militär die Grenze des Nachbarlandes überschreiten, wird die Ukraine von den USA ausgerüstet und mit 500 Millionen Dollar an neuer Hilfe für Sicherheit unterstützt. Großbritannien liefert bereits Panzerabwehrraketen. Es droht Krieg. Und vor diesem Hintergrund schaut der Westen allzu gerne weg, wenn es um ein gravierendes Problem ihres Verbündeten geht: Rechtsextreme in der ukrainischen Armee.

Von Maidan zu „Asow“

Neu ist das Problem nicht: Im Zuge der Euromaidan-Proteste gründete sich 2014 das inzwischen berüchtigte „Asow“-Regiment – ein rechtsextremes Freiwilligenbataillon, das im Ukraine-Konflikt gegen pro-russische Separatisten im Osten des Landes kämpfte. Mit Erfolg: Durch wichtige Siege wie in der östlichen Hafenstadt Mariupol machte das Regiment schnell einen Namen für sich. Inzwischen gehört „Asow“ ganz offiziell der Nationalgarde der Ukraine an und ist dem Innenministerium unterstellt. Hinzu kommt die 2016 gegründete politische Partei „Nationalkorps“ sowie die Bürgerwehr „Nationalmiliz“, als deren Nachfolger „Centuria“ gilt (siehe Belltower.News). Obwohl das „Nationalkorps“ theoretisch den Strafverfolgungsbehörden im Kampf gegen Straßenkriminalität helfen will, haben Mitglieder sich in der Praxis auch Straßenschlachten mit der Polizei geliefert oder Politiker:innen eingeschüchtert (siehe BBC und Reuters).

Vor allem ist „Asow“ stramm rechts: Mitglieder tragen NS-Symbole und SS-Runen, auf Fotos zeigen sie den Hitlergruß. Ihr Abzeichen bestand bis 2015 aus einer „schwarzen Sonne“ und Wolfsangel, danach nur mit Wolfsangel. An ihren Stahlhelmen tragen manche Kämpfer Hakenkreuze und SS-Runen (siehe Tagesspiegel). Kommandeur war der rechtsextreme Politiker Andrij Bilezkyj, der als sogenannter „weißer Führer“ der „Sozial-Nationalen Versammlung – Patriot der Ukraine“ galt – laut Andreas Umland vom „Stockholm Centre for Eastern European Studies“ eine klar faschistische Organisation. Heute ist Bilezkyj Vorsitzender des „Nationalkorps“. „Asow“ pflegt auch gute Verbindungen zu rechtsextremen Gruppen europaweit, ob „Nordic Resistance“, „Der III. Weg“, oder die „Identitäre Bewegung“. Das Bataillon nimmt auch Kämpfer aus dem Ausland auf – auch deutsche Neonazis (siehe Die ZEIT). Dabei dienen Internetforen, Chatgruppen, aber auch die „National Socialist Black Metal“-Szene als Rekrutierungstools (siehe Belltower.News).

Kein Geld für Rechtsextreme

Schon deswegen ist eine Zusammenarbeit mit „Asow“ inzwischen eine rote Linie für manche westlichen Länder – eigentlich. Im Juni 2015 beschloss der US-Kongress, jegliche Hilfen für das „Asow“-Regiment zu unterbinden. 2021 beschloss der US-Kongress erneut ein Budget, in dem ausdrücklich steht, dass „Asow“ keine Waffen, Training oder sonstige Unterstützung erhalten darf. Manche Parlamentarier:innen in den USA fordern, dass „Asow“ als Terrororganisation eingestuft wird – zuletzt etwa die demokratische Kongressabgeordnete und Ex-CIA-Analystin Elissa Slotkin im April 2021.

Wie eng die deutsche Bundeswehr mit „Asow“ zusammenarbeitet oder zusammengearbeitet hat, bleibt unklar. Auf Anfrage von Belltower.News sagt ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, dass man sich grundsätzlich nicht öffentlich zu Streitkräften anderer Nationen sowie zu der bilateralen militärischen Zusammenarbeit mit anderen Staaten äußere – aufgrund der Vertraulichkeit der bilateralen Beziehungen. Der Sprecher ließ auch die Frage unbeantwortet, ob dem Verteidigungsministerium oder der Bundeswehr das Problem mit Rechtsextremen in der ukrainischen Armee überhaupt bekannt sei.

In der Praxis arbeiten NATO-Mitglieder weiterhin mit der ukrainischen Armee zusammen – und damit auch mit Rechtsextremen. Wie groß das Problem tatsächlich ist, wurde allerdings noch nicht ausreichend erforscht. Ein Kenner von rechtsextremen Netzwerken in der Ukraine ist der Investigativjournalist Oleksiy Kuzmenko. Im September 2021 erschien sein Bericht für das renommierte „Institute for European, Russian, and Eurasian Studies“ (IERES) an der George Washington University in den USA. Darin nimmt er eine rechtsextreme Gruppe innerhalb der ukrainischen Armee unter die Lupe und beschreibt ausführlich ihre Verbindungen zum Rest der Szene.

„Die Präsenz von Rechtsextremen im ukrainischen Militär und in den Sicherheitsbehörden bekommt nicht genug Aufmerksamkeit, obwohl sie wahrscheinlich beträchtlich ist“, sagt Kuzmenko gegenüber Belltower.News. Vor allem an der „Hetman Petro Sahaidachny National Army Academy“ (NAA), der renommiertesten Militärschule des Landes, agiert seit 2018 eine rechtsextreme Gruppe mit Verbindungen zu „Asow“ – und versucht, die künftige Militärelite der Ukraine zu rekrutieren. Die NAA bestreitet, dass die Gruppe dort aktiv ist – aller Belege zum Trotz.

Hitlergrüße an der Eliteschule

„Militärorden Centuria“ heißt die Gruppe – nicht zu verwechseln mit dem eingangs erwähnten „Nationalmiliz“-Nachfolger „Centuria“. Zwischen beiden Gruppen gibt es wegen des Namens Streit: Der „Militärorden Centuria“ wirft dem neueren „Centuria“ vor, den Namen gestohlen zu haben. Der „Militärorden Centuria“ ist eine Truppe junger rechtsextremer Soldaten, die sich als „europäische Traditionalisten“ verstehen. Ihr Ziel ist es offenbar, das ukrainische Militär im Sinne ihrer rechtsextremen und ultranationalistischen Ideologie zu beeinflussen. Sie wollen die „kulturelle und ethnische Identität“ der „europäischen Völkern“ verteidigen – gegen Brüssel, gegen Politiker:innen, gegen Bürokrat:innen.

Ein Kadett und mutmaßliches „Centuria“-Mitglied feiert auf Instagram den Abschluss seiner Ausbildung an der NAA (Quelle: Screenshot)

Schon das Logo der Gruppe lässt wenig Zweifel über ihre ideologische Ausrichtung: eine Wolfsangel und ein Sonnenkreuz – Symbole, die unter Rechtsextremen beliebt sind. In anderen Versionen ihres Logos ist statt Sonnenkreuz ein Fadenkreuz zu sehen. Einige Mitglieder der Gruppe sind offenbar Neonazis: Sie posieren in den sozialen Medien mit „schwarzen Sonnen“ und Wolfsangeln. In mehreren Fotos, die auf VK hochgeladen und inzwischen gelöscht wurden, die aber Belltower.News vorliegen, zeigen sie den Hitlergruß. In Kommentaren äußern sie sich antisemitisch und werfen Juden vor, die Menschheit zerstören zu wollen (siehe The Jerusalem Post).

Zwischen dem „Militärorden Centuria“ und „Asow“ gibt es etliche Verbindungen. So habe laut Kuzmenko Mitglieder Werbung für „Asow“ unter NAA-Kadetten gemacht. Der „Militärorden Centuria“ behauptet zudem, Vorträge für „Asow“ gehalten zu haben. „Centuria“ habe auch an Kundgebungen mit „Asow“ teilgenommen, heißt es weiter im IERES-Bericht von Kuzmenko. Facebook-Fotos zeigen Führungsfiguren vom „Militärorden Centuria“ Arm in Arm mit dem „Asow“-Kommandeur Andrij Bilezkyj oder dem „Asow“-Sprecher Yuriy Mykhalchyshyn. Eines der führenden Mitglieder vom „Militärorden Centuria“, Danylo Tikhomirov, ist in einem weiteren Facebook-Foto mit einem „Asow“-T-Shirt zu sehen. Auch in „Asow“-Medien wie deren YouTube-Kanal oder der „Asow“-nahen Zeitschrift Nationale Sicherheit (Natsionalʹna Oborona) kommen führende Figuren der Gruppe zu Wort.

Besuch aus dem Ausland

Dass der „Militärorden Centuria“ enge Verbindungen zu „Asow“ hat und offensichtlich rechtsextrem ist, scheint allerdings kein Problem für den Westen darzustellen. An der NAA profitieren „Militärorden Centuria“-Mitglieder von westlicher Expertise und Geldern. Denn Ziel der NAA sei laut ihrer Strategie 2020-2025, sich in die NATO zu integrieren. Die Akademie wird von hochrangigen Offizieren, Politiker:innen, Berater:innen und Ausbilder:innen aus anderen Ländern besucht – wie Dänemark, Kanada, den USA und Deutschland. In den ersten elf Monaten von 2019 alleine besuchten 63 ausländische Delegationen die NAA, NAA-Soldaten wiederum besuchten ihre Partner im Ausland 37 Mal.

Erst im April 2021 behauptete der „Militärorder Centuria“, dass seine Mitglieder an gemeinsamen Militärübungen mit Frankreich, Großbritannien, Kanada, den USA, Polen und Deutschland teilgenommen haben. Einige „Militärorden Centuria“-Mitglieder wurden auch im Ausland von westlichen Armeen ausgebildet. So besuchte der NAA-Kadett und mutmaßliches „Centuria“-Mitglied Kyrylo Dubrovskyi 2020 einen 11-monatigen Ausbildungskurs an der elitären Sandhurst Academy in Großbritannien. Währenddessen soll Dubrovskyi weiterhin Kontakte zum „Militärorden Centuria“ gepflegt haben. Vladyslav Vintergoller, ebenfalls NAA-Kadett und mutmaßliches „Centuria“-Mitglied, nahm im April 2019 an der „30. Internationalen Woche der Offizierschule des Heeres“ in Dresden teil.

Auch dazu wollte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministerium Belltower.News keine Auskunft geben. Auf der Webseite des Fördervereins der Offizierschule des Heeres in Dresden heißt es, die „Internationale Woche“ diene dazu, Fachwissen über die verschiedenen, internationalen Ausbildungsgänge zum Offizier auszutauschen, sich Wissen im Bereich der unterschiedlichen Kulturen, Arbeitsweisen und Strukturen anzueignen sowie allen Teilnehmern ein einprägsames und reales Bild des deutschen Heeres zu vermitteln. Auch „Verbindungen dienstlicher und außerdienstlicher Art zwischen Angehörigen verbündeter Streitkräfte“ werden geknüpft, aufrechterhalten und vertieft, heißt es weiter. „Sie umfassen insbesondere den Austausch von Angehörigen der Streitkräfte, Partnerschaften sowie militärische und sportliche Wettkämpfe“.

Ist es nicht aufgefallen, dass Vintergoller offenbar in einer rechtsextremen Gruppe aktiv ist, die Neonazi-Symbole verwendet? Pflegt er bis heute Kontakte in die deutsche Bundeswehr? Gar zu Gleichgesinnten? Über diese Fragen gibt es noch keine Antworten. In der Zwischenzeit macht Vintergoller Karriere in der Armee: Seit seinem Abschluss an der NAA ist er inzwischen offenbar bei der 55. Artillerie-Brigade der ukrainischen Streitkräfte, wie Fotos von ihm in den sozialen Medien nahelegen.

Vintergroller ist kein Einzelfall: Auch andere Mitglieder des „Militärorden Centuria“ haben ihre Ausbildung an der NAA mittlerweile abgeschlossen. Die Gruppe behauptet, dass einige von ihnen nun als Offiziere in der ukrainischen Armee dienen – eine Behauptung, die Kuzmenko in seinem IERES-Bericht für glaubwürdig hält. Ein Foto auf Instagram zeigt ein mutmaßliches Mitglied mit einem Aufnäher der 128. Gebirgsjäger-Brigade. Auch innerhalb der ukrainischen Streitkräfte mobilisiert der „Militärorden Centuria“ seine Anhänger und Unterstützer. Die Gruppe ruft Soldaten, die ihre Ideologie teilen, dazu auf, zu Einheiten zu wechseln, in denen Mitglieder bereits dienen. Auf Telegram hat die Gruppe zu diesem Zweck einen Bot programmiert, der Soldaten vermitteln soll – samt Umfrage zu ihrer Erfahrung und Motivation.

Falsche Freunde

Diese Entwicklung ist für Kuzmenko alarmierend: „Wenn die extreme Rechte unbehelligt an der NAA agieren kann, ist es nicht abwegig anzunehmen, dass sie in militärischen und sicherheitspolitischen Institutionen, in denen man nicht das gleiche Maß an Kontrolle erwartet und die weniger sichtbar sind, noch mehr Freiheit genießen“. Dass Rechtsextreme an der NAA aktiv seien, sei ein Beispiel dafür, dass sowohl die ukrainische Regierung als auch die westlichen Partner der Ukraine solche Aktivitäten insgesamt tolerieren, so Kuzmenko weiter. Auf Anfrage von Kuzmenko sagte das ukrainische Verteidigungsministerium, dass es angehende Soldaten und Militärkadetten nicht auf extremistische Ansichten oder Verbindungen überprüft. Westliche Länder wie die USA, Kanada, Großbritannien und Deutschland räumten ein, dass sie die von ihnen ausgebildeten ukrainischen Soldaten auch nicht überprüfen – das sei die Verantwortung der Ukraine.

Das Problem mit Rechtsextremismus in der ukrainischen Armee ist real und gefährlich. Gleichzeitig versucht Russland das Problem noch weiter aufzubauschen, um so die Euromaidan-Proteste und den Kampf gegen prorussische Separatisten pauschal als rechtsextrem und neonazistisch zu delegitimieren. Obwohl es durchaus Neonazis auf der anderen Seite des Konflikts gibt – wie die paramilitärische „Russische Reichsbewegung“ (auch als „Russische Imperialbewegung“ übersetzt). Auch sie rekrutiert Neonazis, auch sie hat Verbindungen zu europäischen Rechtsextremen – wie die „Nordische Widerstandsbewegung“, die „Jungen Nationalisten“ und „Die Rechte“.

Gleichzeitig weisen einige Beobachter:innen der Ukraine auf die Wahlschlappen von rechtsextremen Parteien in der Ukraine seit 2014 hin. Der „Asow“-Kommandeur und „Nationalkorps“-Chef Andrij Bilezkyj sitzt seit 2019 nicht mehr in der Werchowna Rada, dem ukrainischen Parlament. Seine Partei „Nationalkorps“ gewann 2019 auf einer gemeinsamen Liste mit anderen rechtsextremen Parteien nur 2,15 Prozent der Stimmen und damit kein einziges Mandat. Wird die Gefahr von rechts übertrieben?

Helden der Ukraine

Für den Investigativjournalist Oleksiy Kuzmenko gibt es keinen Grund zur Entwarnung, denn viele rechte bis rechtsextreme Ideen seien inzwischen Teil des politischen Mainstreams im Land geworden. „Die ukrainische Regierung verherrlicht ukrainische Nationalisten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, die zeitweise mit den Nazis kollaborierten, am Holocaust beteiligt waren und einen mörderischen Antisemitismus als Teil ihrer Ideologie vertraten“, sagt er. „In der ukrainischen Zivilgesellschaft ist die Verehrung für solche Persönlichkeiten weit verbreitet“.

Jährliche Aufmärsche in Kiew gedenken zum Beispiel dem NS-Kollaborateur und Kriegsverbrecher Stepan Bandera oder der SS Galicia, einer Division der Waffen-SS. Einen Gedenkmarsch für Bandera im Jahr 2020 kritisierten Israel und Polen scharf (siehe Jewish Telegraphic Agency). Auch das staatliche Ukrainische Institut für Nationales Gedenken erinnert in einer „virtuellen Nekropolis“ an Bandera sowie andere ukrainische Nationalisten, die für die Ermordung von Juden:Jüdinnen im russischen Bürgerkrieg 1917-1923 und während der Shoah verantwortlich sein sollen (siehe Jerusalem Post). 2018 kritisierten mehr als 50 Kongressabgeordnete in den USA in einem offenen Brief, dass in der Ukraine Nazi-Kollaborateure verherrlicht werden – oft auch auf staatlicher Ebene durch Gesetze und Zeremonien (siehe Times of Israel).

Ein weiteres prominentes Beispiel ist Roman Schuchewytsch, Hauptmann des Bataillon Nachtigall – ein Freiwilligenverband im Zweiten Weltkrieg, der von der deutschen Wehrmacht für den Krieg gegen die Sowjetunion aufgestellt wurde. Mitglieder des Bataillons waren an den Pogromen gegen Juden:Jüdinnen in Lwiw im Juli 1941 beteiligt. Danach war Schuchewytsch Führer der Ukrainischen Aufstandsarmee (UPA).

John-Paul Himka hat sich intensiv mit Schuchewytsch befasst. Der Historiker ist Professor Emeritus für Geschichte an der Universität Alberta in Kanada und hat ein Buch über Schuchewytschs militärische Karriere während des Holocausts geschrieben. „Die UPA leitete eine ethnische Säuberungskampagne gegen die polnische Bevölkerung der Westukraine ein, sie jagte und tötete auch Tausende von Juden, die sich in den Wäldern Wolhyniens versteckt hielten“, sagt Himka Belltower.News. „Die UPA erließ einen Befehl zur Tötung aller Juden und aller Ukrainer, die Juden oder Polen versteckten“. Und dennoch wurde Schuchewytsch 2007 vom damaligen Präsidenten Wiktor Juschtschenko posthum der Orden „Held der Ukraine“ verliehen. Die ukrainische Post verewigte ihn auf einer Briefmarke. Der Orden wurde zwar von dem nächsten Präsidenten Wiktor Janukowytsch annulliert. Doch Schuchewytsch wird im Land weiterhin verehrt: 2019 wurde ein Denkmal für ihn in der westukrainischen Stadt Ivano-Frankivsk errichtet.

Dass NS-Kollaborateure und Antisemiten bis heute noch verehrt werden, ist Symptom eines größeren Problems. Auch die ukrainische Zivilgesellschaft, die laut Kuzmenko ohnehin militant nationalistisch sei, rücke nach rechts. Das führe dazu, dass die Regierung und andere demokratische Parteien die extreme Rechte als politische Partner akzeptierten. So haben sich der aktuelle Präsident Wolodymyr Selenskyj und der damalige Premierminister Oleksiy Honcharuk mit bekannten rechtsextremen Figuren von „Asow“ oder der neonazistischen Gruppe „C14“ getroffen, die sich innerhalb der „Veteranenbewegung der Ukraine“ für Ex-Soldaten einsetzen (siehe Bellingcat).

Angesichts der Zuspitzung der Lage an der ukrainisch-russischen Grenze hat das Problem nun eine neue Brisanz. Kuzmenko zieht eine nüchterne Bilanz: „Dass antidemokratische, rechtsextreme Kräfte von der westlichen Ausbildung der ukrainischen Militär- und Sicherheitskräfte profitieren, scheinen einige im Westen zu rationalisieren oder zu rechtfertigen“, resümiert er. „Wenn der Zweck der Versorgung der Ukraine mit militärischer Ausbildung und Waffen darin besteht, die Demokratie in diesem Land zu schützen, dann sollten der Westen und die ukrainische Regierung sicherstellen, dass Feinde der Demokratie keinen Zugang haben“.

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