Von Robert Andreasch
Der idyllische Friedhof hinter der Dorfkirche St. Korona liegt fünf Kilometer ausserhalb von Passau. Hier versammelten sich am Samstag früh etwa 80 führende Kader der deutschen Neonaziszene. Der Anlass: Eine im NS-Sprachjargon als „Totenleite? bezeichnete Beerdigungsfeier für den in der Nacht zum 23. Juli 2008 im Passauer Klinikum verstorbenen Friedhelm Busse (79), langjähriger Neonaziaktivist und ehemaliger Vorsitzender der verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP).
Beerdigung als Treffen von Neonazikadern und NPD
Die Sonne dringt nur langsam durch den Bodennebel über dem abschüssigen Friedhofsgelände, als am offenen Grab der Bundesvorsitzende der NPD, Udo Voigt, die „Kameraden? aufmuntert: „Junge Menschen sind da, welche das fortsetzen, woran er geglaubt hat?. Dann schickt Voigt dem ehemaligen SS-Panzerjäger Friedhelm Busse hinterher:?Friedhelm, der Kampf für Deutschland geht weiter!?
Die Mobilisierungszeit für die Beerdigung war kurz, trotzdem sind Neonazis aus dem ganzen Bundesgebiet angereist: Aus Norddeutschland kamen Christian Worch und Thomas Wulff; Aus Süddeutschland reisten unter anderen Norman Bordin (Bayern) und René Rodriguez-Teufer (Rheinland-Pfalz) an.
Am Grab versammeln sich Neonazi-Aktivisten der Ü-40-Generation, die schon seit knapp zwei Jahrzehnten in der Szene dabei sind, wie die ehemalige Wiking-Jugend-Aktivistin Edda Schmidt und „SS-Siggi? Siegfried Borchard aus Dortmund. Aber auch jüngere Neonazis sind dabei, wie beispielsweise Daniale Wegener von der neonazistischen Hilfsgemeinschaft für Nationale Gefangene (HNG).
Hakenkreuzfahne auf dem Sarg
Prominent vertreten ist die NPD: Neben dem Vorsitzenden Udo Voigt sind auch der bayerische JN-Landesvorsitzende Matthias Fischer
angereist sowie der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende Sascha Roßmüller und der unterfränkische NPD-Bezirksvorsitzende Uwe Meenen. Daneben hat sich auch der frühere ?Deutsche Partei?-Bundesvorsitzende Ulrich Pätzold am Grab angefunden, das mit JN- und NPD-Fahnen geschmückt ist. Kein Wunder: Schließlich hatte Friedhelm Busse nach dem Verbot der FAP 1995 durch das Bundesinnenministerium höchstpersönlich über die Übernahme der FAP-Kader in die NPD verhandelt.
Thomas Wulff, ehemaliges Mitglied im NPD-Bundesvorstand, schmückt den Sarg von Friedhelm Busse schließlich mit einer roten Version der Reichskriegsflagge, in deren Mitte sich unübersehbar ein Hakenkreuz befindet. Als Moderator lässt Wulff die Versammelten dann das Soldatenlied „Ich hatt einen Kameraden? und das Staffellied der SS „Wenn alle untreu werden? anstimmen.
Angriff auf Journalisten und Polizisten
Zum Ende der Veranstaltung formieren sich die rund 80 Neonazis noch auf dem Friedhofsgelände zu einem Aufmarsch in Zweier- und Dreierreihen. Mehrere angereiste und bayerische Neonaziaktivisten versuchen dann zunächst, mich an der Dokumentation dieses Aufmarsches zu hindern. In diesem Moment belassen sie noch „nur“ beim körperlichen Bedrängen und Beschimpfen.
Wenig später lassen die Rechtsextremisten die Maske fallen. An den Kirchenmauern von Sant Korona schneiden Neonazis mir den Weg ab, was in einer Art der besonderen Arbeitsteilung auch bekannte NPD-Funktionäre übernehmen. Mindestens dreissig der achtzig Aufmarschteilnehmer schlagen und treten dann auf mich ein. Zivilbeamte der Polizei sehen den Angriff sofort, können aber im ersten Moment nicht eingreifen und werden dann selber von den Neonazis angegriffen.
Dreißig schlagen zu, elf werden verhaftet
Mehrere Beerdigungsteilnehmer zerren derweil an meiner Kamera. Als ich am Boden liege, springt ein Neonazi auf den
Fotoapparat. Erst als die Polizei Pfefferspray einsetzt, um die Neonazis auf Distanz zu bringen, kann ich mich gemeinsam mit einem Beamten aus der gefährlichen Situation entfernen. Die massiven Schläge und Tritte haben mich erheblich verletzt, meine Kleidung ist zerrissen.
Trotz eilig herbeigerufener Verstärkung ist die Polizei äußerst schwach besetzt und kann nur elf Neonazis verhaften, gegen die nun wegen Raub, Körperverletzung und Landfriedensbruch ermittelt wird. War vorher noch von einer Gedenkveranstaltung in Fürstenzell die Rede, planten die 60 verbliebenen Neonazis um: Gegen 12.30 zogen sie in einem wütenden Spontan-Aufmarsch durch die Innenstadt des von vielen Touristen besuchten Passau.
NS-Parolen in der Passauer Innenstadt
Die Polizei kann nicht verhindern, dass auch von diesem Aufmarsch Gewalttätigkeiten gegen Passanten ausgehen. „Wir hätten sonst eine Straßenschlacht? begründeten Bereitschaftspolizisten ihr Nichteingreifen. Stattdessen werden vier junge Antifaschisten in Gewahrsam genommen. Derweil skandieren die Neonazis strafbewehrte NS-Parolen wie „Deutschland erwache!? und einmal gar „Deutsche macht euch frei, von der Juden-Tyrannei!?. Zum Schluß treten Udo Voigt und der aus dem kurzfristigen Polizeigewahrsahm wieder entlassene Thomas Wulff noch einmal als Redner auf: „Gegen Polizeiwillkür?.
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