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„Mitte Studie“ Weniger Rechtsextremismus, mehr Graubereich

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(Quelle: Pixabay)

Am 22. Juni 2021 hat die Friedrich-Ebert-Stiftung ihre neueste „Mitte Studie“ veröffentlicht. Diesmal unter dem Titel „Die geforderte Mitte“. Einerseits sieht sich die beschworene Mitte der Gesellschaft selbst gefordert. Zum Beispiel von Sorgen, die mit der Pandemie einhergehen, vom Rechtspopulismus und dem Rechtsruck, sozialer Spaltung und Konflikten. Die Studie zeigt, dass die Mitte Bedrohungen wahrnimmt, deswegen ist sie andererseits selbst gefordert, diese dann auch ernst zu nehmen und Fakten von Populismus und Verschwörungserzählungen zu unterscheiden. Sie ist auch gefordert, Menschen zu schützen, die herabgewürdigt werden und vor allem muss sie sich sichtbarer positionieren und die Zivilgesellschaft stärken.

Fast 70 Prozent der Befragten sehen Rechtsextremismus als größte Bedrohung für Deutschland. Laut Studienmitautorin Beate Küppers liegt das auch an der gestiegenen Berichterstattung und Aufmerksamkeit zu Übergriffen und rechtsextremen Akteuren: „Wir sehen, dass die Mitte erschrocken und aufgewacht ist.“ Fast gleich groß wird die Bedrohung durch den Klimawandel eingeschätzt. Mittlerweile glaubt ein Großteil der Befragten an den menschengemachten Klimawandel. Auch hier dürfte eine gesteigerte Öffentlichkeit und sichtbare Demonstrationen ihren Teil beigetragen haben.

Einiges an der neuen Studie deutet auf eine positive Entwicklung hin. So sehen sich etwa 73 Prozent der Befragten als überzeugte Demokrat:innen. 88 Prozent glauben dass Würde und Gleichheit an erste Stelle in einer Demokratie stehen sollten. Fast 70 wollen, dass „wir uns stärker für eine vielfältige und offene Gesellschaft einsetzen“. Und trotz Desinformationskampagnen und Verschwörungserzählungen vertrauen 86 Prozent der Befragten „darauf, dass die Wahlen in Deutschland alles in allem korrekt durchgeführt werden.“ Grundsätzlich gehen rechtsextreme Einstellungen zurück. Nur noch 8,6 Prozent der Befragten teilen klar rechtsextreme Positionen. Das hat, wie die Autor:innen betonen, auch mit der Umfrageform zu tun, die Interviews wurden telefonisch geführt, bei Online-Umfrage etwa, könnten diese Zahlen etwas anders aussehen. Trotzdem ist dieser Rückgang bemerkenswert, bei der „Mitte Studie“ 2018/19 waren es noch 12,1 Prozent, bei der 2016 sogar noch 12,9, klar rechtsextreme Positionen vertraten. Das ist ein positiver Trend. Und trotzdem gibt es keinen Grund zur Entwarnung. Denn die Studie zeigt eine wachsende Grauzone. Immer mehr Befragte äußern sich mit „teils teils“. Das heißt sie stimmen rechtsextremen, antisemitischen oder rassistischen Einstellungen zwar nicht zu, lehnen sie aber auch nicht vollständig ab.

Das zeigt sich deutlich beim Thema Antisemitismus. Ablehnung und Hass gegenüber Juden und Jüdinnen wird über den Umweg Israel kommuniziert. Die Aussage „Was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip auch nichts anderes als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben“ lehnen 54 Prozent der Befragten ab. 26,7 Prozent antworten „teils teils“, mehr als 18 Prozent stimmen zu. Ähnliches kann man auch bei den Zahlen bezüglich den Einstellungen zur Demokratie beobachte. Zum Beispiel halten 21 Prozent der Befragten „es für sinnlos“, sich politisch zu engagieren. 42 Prozent antworteten hier mit „teils teils“. 16 Prozent glauben, „Die regierenden Parteien betrügen das Volk“, hier stimmen 20 Prozent „teils teils“ zu. 23 Prozent der Befragten stimmen zu, wenn es heißt “Im nationalen Interesse können wir nicht allen die gleichen Rechte gewähren“. 26 Prozent antworteten hier mit „teils teils“. Zusammengerechnet sind es also fast die Hälfte der Befragten. Beunruhigende Zahlen.

Gestiegen ist auch die Zustimmung beim Sozialdarwinismus. Hier wird etwa die Einstellung zu „wertvollem“ oder „unwertem Leben“ abgefragt. Während sich 2018/19 noch 2,4 Prozent so äußerten, sind es 2020/21 2,9 Prozent. Die Forscher:innen haben sich auch mit Populismus und Rechtspopulismus befasst und kommen zu interessanten Ergebnisse, was die AfD angeht. So zeigt sich einerseits, dass rechtsextreme Einstellungen in Kreisen mit wenigen Ausländer:innen weiter verbreitet sind, gleichzeitig sind das auch die Kreise, in denen die rechtsradikale Partei gute Wahlergebnisse erzielt. Diese Wahlergebnisse haben laut der Forscher:innen sogar einen höheren Einfluss auf rechtsextreme Einstellungen.

Auch der Glaube an Verschwörungserzählungen zeigt sich in zum Teil drastischen Zahlen. Und auch hier existiert ein großer Graubereich. So lehnt etwa die große Mehrheit die „Querdenken“-Demos ab (73 Prozent), genauso glauben nur weniger als zehn Prozent der Befragten an „geheime Mächte“, die für die Pandemie verantwortlich sind. Fast genauso groß ist aber der Anteil der Befragten, die mit „teils teils“ antworten. Zusammengenommen sind diese Zahlen ebenfalls beunruhigend.

Sichtbar wird das auch beim Rassismus gegen Schwarze Menschen, der in diesem Jahr zum ersten mal explizit Eingang in die Studie gefunden hat. Immerhin die Mehrheit (58 Prozent) lehnt folgende Aussage ab: „Schwarze Menschen sind zu empfindlich, wenn von Rassismus in Deutschland die Rede ist.“ 16 Prozent der Befragten stimmen allerdings zu und 26 Prozent antworten mit „teils teils“.

Es gibt also eine immer größer werdende Gruppe von Menschen, die antisemitische, rassistische oder verschwörungsideologische Positionen nicht komplett teilt, sie aber auch nicht ablehnt. Die Autor:innen der Studie plädieren deswegen für eine bessere politische Bildung. Politische Bildung, die als „Daueraufgabe, nicht als Feuerwehr“ funktioniert. Eine Bildung, die alle erreicht und die nicht in der Schule aufhört. Denn nur diese Form von politischer Bildung wirkt nachhaltig. Denn je mehr Menschen unentschieden sind, desto mehr Menschen sind für antidemokratische Erzählungen ansprechbar.

Alle Informationen zur Studie Die geforderte Mitte inklusive einem Dowloadlink finden Sie hier.

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