Zusammengestellt von Simone Rafael
AfD und Antisemitismus, I: Die AfD Baden-Württemberg, der Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon und der Antisemitismus
Rechtspopulist_innen konzentrieren sich aktuell gern auf die Islamfeindlichkeit und stellen sich dann gleich gern als Freund_innen von Juden und Israelis dar. Doch dies ist oft sehr das taktischer Natur, wie die Diskussion um den AfD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon zeigt.
Der hatte in einem bereits 2012 erschienene Buch, „Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten“, unter anderem die Schoa als »gewisse Schandtaten« bagatellisiert und Neonazis wie Horst Mahler, Ernst Zündel und David Irving als »Dissidenten« bezeichnet. Außerdem nennt er den Holocaust eine „Zivilreligion des Westens“ und lobt das antisemitische Pamphlet „Die Protokolle der Weisen von Zion“ – nicht ohne zu bezweifeln, dass es sich um eine Fälschung handelt. Der AfD-Fraktionsvorsitzende im Stuttgarter Landtag und Bundesvorsitzende der Partei, Jörg Meuthen, sagte daraufhin, der Vorfall werde „sorgfältig geprüft“. „Beim Antisemitismus verfolgen wir eine Null-Toleranz-Politik.“ Politische Experten und Wissenschaftler konnten hier bereits klar belegen: Hier wird Antisemitismus mit verschwörungstheoretischen Zügen verbreitet. (vgl. JA, SWR, StZ) In der AfD war Gedeons Einstellung, anders als es in den ersten Reaktionen erschien, mitnichten unbekannt. Jörg Meuthen korrespondierte mit Gedeon laut FAZ schon seit 2013 zum Thema, seine Bücher hätten auch bei AfD-Landesparteitagen ausgelegen. Die FAZ fasst auch den Inhalt der Bücher zusammen, die etwa das Judentum als „inneren“ und den Islam als „äußeren“ Feind des „christlichen Abendlandes“ beschreiben. Der Fraktionsvorstand der AfD B-W beschließt, den Ausschluss ihres Mitglieds Wolfgang Gedeon aus der baden-württembergischen Landtagsfraktion wegen dessen antisemitischer Äußerunge zu beantragen. Über den Ausschluss entscheidet die Fraktion, eine Zweidrittelmehrheit wäre nötig. Jörg Meuthen nennt dies eine „Nagelprobe“, bekräftigt seine Meinung, Antisemitismus in der AfD nicht zu dulden. Gedeon will sein Landtagsmandat nicht aufgeben. Er wäre nach Ausschluss aus der AfD ein fraktionsloser Parlamentarier (Welt, 06.06.2016). Eine Mehrheit der Fraktion stimmt für den Antrag (07.07.2016, ZEIT). Parteichef Meuthen sprach von einer „eingehenden und lebhaften Diskussion“ in der Fraktion. Es habe unterschiedliche Auffassungen zu den Vorwürfen gegeben. Nicht alle Abgeordneten seien der Auffassung, dass Gedeon antisemitische Positionen vertritt. Er sei davon aber überzeugt, sagte Meuthen. Er zeigte sich zuversichtlich, dass es in zwei Wochen, nach einer weiteren Prüfung der Publikationen Gedeons, ein Votum für einen Ausschluss geben werde (StN, 07.06.2016) Bei einer turbulenten Landtagsdebatte sagt Gedeon: „Ich bin kein Antisemit.“ Er leugne auch nicht den Holocaust, dieser sei „ein geschichtliches Faktum und ein entsetzliches Verbrechen.“ Auch halte er „mit Nachdruck am Existenzrecht Israels fest“. Man dürfe den Begriff Antisemitismus nicht inflationär verwenden. Gleichzeitig warnte Gedeon vor Antisemitismus, der durch muslimische Flüchtlinge ins Land komme (StN 09.07.2016). Für Empörung sorgte der Ausruf des AfD-Mannes Udo Stein in der Debatte: «Das [die angebliche Vorverurteilung von Gedeon] ist schlimmer als in der Nazizeit.» (gea.de). AfD-Chef Jörg Meuthen droht seiner Stuttgarter Fraktion mit Rücktritt im Fall Gedeon, also falls dieser nicht ausgeschlossen wird (10.06.2016, Tagesspiegel, FAZ). Ist das denn Antisemitismus? Experte Armin Pfahl-Traughber analysiert das auf Blick nach Rechts (14.06.2016) Die AfD-Bundesspitze ist uneins über den möglichen Parteiausschluss. Parteichefin Frauke Petry kritisierte ihren Ko-Vorsitzenden Jörg Meuthen scharf: Er habe „die Causa Gedeon von der Sachebene auf die persönliche Ebene verlagert“. Allein daraus habe „sich die gespaltene Meinung innerhalb der Fraktion“ ergeben, schrieb Petry am Sonntag in einer Erklärung an alle Parteimitglieder. (RP, 19.06.2016) Sie wünsche sich „geordnete und seriöse Formen der Aufklärung“ vor der Entscheidung. Meuthen warf Petry daraufhin ein „bizarres Hineinregieren“ in die Landtagsfraktion vor. „Frauke Petry behauptet, es gäbe einen Beschluss der baden-württembergischen AfD-Landtagsfraktion, man solle im Fall Gedeon zunächst ein wissenschaftliches Gutachten einholen. Diese Behauptung von Frauke Petry ist wahrheitswidrig“, sagte Meuthen der „Welt“. Ein Vorgehen mit einem Gutachten sei lediglich vorgeschlagen, nicht aber beschlossen worden (Focus, 19.06.2016). Kein Ausschluss: Wolfgang Gedeon lässt seine Mitgliedschaft in der baden-württembergischen Landtagsfraktion zunächst ruhen. Er wolle eine Spaltung der Partei abwenden (FAZ, 21.06.2016) Gedeon soll einen anderen Platz im Plenum einnehmen, nicht mehr an Fraktionssitzungen der AfD teilnehmen und nicht in Ausschüsse entsandt werden, so AfD-Fraktionschef Meuthen. Ein Gutachten soll die Schrift Gedeons bis September prüfen. Acht von 23 Mitgliedern der Fraktion hatten ggen Gedeoans Ausschluss gestimmt (Sueddeutsche). Damit vertut die AfD die Chance, diese letzte Grenze zum Rechtsextremismus zieht; dass Antisemitismus in der AfD ein No-Go ist – in der Partei also, in der völkisch-nationalistisches, rassistisches und neurechtes Denken längst ihren Platz haben. (taz) Im AfD-Umfeld, so zu lesen etwa in einem Artikel auf Freiwelt.net aus dem Beatrix-von-Storch-Medien-Netzwerk, entsteht derweil eine eigene Erzählung zu Gedeons Antisemitismus: Er sei ja früher Maoist gewesen und nur deshalb Antisemit. Und damit als Ex-Maoist und Antisemit untragbar.
AfD und Antisemitismus, 2: Amtsgericht sieht keinen antisemitischen Bezug bei Facebook-Post von Jan-Ulrich Weiß
Der umstrittene AfD-Politiker Jan-Ulrich Weiß hat sich durch die Verbreitung einer Karikatur über den Investmentbanker Rothschild nicht der Volksverhetzung schuldig gemacht: Das Amtsgericht Prenzlau sprach ihn frei. Jetzt erwartet Weiß eine Entschuldigung von AfD-Landeschef Gauland, der ihn aus der Partei ausschließen wollte. Der umstrittene uckermärkische AfD-Kreisvorsitzende Jan-Ulrich Weiß ist vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen worden. Die von ihm auf Facebook verbreitete Karikatur des Investmentbankers Jacob Rothschild habe keinen antisemitischen Bezug, urteilte das Amtsgericht Prenzlau am Mittwoch. Die von Weiß im September 2014 verbreitete Collage, die unter anderem den Atomkraftwerksbesitzer Mr. Burns aus der Zeichentrick-Serie „Die Simpsons“ zeigt, wurde durch einen Text ergänzt, der mit dem Satz „Hallo, mein Name ist Jacob Rothschild“ beginnt. Danach folgen unter anderem Unterstellungen, die Familie Rothschild finanziere Kriege und steuere weltweit Regierungen und Zentralbanken. Die Zeichentrickfigur Mr. Burns ist in der Serie der Arbeitgeber von Homer Simpson und verkörpert dort den Prototyp des gierigen und reichen Kapitalisten (rbb, Spiegel Online, Huffington Post).
Mehr AfD-Antisemitismus-Skandale listet Endstation rechts auf. Netz gegen Nazis schrieb auch schon einmal dazu.
Antisemitismus in Österreich: Massiver Anstieg der Vorfälle
2015 wurden laut Forum gegen Antisemitismus 465 judenfeindliche Vorfälle gemeldet – um 82% mehr als im Vorjahr. Über die Motivlagen könne man zwar nur in 30% der Fälle Auskunft geben, darunter seien aber islamistische oder türkisch-nationalistische Motive in der Überzahl, berichtet heute.at.
Wie Rechte im Netz mit Geheimcodes gegen Juden hetzen: Mit ((( Klammern )))
Beim Kurznachrichtendienst Twitter setzen sie typisch jüdische Nachnamen wie Fleischmann oder Weisman in drei Klammern, um damit ihre Herkunft hervorzuheben. Der Code geht laut US-Medien zurück auf das antisemitische Blog „Right Stuff“, das judenfeindliche Stereotype bedient. „Alle jüdischen Nachnamen haben über die Geschichte hinweg ein Echo“, heißt es auf der Seite. Diese würden dem Nicht-Juden immer wieder aufs Neue flehentlich die Sünde des Holocausts vorwerfen. Das ist der antisemitische Gedanke hinter den Zeichen: Sie sollen dieses wiederhallende (((Echo))) symbolisieren. Das Nachrichten-Portal mic.com zitiert aus einer E-Mail eines der Autoren von „Right Stuff“, in der er die Symbolik erklärt. Jede Klammer habe demnach eine besondere Bedeutung: Sie stehen für die im Weltbild der Neonazis von Juden verursachte Zerstörung der Familie durch die Massenmedien, den angeblichen Verfall der Nation durch Massenzuwanderung und für den internationalen Zionismus. Die zu anti-semitischen Zwecken verwendeten Zeichen werden massenhaft auch auf rechtsextremen Internetseiten benutzt. Die Anfeindungen richten sich vor allem gegen Personen des öffentlichen Lebens und Journalisten. Aus Protest an den antisemitischen Anfeindungen setzen mittlerweile zahlreiche Twitter-Nutzer ihre eigenen Namen in drei Klammern (WAZ, Sueddeutsche.de)
Donald Trumps antisemitischer Internetmob
Jüdische Journalisten erhalten Morddrohungen und werden übel verhöhnt. Der republikanische Präsidentschaftskandidat tut so, als wäre nichts. Es begann Ende April mit Julia Ioffe. Die Journalistin, deren jüdische Familie vor 26 Jahren aus der zerfallenden Sowjetunion in die USA ausgewandert war, hatte für das Magazin „GQ“ ein Profil von Melania Trump verfasst, der Gattin des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Darin hatte sie einige Umstände aus der Lebensgeschichte des einstigen slowenischen Mannequins zutage gebracht, die Trump lieber verschwiegen sehen wollte – unter anderem den Umstand, dass Melania Trumps Vater in den Sechzigerjahren seine frühere Freundin zur Abtreibung ihres Sohnes zu nötigen versuchte. Donald Trumps Gattin hat also einen Halbbruder, den sie bisher zu ignorieren vermochte. Für Trumps rechtsradikale Anhänger war die Jagdsaison eröffnet. Ioffe erhielt Morddrohungen, anonyme Anrufer spielten ihr Hitler-Reden vor, und auf Twitter kursierten Fotomontagen von ihrem Gesicht auf dem Leib einer KZ-Insassin. Der „Daily Stormer“, eine Website amerikanischer Rassisten, schrieb: „Kaiserin Melania von dreckiger Saujüdin Julia Ioffe in ,GQ‘ attackiert!“ Schnell häuften sich die Fälle. Jeffrey Goldberg, der renommierte Redakteur des Magazins „The Atlantic“, sah auf Twitter ebenso ein Sperrfeuer antisemitischer Hetze auf sich einprasseln wie Jonathan Weisman, der stellvertretende Leiter des Washingtoner Büros der „New York Times“. – Trump tut in dieser Angelegenheit das, was er stets tut, wenn seine eigenen Anfeindungen und Verhöhnungen von Minderheiten vom extremistischen Rand seiner Anhängerschaft ins Bedrohliche verstärkt wird: Er stellt sich unwissend. „Ach, davon weiß ich nichts. Sie meine Fans von mir? Ich habe keine Botschaft für meine Fans“, entgegnete er im CNN-Interview mit Wolf Blitzer (auch er ist Jude, auch er war antisemitisch attackiert worden) (Die Presse).
Google löscht antisemitische Browser-Extension
Neonazis haben lange Zeit die Chrome-Erweiterung http://chrome.com „Coincidence Detector“ missbraucht, um jüdische Nutzer im Internet gezielt zu attackieren. Google hat inzwischen reagiert und die umstrittene Extension aus seinem Angebot entfernt.Die Erweiterung für Chrome erkennt jüdisch anmutende Namen im Fließtext oder andere Angaben auf Websites und hebt sie hervor. Der Name „Coincidence Detector“ bezieht sich auf eine sogenannte „Verschwörungstheorie“, die vor einiger Zeit von einer vermutlich rechten Gruppierungen veröffentlicht wurde. In dieser mutmaßen die hauptsächlich als antisemitisch bezeichneten Kreise, dass jüdische Bürger die Kontrolle über Medien, Regierungen und Wirtschaft hätten. Die entwickelte Extension basiert auf einer Datenbank, in der populäre jüdische Namen eingespeichert sind und zum Abgleich für den Algorithmus der Erweiterung dienen. Ursprünglich war der Detektor dazu entwickelt worden, aufzudecken, dass der angeblich enorme jüdische Machtanteil in den Medien absichtlich verschleiert werde. Rechte Gruppierungen haben die Erweiterung allerdings genutzt, um jüdische User schnell ausfindig zu machen, um sie im Web zu attackieren (Extremnews).
Antisemitismus: Facebooks Tücken
Andrew Walde ist ein engagierter Mann: im Beruf als Leiter der Abteilung Sozialpolitik beim DGB in Berlin und Brandenburg, und privat, wenn es gegen Rechtsradikalismus und Antisemitismus geht. Walde hilft bei der Organisation der Demonstration gegen den Al-Quds-Tag in Berlin am kommenden Samstag und war im vergangenen Jahr auch aktiv in der Facebook-Gruppe »Terror und Hass entgegentreten – Berlin für Israel«, in der zu einer pro-israelischen Demonstration im Oktober aufgerufen wurde. Nachdem ein Mitglied der Gruppe dazu aufgerufen hatte, bei dieser Demonstration kreativ zu sein und »Blumen statt Messer« und »Orangen statt Steine« mitzubringen, antwortete kurz darauf ein User namens Ali D.: »Löscht weiter meine Kommentare. Die Wahrheit wird immer siegen. Bringt weiter Waffen mit und tötet Unschuldige. Ich bin auf der Seite der echten Juden und nicht Zionisten.« Ali D.s Text war mit mehreren Smileys gekennzeichnet. »Als ich das las«, sagt Andrew Walde, »habe ich Strafanzeige erstattet. Mir war klar, was das ist: ein Aufruf, Waffen zu der Demonstration mitzubringen und damit Menschen zu ermorden.« Die Anzeige ging im Oktober 2015 bei der Staatsanwaltschaft Berlin ein. Am 13. Juni 2016 erhielt Walde Antwort: Der Sachverhalt sei geprüft worden und man sehe von weiteren Ermittlungen ab: »Es handelt sich offensichtlich um eine überspitzte Kritik an der Politik Israels, was sich aus dem dem Kommentar beigefügten Bild und der Äußerung, dass ›die Wahrheit immer siegen wird‹ und er ›auf der Seite der echten Juden und nicht der Zionisten‹ stehe« ergebe. Eine eindeutige Aufforderung zu einer Straftat sei darin nicht zu erkennen. Walde ist mit der Antwort unzufrieden: »Ich sehe ja ein, dass es kein eindeutiger Aufruf zu einer Straftat ist und auch anders gelesen werden kann, aber viele andere und ich sind enttäuscht. Bei so etwas sollte am Ende das Gericht entscheiden, wie die Aussage zu bewerten ist.« (Jüdische Allgemeine)
Ein Seminar der ZWST regt einen innerjüdischen Dialog zum Umgang mit Flüchtlingen an
»Refugees Welcome!? Flüchtlinge und die jüdische Gemeinschaft heute« lautete der Titel der von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) organisierten Tagung. Die Diskussion schwankte zwischen den Polen, dass Juden und Jüdinnen eine besondere historische Verpflichtung gegenüber Schutzsuchenden haben und der Frage nach Antisemitismus und Israelfeindschaft unter Geflüchteten. „Der Islam stelle in seiner Gesamtheit keine Gefahr für die jüdische Gemeinschaft dar. Die Religion könne sogar als Brückenbauer für den Dialog dienen. Aber die radikalen Ausformungen des Islam seien eine ernstzunehmende Bedrohung – sowohl für die jüdische Gemeinschaft als auch für die westlichen Gesellschaften allgemein. »Der Westen muss begreifen: Sowohl der sunnitische als auch der schiitische Islamismus ist in seiner jeweiligen Form zutiefst vernichtungsantisemitisch«, mahnt der Religionswissenschaftler und Nahostexperte Samuel Schidem (Jüdische Allgemeine).
Antisemitismus an Universitäten: die lange Tradition gebildeter Judenfeindschaft
Wie artikuliert sich Antisemitismus im 21. Jahrhundert, 70 Jahre nach der Erfahrung Auschwitz, bei gebildeten Menschen – in der Öffentlichkeit, im Internet und auch an Universitäten auf akademischem Niveau? Dies ist eine Frage, der die diversen Forschungsprojekte zum aktuellen Antisemitismus an der TU Berlin (FG Linguistik) empirisch nachgehen (Audiatur-Online).
Antisemitismus: Die plakative Sorge der Rechten
Die deutsche Rechte ist sich sicher: Antisemitismus geht in Deutschland in erster Linie von Muslimen aus. Doch die Wahrheit ist deutlich komplexer. Diese plakative Sorge um die jüdische Gemeinschaft gehört seit einigen Jahren zum Konsens neurechter und rechtspopulistischer Strömungen in Deutschland. Sie dient zum einen der Abgrenzung zum Neonazismus von NPD und Konsorten. Und auch wenn sie bei der eigenen Anhängerschaft nicht unumstritten ist – wie sich immer wieder in den Kommentarspalten von Portalen wie PI-News zeigt – muss sie gleichzeitig als Beleg für die grundsätzliche Toleranzfähigkeit der Rechten gegenüber einer „fremden“ Religionsgemeinschaft herhalten. Zumal man einen gemeinsamen Feind ausgemacht zu haben glaubt: den Islam (Frankfurter Rundschau).
Studie: Es bleiben Fragen zum Antisemitismus in Deutschland
„Das Antisemitismusverständnis der neuen Leipziger ›Mitte‹-Studie ist drastisch verkürzt und in Sachen Antisemitismusforschung nicht auf der Höhe der Zeit.“ Der Göttinger Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn geht mit seinen Kollegen von der Universität Leipzig hart ins Gericht. Für viele überraschend hingegen ging den Forschern der Studie „Die enthemmte Mitte“ zufolge der Judenhass in Deutschland zurück. »Die Zustimmung zum Antisemitismus ist in der Tendenz insgesamt rückläufig«, heißt es in der Studie. Im Vergleich zu ihren früheren Untersuchungen – die Leipziger Studie wird alle zwei Jahre durchgeführt – sei der Wert immer weiter gesunken. Nur 4,8 Prozent der deutschen Bevölkerung sind demnach Antisemiten. Dieser Befund irritiert nicht nur Salzborn. »Neuere Formen des Judenhasses bleiben unberücksichtigt«, bemängelt etwa auch Deidre Berger vom American Jewish Committee. »Die Studie hat die Chance verpasst, den Antisemitismus vor dem Hintergrund der judenfeindlichen Ausschreitungen im Sommer 2014 und der antisemitischen Terroranschläge in den vergangenen Jahren zu untersuchen.« (Jüdische Allgemeine)
Berlin: Mann wegen Kippa antisemitisch beleidigt und geschlagen
Ein junger Mann, der eine Kippa trug und damit als Jude erkennbar war, ist in Alt-Treptow zunächst beleidigt und dann von drei Unbekannten geschlagen worden. Der Vorfall ereignete sich am Dienstagabend, wie die Polizei am Mittwoch mitteilte. Nach den Aussagen des 21 Jahre alten Betroffenen ist er gegen 21.30 Uhr in einer Grünanlage in der Puschkinallee unterwegs gewesen. Dort begegnete er drei Männern, die nach seiner Beschreibung „arabisch“ aussahen. Die Unbekannten gingen auf den jungen Mann zu und sprachen ihn zunächst auf seine Kopfbedeckung an. Anschließend stießen sie antisemitische Beleidigungen aus. Als er später bei der Polizei Anzeige erstattete, sagte der 21-Jährige aus, von einem der Männer zunächst geschlagen und dann auch getreten worden zu sein. Anschließend seien die Männer vom Tatort geflüchtet und konnten unerkannt entkommen (Berliner Morgenpost).
Antisemitische Beleidigung: Israeli in Straßenbahn mit rechten Parolen beschimpft
Ein Israeli ist in einer Straßenbahn in Berlin mit rechten Parolen und dem Hitlergruß beleidigt worden. Der 32-jährige Tatverdächtige habe zudem versucht, den 39-Jährigen zu schlagen, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Nach der Attacke am Dienstagnachmittag in der Tram M1 im Stadtteil Prenzlauer Berg konnte die Polizei den betrunkenen Mann festnehmen – durch Hinweise einiger Passanten. Er kam nach einer Blutentnahme wieder auf freien Fuß. Gegen ihn ermittelt nun der polizeiliche Staatsschutz (Berliner Zeitung).
Der blonde Jude, der bei Tinder einen Vorteil hat
Shahak Shapira ist Berliner, Israeli, Jude. Mitten in seiner Heimatstadt wird er von Judenhassern bespuckt und verprügelt. Nun hat er ein Buch über sein Leben und seinen Widerstand veröffentlicht. Er widme sein Buch „der Horde Antisemiten“, die ihn in der Neujahrsnacht 2015 angegriffen habe, schreibt Shahak Shapira, der in Israel zur Welt kam und seit 14 Jahren in Deutschland lebt. „Ohne euch, Jungs, wäre das alles nie möglich gewesen!“ Der 28-Jährige hat eine Art Autobiografie veröffentlicht – Titel: „Das wird man ja wohl noch schreiben dürfen! Wie ich der deutscheste Jude der Welt wurde.“ Darin arbeitet er zwischen Satire und Ernsthaftigkeit viel mit Vorurteilen, um gerade diese nicht zu bestätigen. In Zeiten neuer Diskussionen über das Zusammenleben von Christen, Juden und Muslimen ein interessantes Projekt, das hilft, Klischees zu entlarven (Die Welt).
Angebot für Düsseldorfer Schüler: „Antisemitismus, nein danke!“
Wie klärt man Schülern heutzutage über Antisemitismus auf und begegnet damit den Anfeindungen, die es immer noch gibt. Die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf hat ein mobiles Angebot zur Antisemitismus-Prävention entwickelt. Ein Koffer gefüllt mit unterschiedlichen Materialien zum Thema „Antisemitismus, nein danke!“ kann für den Unterricht oder Projekte ausgeliehen werden (Report D, Rheinische Post).
»Antisemitismus und Israel-Hass«: Zentralratspräsident Josef Schuster kritisiert geplante Al-Quds-Demonstration
r Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hat die am kommenden Samstag in Berlin geplante Al-Quds-Demonstration als »Hass-Marsch« bezeichnet: »Es ist eine Schande, dass in Berlin Raum gelassen wird für Antisemitismus und Israel-Hass. Denn nichts anderes haben die Al-Quds-Demonstrationen der vergangenen Jahre zutage gefördert, und nichts anderes ist auch in diesem Jahr zu erwarten.« Die agitatorische Demonstration solle mitten in der Stadt, in unmittelbarer Nähe zu mehreren Synagogen, verlaufen. Dies sei für die Gottesdienstbesucher unzumutbar, so Schuster. »Uns allen sind die antisemitischen Parolen und Übergriffe der Vergangenheit präsent. Wenn man einen solchen Hass-Marsch nicht verbieten kann, muss die Stadt zumindest im Vorfeld alle notwendigen Auflagen erteilen, um Antisemitismus und Israel-Hetze zu verhindern. Verstöße müssen sanktioniert werden.« (Jüdische Allgemeine)
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