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Monatsüberblick Oktober 2016 Rassismus und Feindlichkeit gegen Geflüchtete

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Wenn CDU-Politiker Krematorien für straffällige Geflüchtete fordern, hat offenbar jeglicher Menschenverstand ausgesetzt. (Quelle: Screenshot Meißen Watch, Facebook)

 

1. Rassismus und rassistische Gewalt in Deutschland steigen dramatisch

Abschlussbericht zum Bürgerdialog „Gutes Leben in Deutschland“ der Bundesregierung. Der stellt fest: Hasskriminalität und Rassismus hätten im vergangenen Jahr dramatisch zugenommen. Dies sei „besorgniserregend“. 2015 seien 10.373 Fälle von Hasskriminalität – Straftaten, die sich etwa gegen politische Einstellungen, Nationalitäten, Hautfarben oder Religionen richten – registriert worden, 77 Prozent mehr als im Vorjahr. Rassistische Straftaten legten um 116 Prozent auf 8529 Fälle zu. Der Anstieg der Hasskriminalität im Internet wurde auf 176 Prozent beziffert, 3084 sogenannte Hass-Postings wurden registriert. (Welt)

Dazu passen auch aktuelle Zahlen des Bundeskriminalamtes: Seit Beginn des Jahres 2016 gab es 797 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte. (vgl 2014=199, 2013 =69). Davon wurden 740 von „rechtsmotivierten“ Tätern verübt, bei 57 kann eine politische Motivation noch nicht ausgeschlossen werden.  Darunter sind 320 x Sachbeschädigung, 180 x rechtsextreme Propaganda, 137 Gewalttaten, 61 Brandstiftungen, 10 Sprengstoffanschläge (davon 4 x explodiert) (FR). 

2. Erschreckend rassistische und demokratiefeindliche „Einheitsfeier“ in Dresden

Der „Tag der Deutschen Einheit“ wurde 2016 in Dresden offiziell begangen – und das war auf der ganzen Linie beschämend. Teilnehmende des Festaktes wurden von rechtpopulistischen Menschen der „Pegida“-Heimatstadt als „Volksverräter“ beschimpft, ohne dass die Polizei eingriff und diese Schmähung der Politiker_innen und Engagierten unterband (vgl. Tagesspiegel, ND, taz). Vielmehr wünschte ein Polizist aus Niedersachsen den Pegida-Demonstrant_innen noch einen „erfolgreichen Tag“.  (vgl. Spiegel) (Kommentar SWR)

Dies korrespondierte mit einer massiven Zahl rassistisch motivierter Anschläge rund um den 03. Oktober: In Jüterborg, Naumburg und Neubrandenburg sorgten Brandanschläge für Angst, in Potsdam schändeten Unbekannte einen Tag nach dem Freitagsgebet eine Moschee. Mindestens vier Menschen wurden verletzt. (FR)  Weitere Übergriffe gab es in SchwerinSangerhausenBautzen

3. Schmölln: Anwohner ermutigen 17-jährigen Geflüchteten zu Suizid

Ein 17-jähriger, traumatisierter Geflüchteter steht im Fenster seiner Unterkunft, will sich in den Tod stürzen. „Schaulustige“ und Anwohner_innen rufen: „Spring doch!“ Was der junge Mann dann auch tut. Er verstirbt. Bürgermeister Sven Schade sagt: „Uns liegen auch Informationen vor, dass einige, ich nenne sie mal Schaulustige, diesem Vorfall lange beigewohnt haben, und wohl auch Rufe gefallen sein sollen wie „Spring doch“. So etwas kann man nur verurteilen.“ Er führt aus: „Wenn jemand das wie einen Kinofilm begreift und meint, er müsse da auch noch auffordern, dann ist das ein unglaublicher Akt.“ Laut dem MDR-Bericht wohnte der junge Mann seit April in der Gegend. Er war über Libyen, Italien und die Schweiz nach Deutschland geflüchtet. Der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow reagiert mit Entsetzen auf Berichte über den Selbstmord eines minderjährigen Flüchtlings in Schmölln. „Diese Gier nach spektakulärem Geschehen lässt die Humanität auf der Strecke“, schrieb der Linkspartei-Politiker am Sonntag auf Twitter. „Es lässt einen fassungslos zurück!“ (n-tvNDFAZSZ). 

4. Merseburg: Kind wird bei rassistischem Angriff krankenhausreif geschlagen

In Merseburg in Sachsen-Anhalt sind ein Mann aus Liberia, eine Frau und ihr fünf Jahre alter Enkel von zwei  Männern angegriffen und verletzt worden. Man gehe von einem rassistischen Hintergrund aus, sagte ein Polizeisprecher am Freitag in Halle. Das Paar wurde bald wieder aus der Klinik entlassen, das Kind zunächst nicht (ZEIT).  Die zwei stark alkoholisierte Männer im Alter von 47 und 63 Jahren hatten an der Wohnungstür geklingelt und den Mann aus Liberia sofort mit Schlagstock und Schlagring angegriffen. In der Wohnung hatten sich zum Zeitpunkt des Angriffs der 44-Jährige, seine 47-jährige Lebensgefährtin und deren fünfjähriger Enkelsohn aufgehalten. Als die Frau ihrem Partner zur Hilfe kam, wurde auch sie von den Angreifern attackiert. Frau und Enkelkind kamen mit Blutergüssen in ein Krankenhaus (mdr). 

5.  Rassismus Ost – auch ein Wirtschaftproblem

Die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke, befürchtet schwere wirtschaftliche Schäden durch Fremdenhass und Rechtsextremismus in Ostdeutschland. „Rechtsextremismus und Fremdenhass stellen eine ernsthafte Bedrohung nicht nur für den gesellschaftlichen Frieden, sondern auch für die wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands dar“, sagte Gleicke (vgl. Handelblatt). Im Tagesspiegel-Interview führt sie aus: „Ungefähr die Hälfte aller rechtsextremistischen Straftaten geschehen im Osten, obwohl im Westen circa viermal so viele Menschen wohnen. Das zeigt die Größe des Problems. Die Wahrheit ist bitter, aber sie musste ausgesprochen werden.“

 

6. CDU-Politiker aus Meißen fordert: Straffälliger Flüchtling soll ins Krematorium, nicht in die Psychatrie

Der Meißner CDU-Stadtrat Jörg Schlechte postet auf Facebook einen Artikel von „lokalkompass.de“ auf seiner Facebook-Seite, in dem von einem Asylbewerber berichtet wird, der einen Richter am Landgericht niedergeschlagen hatte. Der gebürtige Eritreer war nach einem psychiatrischen Gutachten zur Unterbringung in einer Psychiatrie verurteilt worden. Schlechte reicht das offenbar nicht. Er postet einen Link zum Krematorium in Meißen, kommentiert mit den Worten: „Dem Manne kann geholfen werden…“. Später löschte er den Beitrag, den aber die Facebook-Seite „Meißen Watch“ dokumentiert hat (Mopo).    

7. Günther Öttinger: Rassismus als Abendunterhaltung

EU-Handelskommissar Günther Oettinger „unterhielt“ beim „EuropaAbend“ des AGA Unternehmensverbands in Hamburg als Redner die Gäste mit rassistischen Witze über chinesische Deligierte. Von seinem Auftritt am Mittwoch gibt es ein Video. Der Verleger Sebastian Marquardt hat es gemacht und zwei Tage später bei Youtube reingestellt, weil er Oettingers Ausfälle gar nicht lustig fand. Oettinger sagt unter anderem, ihn störr die ganze „deutsche Tagesordnung“. Was er damit meint, erklärt er so: „Die deutsche Tagesordnung mit Mütterrente, Mindestrente, Rente mit 63, Betreuungsgeld, der komischen Maut, die aber nicht kommen wird, bald noch mit der Pflicht-Homoehe, wenn sie eingeführt wird“. Das alles genüge seiner „Erwartung an deutsche Verantwortung in keiner Form“, heißt es am Ende des Videos. Marquardt sagte, er sei nach der Rede zu Oettinger gegangen. Er habe ihm für den „erfrischenden Rassismus“ gedankt. Der EU-Kommissar habe aber gar nicht verstanden, was er gemeint hatte, sagte er (n-tvwinfuture.de)

 

8. #Thomallagate: Shitstorm mit Gaga-Rassismus 

Schauspielerin Sophia Thomalla postet auf mehreren Social Media-Kanälen ein Bild, auf dem Sie sich an die Brüste fasst. Dazu schrieb sie: „Kleine Titten sind wie Flüchtlinge: Sie sind nun mal da, aber eigentlich will man sie nicht.“ Als ein Sturm aus Zustimmung, aber auch aus Empörung über diese rassistische Äußerung über die Schauspielerin hereinbricht, nennt sie den Post ein „Experiment“, dass sie mit Autor Micky Beisenherz „erdacht“ habe: „Leute, Leute… 2.000 Follower mehr in 45 Minuten. Nur mit Titten und Flüchlingen, was zu beweisen war“, schrieb die Schauspielerin. Weiter erklärte sie: „Ein Experiment und mal bewusst provoziert. Wir wollten sehen, wer tatsächlich allen Ernstes denkt, dass DAS ERNST gemeint war… Wahnsinn.“ Warum sie ein solches Experiment für nötig erachtete, um eine flüchtlingsfeindliche Stimmung in Deutschland zu erkennen, erklärte sie nicht (gala.de). Beisenherz erklärte später, er habe erst im Netz verstanden, dass sie „ein Monster erschaffen“ hätten. Thomalla habe lange gebraucht, um „den braunen Pöbel wieder auszukärchern“, der der Moderatorin seit ihrem Tweet neu gefolgt war. Immerhin 31.000 neue Fans habe sie Beisenherz zufolge auf ihren Plattformen dazugewonnen – darunter hauptsächlich Pegidisten, AfD-Anhänger und Rechtsradikale. So lautet das Fazit des Selbstversuchs, dass es das nicht wert gewesen sei – „auch eine Erkenntnis“, so Beisenherz. Hoffentlich gepaart mit der Erkenntnis, das nächste Mal einfach vor einer Aktion nachzudenken (n-tv).

Noch ein medialer Totalausfall: „Verstehen Sie Spaß?“-Moderator Guido Cantz verkleidet sich mit Blackfacing als „Afrikaner“ – und bringt Thematisierungen des Rassismus Unverständnis entgegen, statt wenigstens hinterher zuzuhören (tazTagesspiegelBerliner Morgenpost). 

9. Diskurs über Jaber al-Bakr und die Syrer, die ihn aufhielten

Und dann wird am 10.10.2016 in Leipzig der syrische Flüchtlinge Jaber al-Bakr in Leipzig unter Terrorverdacht festgenommen, nachdem die Polizei Sprengstoff in der Wohnung gefunden hatte, in der er lebte. Festgesetzt wird al-Bakr durch den Einsatz dreier weiterer syrischer Flüchtlinge, die ihn erkannt hatten. Die Polizei fasste ihn nach SPIEGEL-Informationen um 0.42 Uhr in der Wohnung eines Landsmannes. Den hatte al-Bakr am Leipziger Hauptbahnhof angesprochen: Ob er bei ihm schlafen könne. Der Syrer lud ihn zu sich nach Hause ein und informierte am Abend die Polizei, nachdem er von der Fahndung gehört hatte. Die Polizisten fanden al-Bakr gefesselt in der Wohnung.  Damit gab er Fall sowohl rassistischen Anschuldigungen gegen Geflüchtete als potenziell Terrorverdächtigen Futter wie auch der Gegenerzählung, dass die meisten Geflüchteten ja eben wegen der Angst vor Terror und Gewalt auf ihrem Heimatland fliehen. Aufklärung über Motivationen und Sachlagen verhinderte allerdings die Ermittlungsarbeit der Polizei:  Jaber al-Bakr brachte sich in der Untersuchungshaft um, bevor er eine verwertbare Aussage machte. Die Polizei hatte den potenziellen Selbstmordattentäter als nicht suizidgefährdet eingestuft. Die syrischen Männer, die ihn aufgehalten hatten, sind derweil auch nicht mehr auffindbar – sie sind untergetaucht, weil sie Angst vor Rache des IS haben (vgl. FAZ). Nun ist der Fall für Verschwörungstheorien aller Art offen (ZEIT). 

10. Rechtspopulismus macht rassistisch – Brexit, AfD

Am 03. Oktober 2016 hält Frauke Petry in Stuttgart eine offen rassistische Rede, die ihre Gesinnung gut zutage bringt. Laut FAZ prophezeite sie dabei einen Konflikt zwischen in Europa ansässigen „Transferempfängern“ und dem eingewanderten „Lumpenproletariat der afro-arabischen Welt“. Außerdem fragte sie: „Was soll man denn von diesen ganzen ‚Deutschland-ist-bunt‘-Kampagnen halten? […] Bunt ist auch ein Komposthaufen.“ Die Münchner Abendzeitung trägt daraufhin weitere rassistische und ins Rechtsextreme weisende AfD-Zitate der letzten Monate zusammen.

Auch in Großbritannien führt der Rechtspopulismus zu mehr und gewalttätigerem Rassismus: Im Juni entschieden sich die Briten für den Brexit – seither werden dort immer mehr rassistische Straftaten verübt. Im Juli sei im Vergleich zum Vorjahresmonat ein Anstieg von 41 Prozent zu verzeichnen, teilte das Innenministerium in London mit. Bereits im Juni habe sich ein Anstieg abgezeichnet, „gefolgt von einem noch drastischeren Anstieg im Juli“ mit 5500 Fällen. Dazu zählten verbale wie körperliche Angriffe gegen Bürger anderer EU-Nationen sowie gegen britische Muslime und Angehörige anderer Minderheiten. Im August seien die Zahlen dann wieder etwas gefallen, hätten aber immer noch über dem Niveau in den Monaten vor dem Brexit-Entscheid gelegen. „Die Zahlen machen sehr deutlich, dass einige Leute das Referendum nutzten, um ihre erbärmliche Sichtweise zu rechtfertigen oder Intoleranz und Hass zu verbreiten“, sagte der Chef der regierungsgeförderten Menschenrechtskommission, David Isaac, zu dem Bericht (tagesschau.de

11. Propaganda-Coup rassistischer Nazis in Brandenburg 

Die rechtsextreme Szene in Westbrandenburg ist weiter gut organisiert und aktionsfähig. Dies zeigte ein groß angelegte rassistische Propaganda-Aktion im vergangenen Monat. Dabei wurden 100 rassistische Plakate aus rechtsextremen Versandhäusern verklebt, u.a.  „Bitte flüchten sie weiter!“, „Es gibt hier nichts zu wohnen“ oder „Refugees not welcome“. In der Nacht auf den 23. September – wenige Tage vor der Landratswahl in Potsdam-Mittelmark – waren 102 der beschriebenen Hetz-Aufkleber festgestellt worden, teilte das Innenministerium mit. Außerdem wurden zehn Wahlplakate der SPD mit dem Spruch „Wählt keine Volksverräter“ überklebt. Eine Spur zu den Tätern gibt es nicht (PNN)

 

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