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Monitoring 225 mal „Nein zum Heim“ auf Facebook

Gibt es eine Zunahme rechtsextremer und rassistischer Hetze auf Facebook? Emotional fühlen das viele Nutzer_innen, Zahlen fehlen meist. „no-nazi.net – für Soziale Netzwerke ohne Nazis“ hat jetzt allerdings eine Zahl ermittelt, die die deutliche Zunahme flüchtlingsfeindlicher rassistischer Hetze auf Facebook eindrucksvoll belegt: Die Zahl der „Nein zum Heim“-Seiten auf Facebook hat sich seit Anfang des Jahres mehr als verdoppelt. Waren es im Januar noch rund 100 Facebook-Seiten, die mit meist lokaler, teilweise aber auch überregionaler Ausrichtung gegen Flüchtlinge hetzten, sind es nun 225 Seiten. Wo kommt regional die meiste Hetze her?

 
Facebook-Veranstaltung einer klassischen "Nein zum Heim"-Gruppe: Rassistische Hetze wird in ein scheinbar "bürgerliches" Gewand gegossen. (Quelle: Screenshot 21.10.2015)

Monitoring rechtsextremer und rassistischer Aktivitäten ist eine zentrale Aufgabe des Projektes „no-nazi.net – Für Soziale Netzwerke ohne Nazis“. Denn es ist die Grundlage, auf der Gegenstrategien erarbeitet werden können. Schon seit Mitte 2013 beobachtet das Projekt explizit flüchtlingsfeindliche Facebook-Seiten und Gruppen, die sich „Nein zum Heim in XY“ (oder ähnlich) nennen. Sie versuchen, sich den Anschein „besorgter Bürger_innen“ zu geben, und erreichen auch durchaus lokale Rassist_innen. Doch lassen diverse inhaltliche und gestalterische Doppelungen und Wiederverwendungen eine starke NPD-Angebundenheit der Administrator_innen vermuten. Die Proteste sind also von organisierten Rechtsextremen gesteuert, zum Teil auch initialisiert.

Anfang des Jahres, Pegida stand auf der Straße und war in aller Munde, ergab die Zählung von no-nazi.net rund 100 flüchtlingsfeindliche Internetseiten. Nun ergab eine erneute Zählung: Inzwischen sind es 225 Seiten. Diese verteilen sich in ihrer Ausrichtung regional sehr unterschiedlich. Die meisten kommen, das passt zum Stimmungsbild, aus Sachsen (76).  

Sachsen – 76Brandenburg – 40Baden-Württemberg –  21Mecklenburg-Vorpommern – 17Bayern – 13Thüringen – 10Sachsen-Anhalt – 9 Berlin – 9 Hessen – 9 NRW – 8Niedersachsen – 5 Rheinland-Pfalz – 2Schleswig-Holstein – 1Hamburg – 0Bremen – 0Saarland – 0 

Im Durchschnitt haben die Seiten ca. 1500 Likes.

Namen

Inzwischen hat sich die Benennung der Seiten ausdifferenziert. Sie heißen nicht mehr nur „Nein zum Heim in XY“ (so heißen allerdings immer noch die meisten), sondern „XY wehrt sich“, „Wir sind XY“, „Widerstand XY“, „Sicherheit in XY“, „XY bleibt hart“, „XY gegen den Asylmissbrauch (oder schlicht „gegen Asylanten“), „Kein Asylanten-Containerdorf in XY“, gern mit dem Zusatz „Bürgerinitiative“, „Bürgerbewegung“ oder auch „Bürgerwehr“.

Inhalte

Inhaltlich sind sie ein Hort von Stimmungsmache und Fehlinformationen. Dies geschieht über eigene vorgebliche „Erlebnis“-Berichte (in der Regel von angeblicher Gewalt, Diebstählen, Belästigungen oder Vergewaltigungen), die sich bei genauerer Betrachtung entweder nicht verifizieren lassen (das heißt, Strafvollzubehörden oder angeblich betroffene Supermärkte wissen nichts von Anzeigen oder Straftaten zu berichten), oder es sind seit Jahren geteilte Internet-Hoaxes. Oft werden „Nachrichten“ oft aus nicht seriösen, rechtspopulistischen Quellen geteilt oder Nachrichten großer Medien aus dem Zusammenhang gerissen oder tendenziös kommentiert. Auch Beiträge von rechtsextremen Parteien wie der NPD, „Die Rechte“ oder „Der III. Weg“ werden offen geteilt. In den Kommentarspalten zu den Beiträgen kocht die Stimmung schnell hoch, die User_innen versuchen, sich in Hass-Botschaften zu übertreffen. Dies sind vor allem rassistische und islamfeindliche Kommentare, aber auch das Wettern gegen die Demokratie, demokratische Politik, „Gutmenschen“ und „Lügenpresse“ gehört dazu – ebenso wie Verabredungen oder Aufrufe zu konkreten Aktionen. Besonders perfide sind Facebook-Seiten, die sich als „Überwachung“ der Flüchtlinge und Asylunterkünfte verstehen und regelmäßig Fotografien über Aufenthaltsorte der Flüchtlinge posten – oder welche Personen gerade zur Unterstützung der Flüchtlinge vor dem Heim vorfahren. Hier wird niemals explizit zu Gewalttaten aufgerufen – aber die Bedrohung ist allein durch das Posten der Aufnahmen deutlich und für Betroffene wie Mitleser_innen spürbar.

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