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Monitoring rechts-alternativer Medienstrategien Einordnung relevanter Social Media-Plattformen: YouTube

Reichweiten-starker rechts-alternativer Desinformations-Account: Tim Kellner auf YouTube

 

Größenaufteilung der im Monitoring von de:hate ausgewerteten rechts-alternativen YouTube-Kanäle über 1.000 Abonnent*innen

Bedeutung:
YouTube ist die größte Videoplattform im Internet mit 1,9 Milliarden monatlich aktiven Nutzer*innen, davon 6 Millionen aus Deutschland. Sie ist besonders unter Jugendlichen sehr beliebt16, was das Monitoring von YouTube unter dem Aspekt des Jugendschutzes umso wichtiger macht. Im Monitoring werden über 390 Kanäle beobachtet, von denen nicht alle als rechtsextrem eingestuft werden, aber zumindest in Teilen rechtspopulistische bis rechtsextreme Narrative bedienen. So gehört „RT Deutsch“, YouTube-Kanal des russischen Auslandsfernsehsenders, zu den größten mit einbezogenen Kanälen. „RT Deutsch“ ist nicht rechtsextrem, fördert allerdings durch ideologisch gefärbte Berichterstattung eine alternative Realität. Selbst explizit verschwörungsideologische Kanäle sind nicht zwingend rechtsextrem, können allerdings teilweise Elemente rechtsextremer und antisemitischer Erzählungen bedienen – und so gleichermaßen alternative Wirklichkeitswahrnehmungen befördern. Und sie machen auf YouTube keinen unwesentlichen Teil aus: Von den beobachteten Kanälen, die als rechts-alternativ einzustufen sind, haben allein die elf Kanäle mit den meisten Abonnent*innen über 177 Millionen Views.

Grafik: Größenaufteilung der Themen der im Monitoring von de:hate ausgewerteten YouTube-Kanäle.

Besonders die „Identitäre Bewegung (IB)“ – und allen voran ihr österreichischer Sprecher Martin Sellner – nutzen YouTube als einen ihrer wichtigsten Propaganda-Kanäle. Mit lockerem Auftreten werden rassistische und rechtsextreme Inhalte für junge User*innen als vermeintlich akzeptable Normalität vermittelt. Solche Kanäle bedienen eine weite Bandbreite an Geschmäckern, von heiter bis pseudo-intellektuell. Wie viele andere YouTuber*innen versuchen auch einige Persönlichkeiten der rechts-alternativen Szene durch (vermeintliche) Einblicke in ihr Privatleben parasoziale Beziehungen zu den Zuschauer*innen aufzubauen. Martin Sellner bespielt mit einem englischsprachigen Kanal („Martin Sellner GI“ = „Generation Identity“) auch die nicht-deutsche IB-Community, denn die IB versteht sich als europaweite Aktivist*innen-Gruppierung. Diesen Kanal empfahl er auch, wie der Guardian berichtete, in persönlichen Korrespondenzen dem späteren Massenmörder von Christchurch. Die Reichweiten von Sellners Kanälen finden sich in Tabelle 3.

Größenaufteilung der ausgewerteten YouTube-Kanäle der IB (Stand: September 2019)
Top 11 der ausgewerteten rechts-alternativen YouTube-Kanäle (Stand: August 2019)

 

Radikalisierung:
Die großen Reichweiten rechtsextremer und rechts-alternativer YouTube-Kanäle sind in den Tabellen ersichtlich. Dass die Reichweiten auf YouTube so enorm sind, liegt nicht allein an der Qualität oder Beliebtheit ihrer Inhalte. Anfang 2019 kündigte YouTube an, den Algorithmus für Videoempfehlungen anzupassen, damit Desinformationsvideos, vor allem verschwörungsideologischer Natur, nicht länger vorgeschlagen werden. Denn der YouTube-Algorithmus tendiert dazu, User*innen immer drastischere Videos vorzuschlagen: Laut einer „New York Times“-Recherche führt der Algorithmus der „Autoplay“-Funktion somit von Videos über Jogging zu Videos über Ultramarathons, von Vegetarismus zu Veganismus und von Wahlkampf-Massenversammlungen Donald Trumps zur Ideologie der „White Supremacy“ („weißen Vorherrschaft“) und Holocaustleugnung. Von diesem Algorithmus profitieren also letztendlich extreme Kanäle. Außerdem werden rechtsalternative Kanäle mit der Zeit selbst radikaler, um mehr Reichweite zu erlangen – wie zum Beispiel der Kanal „Hagen Grell“, der sich vom „Alternativ-Journalisten“ aus dem Leipziger „Montagsmahnwachen“-Milieu zum Fürsprecher rechtsextremer Narrative entwickelt hat. YouTubes Videovorschläge verweisen jedoch nicht nur von harmlosen politischen Inhalten auf extremere Videos, der Algorithmus priorisiert außerdem Videos ähnlicher Gesinnungen. Somit können die Empfehlungen von YouTube zu einer Radikalisierung beitragen.

Auch wenn die Plattform begonnen hat, den Radikalisierungseffekt ihres Algorithmus abzuschwächen, bleiben die Kanäle reichweitenstark, die dadurch groß geworden sind. Zudem ist noch nicht abschätzbar, wie effektiv die neuen Maßnahmen sein werden. YouTube duldet seit Mitte 2019 keine Videos mehr, die die rassistische „White Supremacy“-Ideologie verbreiten. Allerdings passiert es noch häufig, dass YouTube Videos und Kanäle löscht, sie später dann jedoch wieder zulässt. Dies erweist sich als Bumerang, da zu beobachten ist, dass die Kanäle durch jede Löschung Aufmerksamkeit erlangen und letztendlich Abonnent*innen und Reichweite gewinnen.

Größenaufteilung der ausgewerteten AfD-Kanäle auf YouTube (Stand: September 2019)

 


Die Übersicht der Social Media-Plattformen

Der Artikel ist Teil einer Übersicht der Social Media-Plattformen, die für das Monitoring von Aktivitäten der rechtspopulistischen bis rechtsextremen Online-Szene für das Projekt de:hate der Amadeu Antonio Stiftung relevant sind. Allgemein ist festzuhalten, dass unterschiedliche Plattformen für unterschiedliche Zwecke und Interessen genutzt werden. Auch wird je nach Plattform ein anderes Publikum angezogen. So nutzen die über 30-Jährigen mit Abstand am meisten Facebook, während bei Jugendlichen Instagram die meistgenutzte Plattform ist.

Grob lässt sich unterscheiden zwischen den großen, öffentlichen Plattformen und dem sogenannten Dark Social, also Messenger-Diensten mit geschlossener Kommunikation. Auf letzteres wird zunehmend ausgewichen, da plattformeigene Richtlinien seit 2018 konsequenter durchgesetzt werden und neue Richtlinien ergänzt wurden, wie das Verbot von Inhalten zu „White Nationalism“ oder das Bannen von „Identitären“-Accounts als Hassorganisation auf Facebook und Instagram. Dadurch werden extreme Inhalte weniger offen beziehungsweise nur mit an die Regeln angepasster Sprache auf den großen Plattformen besprochen.

Für das Monitoring werden sämtliche Phänomene vom rechtspopulistischen bis zum rechtsextremen Spektrum einbezogen. Dafür werden ausgewählte Kanäle regelmäßig überprüft und auf algorithmische Unterstützung gesetzt. Nach bedeutsamen Ereignissen werden Kanäle zielgerichtet auf relevante Informationen hin untersucht.


Dieser Text ist ein Auszug aus der Broschüre

Amadeu Antonio Stiftung (Hrsg.):
Alternative Wirklichkeiten. Monitoring rechts-alternativer Medienstrategien
Erscheinungsjahr: 2020

Titelbild der Broschüre: „Alternative Wirklichkeiten“ der Amadeu Antonio Stiftung

PDF zum Download: Monitoring_2020_web

Print-Exemplar bestellen: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/alternative-wirklichkeiten/

Alle Artikel aus der Broschüre auf Belltower.News:

https://www.belltower.news/lexikon/alternative-wirklichkeiten/

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