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Am Anfang stand eine simple Einladung, die in Telegramgruppen geteilt wurde. Zu lesen war dort von “Veteranen der Bundeswehr und der NVA […], die sich “bei Demos friedlich in die erste Reihe zwischen Demonstranten und Polizei zu stellen“ und sich dafür nun organisieren wollen. Allerdings wird auch schon der Konfrontationskurs klar: “Zum einen soll dies den Demonstranten einen symbolischen Rückhalt geben, zum andren soll dies der Polizei zeigen, was es bedeutet zu dem einmal abgelegten Eid auf die freiheitlich demokratische Grundordnung zu stehen und dass Veteranen bereit sind, sich schützend vor das Volk, den Souverän, zu stellen.“ Kurze Zeit später explodiert die Gruppe vor lauter Beitritten.
Grund dafür waren nicht allein die zahlreichen Veteranen, sondern auch die Telegram-Struktur der Szene und die Vernetzung zwischen den einzelnen Akteur*innen.
Der Aufruf, diesem Kanal beizutreten, wurde am heutigen Tag bereits über 210.000 Mal durch die Kanäle unterschiedlicher Verschwörungsideolog*innen und Querdenken-Gruppen gejagt. Darunter ist beispielsweise der von “Querdenken”-Frontfigur Bodo Schiffmann betriebenen Kanal mit über 137.000 Abonnent*innen, aber auch unauffälliger scheinende “Querdenken”-Untergruppierungen wie lokale “Eltern stehen auf”-Gruppen. Auch große verschwörungsideologische QAnon-Gruppen teilen den “Veteranen Pool” – erfolgreich. Viele Abonennt*innen des „Veteranen-Pools“ haben QAnon-Symboliken oder -Sprachcodes in ihren Profilen und Nicknames. “Klassische” rechtsextreme Symbolik wie die “88” für “HH“ für “Heil Hitler“ ist aber auch beliebt.
Andere Kanäle und Gruppen, die den Aufruf geteilt haben, gehören zur rechtsextremen Reichsbürgerbewegung. Reichsbürger*innen lehnen die Bundesrepublik strikt ab und halten Deutschland für immer noch “besetzt“. Die Anhängerschaft der Reichsbürgerbewegung ist potenziell gefährlich: immer wieder fielen Reichsbürger*innen durch große Waffenfunde und auch durch gewalttätige und einen tödlichen Angriff auf Polizist:innen auf.
„Endlich kommen alle zusammen“
Eben jene Gruppierungen versuchen nun, aus ihren Reihen ehemalige Soldat*innen zu rekrutieren. Viele hunderte Mitglieder scheinen nur allzu sehnsüchtigst auf eine solche Organisation gewartet zu haben. “Endlich kommen alle zusammen”, schreibt einer. Ein anderer äußert sich noch radikaler und bringt auf den Punkt, was viele zu denken scheinen: “Würde endlich gerne die Verräter jagen”. Gemeint sind all diejenigen, die aktuell das Feindbild derer darstellen, die sich seit Monaten im Laufe der Querdenken-Proteste radikalisiert haben. Nun scheint diese Radikalisierung auch Ex-Soldat*innen zu erreichen. Laut Tagesspiegel ist auch der AfD-Politiker Daniel Freiherr von Lützow der Gruppe beigetreten und hat mit seiner Zeit in der Bundeswehr geprahlt. Auch Aufforderungen zum Handeln gibt es schon: So werden Aufrufe geteilt, die Demonstrationen am Wochenende in Weimar und Leipzig und am Montag in Berlin zu besuchen.
Wir ziehen nicht in den Krieg. Wir sind im Krieg.
Viele Mitglieder der Gruppe teilen glaubhaft ihre Bundeswehrvergangenheit – inklusive Dienstzeit, Rang und Regiment. Einige scheinen froh zu sein, Gleichgesinnte getroffen zu haben. Fast wirkt es wie eine Gruppe, die ein Klassentreffen organisiert – aber eben nur fast. Denn sie tauschen sich auch über Waffen aus, mit denen sie gerne geschossen haben und diskutieren sie darüber, ob sie sich bereits im Krieg befinden. Dass es sich um eine öffentliche Gruppe handelt, scheint die meisten nicht zu stören. “Schöne Grüße an den MAD und Staatsschutz. Wir haben keine Angst und wir kapitulieren nicht!”, schreibt eines der Mitglieder. Eine Kampfansage. “Nicht ohne Grund, haben wir gedient”, gibt ein anderer zu bedenken, “Mit singen und klatschen haben wir noch nie etwas gewonnen” (sic!). Solche Kommentare finden sich oft – und sie zeigen, wo die Reise hingehen soll: “Wir ziehen nicht in den Krieg. Wir sind im Krieg. Es gilt, den Bann zu brechen”, äußert sich der Gruppengründer.
Ziel des großen und unübersichtlichen Sammelbeckens ist allerdings eine lokale Vernetzung. Bis zum Redaktionsschluss gibt es bereits moderierte Vernetzungsgruppen für neun Bundesländer. Ein Verantwortlicher für die Regionalgruppe für Schleswig-Holstein und Hamburg sieht sich ebenfalls mitten im Krieg. Sein Telegam-Profil weist auf eine Website hin, die eindeutig der Reichsbürgerszene zuzuordnen ist. Dabei handle es sich um eine “Nationale Befreiungsbewegung”, die eine vermeintlich “verloren gegangene Souveränität für unser Land” wieder herstellen wolle. Sich in einem Chat zu organisieren, dessen Gründer mitnichten für die demokratische Grundordnung eintritt, sondern diese aktiv bekämpfen möchte, scheint die Mitglieder jedoch kaum zu stören. Im Gegenteil: Für viele scheint die Kameradschaft neu aufzuleben, sie fühlen sich geradezu beflügelt. So sehr, dass auch keine Bedenken da sind, wenn sie ein Foto ihres Veteranenabzeichens und des zugehörigen Schreibens in den Gruppen veröffentlichen.
Während also nun große Teile der Querdenken-Szene vom Verfassungsschutz beobachtet werden, bilden sich aus genau diesem Kreis regionale Gruppen von größtenteils inaktiver Soldat*innen – eng vernetzt mit Rechtsextremen und extremen Verschwörungsideolog*innen.
Veteranenverbände wie der “Bund Deutscher EinsatzVeteranen e.V.” sehen die Entwicklung mit Besorgnis und distanzieren sich deutlich. Das Verteidigungsministerium äußert sich auf Twitter dagegen fast defensiv: “Es handelt sich nicht um eine Organisation der Bundeswehr. Wir distanzieren uns von den Inhalten.” Als müsse man, nach den letzten Rechtsextremismus-Skandalen der Bundeswehr, schon darüber erleichtert sein.