Das Interview führe Olga Wendtke.
Das Bündnis „Keinen Meter“ hat sich zusammengeschlossen, um gemeinsam gegen den Aufmarsch von Neonazis zu demonstrieren. Wie sehen die geplanten Aktionen für den Tag von eurer Seite aus?
Nina Bloch (Keinen Meter): Nach sechs Jahren wollen Neonazis erstmals wieder durch Münster marschieren. Wir haben als Bündnis schon früh gesagt: Wir lassen den Nazis keinen Meter, wir wollen nicht, dass sie in Münster laufen können. Deswegen haben wir neben einem Aufruf auch einen Aktionskonsens formuliert, in dem es heißt: „Um den Naziaufmarsch zu verhindern, setzen wir auf das Mittel der Blockaden, an denen jeder und jede teilnehmen kann. Von uns wird dabei keine Eskalation ausgehen.“ Dass wir nicht nur symbolisch protestieren wollen, sondern versuchen werden den Aufmarsch mit Sitzblockaden zu stoppen, stieß auf große Zustimmung. Viele Menschen, ganz unterschiedlichen Alters und politischer Richtung, haben angekündigt, sich an den Protesten zu beteiligen. Den Aufruf und den Aktionskonsens unterstützen aktuell 120 Vereine, Initiativen, Gewerkschaften und Parteien. Das ist ein wirklich breites Spektrum: Es sind Antifa-Gruppen dabei, Jugendgruppen und Ortsverbände von Parteien, der DGB und Einzelgewerkschaften, aber auch Sportvereine, Bands und religiöse Gruppen. Auch einige MdB unterstützen „Keinen Meter“.
Die Nazis wollten ursprünglich vom Haltepunkt Zentrum-Nord bis zum Hauptbahnhof marschieren, vorbei an der Villa ten Hompel, einer Gedenkstätte für Verbrechen von Polizei und Verwaltung in der Zeit des Nationalsozialismus. Nach einem Deal mit der Polizei haben sie nun nur eine kleine Route durch Wohnviertel im Stadtteil Rumphorst fernab der Innenstadt. Die Anwohnerinnen und Anwohner dort sind empört, auch sie haben keinen Bock auf den Aufmarsch und fragen, wie sie die Proteste unterstützen können. Das „Keinen Meter“-Bündnis hat drei Kundgebungen rund um die Aufmarschstrecke angemeldet, die Treffpunkte für Protestierende sind. Am Tag selbst wird das Bündnis über einen Infoticker die Leute auf der Straße mit aktuellen Infos versorgen. Dazu wird es noch Infomaterial, einen Ermittlungsausschuß und Rückzugsräume geben.
Das letzte Mal haben Neonazis im Jahr 2006 versucht in Münster zu demonstrieren. Vielleicht könnt ihr kurz schildern wie damals der Tag verlaufen ist?
Dass so viele Menschen angekündigt haben, den Naziaufmarsch blockieren zu wollen, ist sicher auf die Erfahrungen aus 2006 zurückzuführen. Damals wollten „Freie Kameradschaften“ um Sascha Krolzig und Axel Reitz ? die beiden Neonaziführer sind auch in diesem Jahr maßgeblich an der Organisation beteiligt ? gegen „alliierte Besatzer“ aufmarschieren. Sie starteten am Hauptbahnhof, kamen aber nur wenige Meter weit. Die Aufzugstrecke im stark studentisch und alternativ geprägten Hansaviertel war von mehreren hundert Menschen besetzt. Da blieb nur der Rückzug. Ein zweiter Versuch wenige Monate später im Vorort Hiltrup verlief ebenfalls mäßig. Statt 170 Neonazis reisten nur noch 70 an und wieder machten Sitzblockaden eine verkürzte Route notwendig. Diese gemeinsame Erfahrung erfolgreichen Widerstands gegen Neonazis ist noch bei vielen Bürgerinnen und Bürgern präsent. Hinzu kommt, dass Gruppen wie die Antifa Linke Münster, die Jusos oder die Linksjugend in den vergangenen Jahren an den Blockaden in Dresden teilgenommen haben. Diese Erfahrungen wurden zurück nach Münster gebracht und drücken sich beispielsweise im verabschiedeten Aktionskonsens aus. Dem „Keinen Meter“-Bündnis ist es wichtig klarzustellen, dass wir solidarisch mit allen sind, die sich am 3.März den Nazis und ihrer rassistischen Hetze entgegen stellen. Manche Menschen können oder wollen nicht an Blockadeaktionen teilnehmen, sie sollen den Protest auf ihre Art und Weise ausdrücken können.
Am 3. März demonstrieren Neonazis in Münster für „eine selbstbestimmte Zukunft ihres Volkes“. Und fordern „Raus aus ‚EU, Nato und UNO‘.“ Was versteckt sich hinter diesen Forderungen?
Hinter diesen Forderungen steckt die alte völkisch-rassistische Ideologie. Es zeichnet Gruppen wie die „Nationalen Sozialisten Münster“ und andere „Autonome Nationalisten“ aus, dass sie zwar ihren Kleidungsstil mit Elementen aus Jugend- und Protestkulturen modernisiert, ihre Positionen aber nicht geändert haben. Sie stehen für dieselben Inhalte wie ihre historischen Vorbilder, die Nazis. Liest man sich den Aufruf durch, der mit Schlagwörtern wie „Freiheit“, „Selbstbestimmung“, „Zukunft“ überschrieben ist, dann finden sich dort vor allem antisemitische und rassistische Parolen. Überall lauert die angebliche Verschwörung der „Demokraten“, die das „deutsche Volk“, verstanden als Blut-und-Boden-Gemeinschaft „vernichten“ wollen. Institutionen wie EU, NATO und UNO werden gleichermaßen als Organe der „Fremdbestimmung“ angesehen. Dem gegenüber steht das durch Zuwanderung und „Kinderarmut“ bedrohte und als „homogene Masse“ verstandene „deutsche Volk“, dessen Mitglieder alle blond und blauäugig zu sein haben, wie das Poster suggeriert. Das ist rassistisch und nicht diskussionswürdig.
Wieso demonstrieren Neonazis gerade in Münster? Eigentlich ist die Stadt ja nicht für eine große Neonaziszene bekannt.
Im Unterschied zu 2006 gibt es Münster seit einigen Jahren eine Neonazigruppe, die „Nationalen Sozialisten Münster“.Diese sind bis dato kaum wahrnehmbar, weshalb sie versuchen sich mit dem Aufmarsch zu etablieren ? sowohl in der Stadt als auch innerhalb der Neonaziszene. In unserem Aufruf haben wir geschrieben: „In Münster haben es Nazis schwer, öffentlich aufzutreten. Hier gibt es viele antifaschistische und zivilgesellschaftliche Initiativen und Menschen, so dass die Neonazis im Alltag auf Widerstand stoßen. Wir wollen erst gar nicht, dass sich in Münster eine Nazi-Szene etabliert. Dort, wo sich Nazis erst einmal breit gemacht haben, stellen sie eine konkrete Gefahr für all jene dar, die nicht in ihr Weltbild passen.“ Wir wissen um die Bedeutung dieser Aufmärsche für die Szene und wie sehr es den Neonazis daran gelegen ist, zu marschieren. Deswegen wollen wir sie keinen Meter laufen lassen.
Fehlen die Erlebnisse von kollektiver Stärke und politischen Erfolgen, dann verliert so eine Neonazikameradschaft schnell an Attraktivität.
Problematisch ist, dass die „Nationalen Sozialisten Münster“ fest in der Szene im östlichen Ruhrgebiet integriert sind. Ohne die Unterstützung von Gruppen wie der „Kameradschaft Hamm“ hätten sie nicht die Möglichkeit einen Aufmarsch zu organisieren. Genau deswegen rufen antifaschistische Gruppen dazu auf, am 2. März, also am Vorabend des Aufmarsches, in Hamm zu demonstrieren. Unter dem Motto „Keine Homezone für Nazis ? ob in Parteien, freien Kräften oder am Stammtisch“ geht es um 19:45 Uhr am Bahnhof Hamm los.
Mehr im Internet:
Das Bündnis hat eine eigene Internetseite und twittert die neuesten Informationen rund um den 3.3.2012