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Muslimfeindlichkeit Angriffe sind jederzeit, an jedem Ort möglich, häufig betroffen sind Frauen

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Im Rahmen des Lagebildes wurden für das Jahr 2022 insgesamt 898 antimuslimische Vorfälle dokumentiert (Quelle: Kira Ayyadi)

Pauschale Verunglimpfung von Muslim*innen, Drohschreiben mit Hakenkreuzen und Schüsse gegen Moscheen oder gar Tritte in den Bauch einer schwangeren Muslimin: Spätestens mit dem rassistischen Gassenhauer des Autors Thilo Sarrazin, der rassistischen Hetze von Pegida („Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes“) und seiner Ableger und dann mit dem Einzug der AfD in die Parlamente hat sich antimuslimischer Rassismus in Deutschland etabliert. Die AfD richtet ganze Wahlkämpfe mit dem Fokus Hetze gegen den Islam und als Muslim*innen gelesene Menschen aus. Betroffene und Expert*innen warnen schon lange vor den Konsequenzen dieses schleichenden Gifts.

Mindestens zwei muslimfeindliche Vorfälle am Tag

Am Montag, dem 26. Juni 2023, wird die gefühlte hässliche Wahrheit mit Zahlen belegt. CLAIM, die Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit, veröffentlichte die Ergebnisse des ersten „Bundesweiten Lagebilds zu antimuslimischem Rassismus“. Im vergangenen Jahr ist es in Deutschland zu mindestens 898 antimuslimischen Vorfällen gekommen – das sind mindestens zwei an einem Tag. Die Dunkelziffer dürfte dabei noch weitaus höher liegen. Fast jeden zweiten Tag kam in Deutschland zu antimuslimisch motivierten körperlichen Übergriffen und Sachbeschädigungen. Ein überwiegender Teil der erfassten Vorfälle findet im öffentlichen Raum statt – also auf öffentlichen Plätzen, Straßen oder in Parks. Besonders erschreckend: Betroffen sind vor allem muslimische und als solche gelesene Frauen*, die auch in Anwesenheit ihrer Kinder beleidigt und sogar körperlich angegriffen werden.

Am häufigsten zählt CLAIM verbale Angriffe (58 Prozent), gefolgt von dokumentierten Diskriminierungen (22 Prozent) und berichtetem verletzenden Verhaltens (20 Prozent). „Jeder einzelne Fall kann psychische und finanzielle Auswirkungen auf das Leben von betroffenen Menschen und ihren Familien haben. Was sie tagtäglich in Deutschland erleben, bleibt der Mehrheitsgesellschaft oft unbekannt“, sagt Rima Hanano, Leitung von CLAIM.

Frauen und Kinder häufig angegriffen

Die Kategorie des verletzenden Verhaltens umfasst 71 Körperverletzungen, 44 Sachbeschädigungen, 3 Brandstiftungen sowie 49 sonstige Gewalttaten wie Störung der Religionsausübung. Zu beobachten ist, dass Frauen* auch in der Gegenwart von Kindern angegriffen wurden oder Schwangere in den Bauchraum getreten oder geschlagen wurden. Kinder und Jugendliche werden ebenfalls häufig angegriffen – von Erwachsenen.

„Beratungsstellen berichten unter anderem mit Blick auf den Schulkontext, dass das Verhalten von als muslimisch markierten Jugendlichen sehr häufig kulturalisiert und schnell als aggressiv und auffällig eingestuft wird“, so Güzin Ceyhan, Bereichsleitung Monitoring bei CLAIM. „In vereinzelten Fällen berichten Stellen, dass weitreichende Maßnahmen wie das Einberufen von Klassenkonferenzen ergriffen werden und antimuslimische Narrative und Zuschreibungen die Einstufung des betroffenen Kindes als ‘Problemkind‘ prägen.“

Abschlussbericht des unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Am Donnerstag, dem 29. Juni, legte zudem der unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit nach drei Jahren Arbeit seinen Abschlussbericht „Muslimfeindlichkeit – Eine deutsche Bilanz“ vor. Der frühere Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte das Gremium im September 2020 unter dem Eindruck der rassistischen Anschläge von Hanau einberufen. Der Personenkreis aus Wissenschaftler*innen und Mitarbeiter*innen aus Verbänden erstellte auf Grundlage von Studien, Kriminalstatistiken und Antidiskriminierungsstellen ein gesellschaftliches Lagebild zur Muslimfeindlichkeit auf.

Als muslimfeindlich wird hier die Zuschreibung pauschaler, weitestgehend unveränderbarer, rückständiger und bedrohlicher Eigenschaften gegenüber Muslim*innen und als muslimisch wahrgenommenen Menschen definiert. Dadurch würde eine Fremdheit und Feindlichkeit konstruiert.

Laut Untersuchungen stimmten etwa jede beziehungsweise jeder Zweite muslimfeindlichen Aussagen zu. Vorurteile gegen Zuwanderer*innen und Muslime als Anhänger*innen einer angeblich besonders „rückständigen“ Religion überschnitten sich, Betroffene würden gleich doppelt stigmatisiert. Muslimische Frauen berichteten, dass sie als nicht selbstbestimmt wahrgenommen würden, muslimische Männer wiederum erzählen, sie würden als aggressiv und gewalttätig wahrgenommen.

In der Mitte der Gesellschaft

Muslimfeindlichkeit stelle „kein isoliertes Phänomen dar“, sondern ist „Teil einer demokratiefeindlichen Ideologie ist, die sich nicht allein gegen Muslim*innen wendet, sondern gegen die Grundlagen der liberalen Demokratie insgesamt“, so die Autor*innen. Muslimfeindliche Ressentiments stoßen zudem auf große Resonanz und haben so Anknüpfungspunkte in die Mitte der Gesellschaft.

Auch Rima Hanano, Leitung von CLAIM, schlussfolgert, dass antimuslimischer Rassismus ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, das „die Mitte der deutschen Bevölkerung betrifft.“ Und die Autorin Ferda Ataman schreibt im Lagebild: „Antimuslimischer Rassismus reicht bis weit in die Mitte der Gesellschaft.“

Antimuslimische Einstellungen ist weit verbreitet

Nicht mehr nur Alice Weidel und ihre in großen Teilen rechtsextremen Parteifreund*innen beleidigen auf öffentlichen Bühnen Muslim*innen. Auch der Unions-Vorsitzende Friedrich Merz tut das. Jeder zweite Mensch in Ostdeutschland stimmt der Aussage zu, Muslim*innen solle die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden, so eine aktuelle Studie des EFBI, die am Mittwoch, dem 28. Juni, veröffentlicht wurde.

Das Problem des antimuslimischen Rassismus ist also riesig. Und scheinbar gesellschaftlich akzeptiert.

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