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„Mut zur Wahrheit“ Wie das „Compact“-Magazin die Beatles als Satanisten verkaufen will

Noch Jahrzehnte nach ihrer Auflösung sorgen die Beatles für Schlagzeilen: So hat Paul McCartney einen neuen Song der Band angekündigt, der mit Hilfe KI-basierter Technik fertiggestellt werden soll. Auch als Feindbild müssen die Beatles bis heute herhalten. Das rechtsradikale „Compact-Magazin“ versucht sie als Satanisten zu verkaufen, um Auflage zu machen und gegen die „Neue Weltordnung“ sowie „Gender“ zu wettern. Ein Text von Patrick Gensing.

 
Mut zur Wahrheit? „Compact“ hatte den Leser*innen ein manipuliertes Bild präsentiert (Quelle: Screenshot)

„Satanische Beatles: 10 entlarvende Aussagen“ – eine Schlagzeile wie aus dem Lehrbuch für Klickhuberei: Der Begriff satanisch springt ins Auge, die Kombination mit der weltbekannten Band simuliert Relevanz, das Adjektiv „entlarvend“ gaukelt Exklusivität vor. Damit es bequem, übersichtlich bleibt, präsentiert „Compact“ das Ganze in zehn Punkten. Listenformate, der Klassiker für Zeitersparnis beim Schreiben und Lesen. Denn Aufmerksamkeit und Zeit sind Mangelware im rechten Kulturkampf.

In den „entlarvenden Aussagen“, behauptet, „Compact“ beispielsweise, in dem Song ‚Lucy In The Sky With Diamonds‘ verweise John Lennon „möglicherweise auf Luzifer“. Der Publizist Peter Kemper erläutert im Gespräch, die Mutmaßung sei lächerlich: „Der Name Lucy in dem Lied bezieht sich mitnichten auf Luzifer, sondern auf die Kindergarten-Freundin von Lennons Sohn Julian, Lucy O’Donnell. Die hatte Julian eine Zeichnung geschenkt. Als der sie seinem Vater zeigte, erklärte Julian: Das ist ‚Lucy in the skies with diamonds“. Eine Kindergarten-Freundschaft also, kein Satanismus – dafür eine Recherche aus der Hölle.

Reaktionäre Anfeindungen

Auch ein Zitat Lennons, das „Compact“ für seine steilen Thesen bemüht, lässt Kemper nicht als Indiz für Satanismus gelten. Die inkriminierte Aussage von Lennon lautet: „Wir, die Beatles, sind jetzt beliebter als Jesus“. „Compact“ wertet dies kurzerhand als „entlarvende Aussage“. Kemper meint hingegen, damit sei eben nicht gesagt, dass die Beatles besser, größer oder wahrer als der Gottessohn seien. „Lennon kommt vielmehr zu dem analytischen Verdikt: Die Popularität der Beatles ist in seinen Augen 1966 unter Jugendlichen – das war immer seine Zielgruppe! – größer als die von Jesus.“

Trotz einer Klarstellung von Lennon hatten private Radiosender in den USA zur öffentlichen Verbrennung von Beatles-Platten aufgerufen; doch die kurzzeitig hochgekochte Volksseele habe sich schnell wieder beruhigt, sagt Kemper, der Bücher über die Band selbst und John Lennon verfasst hat. Dies zeigt die Kontinuitäten der reaktionären Anfeindungen gegen die Band, die Jugendliche weltweit erreichte. Mit ihrem „unerhörten Beat sorgten sie für einen elektrischen Funkenflug, der bei Teenager unmittelbar einen Flächenbrand der Gefühle auslöste“, meint Kemper. Ihr triumphierender „Yeah, Yeah, Yeah“-Hedonismus habe „nicht nur das verknöcherte britische Königreich in seinen Grundfesten erschüttert, er traf ins Herz einer sich weltweit formierenden Jugendkultur“.

Lennon als angeblicher Vertreter der NWO

Grund genug für Reaktionäre, die Beatles für die eigenen ideologischen Feindbildkonstruktionen zu nutzen. In einem „Compact“-Video zu der Beatles-Story wird deutlich, warum sich die Rechtsaußen noch heute an der Band abarbeiten: Dort wird die Band mit Geheimdiensten in Verbindung gebracht, die von Rechten verhasste Frankfurter Schule taucht auf, von Kulturmarxisten ist die Rede, und auch der Begriff „Identitätspolitik“ darf nicht fehlen. Ebenfalls sei die Sache mit „Gender“ damals losgegangen, durch lange Haare bei Männern beispielsweise, weiß Chefredakteur Jürgen Elsässer – früher selbst gerne mit Matte unterwegs – beizutragen.

Außerdem sei John Lennon wohl von der CIA aus dem Weg geräumt worden, möglicherweise sei der Attentäter hypnotisiert worden, um den Mord an Lennon durchzuführen, wird geraunt. Elsässer behauptet dann noch, Lennon sei einer der ersten Vertreter der „Neuen Weltordnung“ gewesen und damit sehr wertvoll für die Eliten gewesen. Warum er dann von der CIA beseitigt worden sein soll? Man ahnt es nicht.

Dieses mehr als halbstündige Bullshit-Bingo-Video für Verschwörungsanhänger*innen hat bereits mehr als 60.000 Abrufe auf YouTube erreicht, zudem liegt „Compact“ an vielen Kiosken aus und auch online erreicht es Tausende Nutzer*innen. Zudem stehen die Inhalte in dem Magazin des ehemaligen Linksradikalen Elsässer pars pro toto für eine ideologische Strömung rund um die AfD, die Rekordwerte in Umfragen erreicht und die Struktur von Verschwörungslegenden als allgemeingültiges Welterklärungsmuster nutzt. Das zeigt sich auch an den Titeln des „Compact-Magazins“: Krieg in der Ukraine, Heizungsgesetz, Transhumanismus oder Rammstein-Skandal: Das Rechtsaußen-Magazin inszeniert sich als Aufklärer mit „Mut zur Wahrheit“, die aber dann vor allem aus Geraune besteht, frei nach dem Motto: „Recherche ist Meinungsschwäche“.

So auch im Fall der Beatles. Sogar ein manipuliertes Foto benutzt „Compact“ zur Bewerbung der „Geheimakte Beatles“. Es zeigt die Band, wie sie umgedrehte Kreuze hält. Eine Montage. „Compact“ hatte zunächst unter das manipulierte Bild geschrieben: „Die Beatles Mitte der 1960er Jahre: Posieren mit umgedrehten Kreuzen.“ Nachdem Leser*innen in Kommentaren auf den Fake hingewiesen hatten, passte „Compact“ die Bildunterschrift an, allerdings ohne Hinweis auf die Korrektur: „Die umgedrehten Kreuze wurden zwar hineinmontiert, passen aber gut zu den dokumentierten Aussagen.“ Na dann.

„Unfug“

Was bleibt also von der Behauptung, die Beatles seien mit dem Teufel im Bunde gewesen, wie „Compact“ es verkündet? „Mir ist kein einziger Fall bekannt, in dem sich die Beatles als Band oder eines ihrer Mitglieder für Satanismus interessiert hätte“, stellt Beatles-Kenner Kemper klar und spricht von „Unfug“.

Man könne den Beatles allenfalls ein spirituelles Interesse nachsagen: durch den experimentellen Zeitgeist beflügelt. Die Beatles stünden „für eine positive Kultur der Aufklärung und Selbstermächtigung“. In den Fab Four bündelten sich die Verheißungen einer ganzen Ära: die Studentenrevolte, die sozialen Befreiungsbewegungen Ende der 1960er, der „Summer of Love“, hochfliegender Idealismus und ein überwältigendes Gefühl von Grenzenlosigkeit, von erhebender Universalität.“ Die Band sei immer emanzipativ gewesen, betont Kemper. Genau das hat sie erfolgreich gemacht, genau das triggert Reaktionäre – bis heute.

 

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