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Mystische Menschenfeindlichkeit Zwischen rechten Aussteiger*innen, Landsitzparadiesen und Reichsideologie

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(Quelle: Unsplash)

Er nennt sich „König von Wedenland“ und will ein „Lichtreich“ erschaffen. Seinen Kampf gegen „Dunkelmächte“ führt er mit „liebevollen Geistwesen“. „Es geht bei meinem Streben, als Staatsmann, in meinem Leben vor allem nun auch vermehrt darum, liebenswerte Geschwisterseelen vor der vollständigen Auflösung zu bewahren, dem sogenannten Tod!“ schreibt Thomas Patock in einem seiner zahlreichen Pamphlete.

Sein „Reich“ hat der Mann aus Munster am Rande des Truppenübungsplatzes in einem winzigen Ortsteil von Faßberg (Landkreis Celle/Niedersachsen) errichtet. In Gerdehaus wollen Patock und seine Mitstreiter*innen einen „Familienlandsitz“ nach den Anastasia-Büchern des russischen Autoren Wladimir Megre aufbauen. Über Telegram informiert er Interessierte. Auf der Lichtung im Wald stehen ein kleines Haus, einige Hütten, Bauwagen, Schuppen, ein Gewächshaus – sie nennen ihren Landsitz „Arvids Gutshof“ oder einfach „Wedenland“. Hühner laufen herum. Eingesperrte Hunde kläffen. Einem Wohnraum in schwindelnder Höhe fehlen die Außenwände. Es gibt eine Bar und einen Kaffee-Tresen. Kinder spielen im Matsch.

Heidnisches Fest mit Querdenken und Hakenkreuz

In der ausgebauten Holzscheune finden heidnische Feiern und spirituelle Konzerte statt. Häufig werden Gäste aus der Region und über das Netz geladen. Zum 1. Mai 2019 veranstaltete Patock das „Siegesfest der Sonne“ („Beltane“) mit ganz besonders berühmten Schauspielern und Musikern, wie es in der Einladung hieß. Mit dem „Beltane“-Fest wird nach heidnischem Brauch der Sommeranfang gefeiert. Angekündigt wurde Dieter Strobel aus Bremerhaven, er ist der „Barde“ der deutschen Anastasia-Bewegung, hat sie mit aufgebaut. (Auch Thomas Patock und seine Partnerin, eine Lehrerin, singen. In einem Lied mit dem Titel „Die 5 Gottheiten“ heißt es: „Du bist so eine umstrittene Figur, dabei ist Deine Liebe überwältigend zur Natur, beinahe unübertrumpft in dieser Welt, doch man betrachtet Dich nicht hier als Held.“) Am 25. Juni 2022 war Eloas min Barden alias Jens Lachenmayr aus Augsburg zu Gast in Faßberg. Lachenmayr ist ein Liedermacher, der sich im politischen Spektrum von „Querdenken-711“ bewegt, aber auch Sympathien für die russische „Familienlandsitz“-Bewegung zeigt. In einem Video ist der gemeinsame Auftritt mit Patock zu sehen. Dieser tritt mit einem samtenen Tuch über dem Kopf auf die Bühne, tanzt wild, wirbelt herum. Genau zwischen den beiden Männern hängt im Hintergrund ein selbstgemaltes Bild, darauf prangt ein verschnörkeltes Hakenkreuz.

In einer vermeintlich höheren, geistigen Welt mit schwärmerischer Attitüde Bezüge zum Deutschen Reich oder zum Nationalsozialismus vorzufinden, ist nicht unüblich. Runen und heidnische Symbole finden Verwendung, dienen auch der Provokation. Thomas Patock, Jahrgang 1971, hat die Grenzen des Zumutbaren längst überschritten. 2017 wurde er vom Amtsgericht Soltau wegen Volksverhetzung zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Der selbsternannte „König von Wedenland“ schwadroniert nicht nur von dunklen Mächten und Priestern, die die Menschen versklaven wollen, sondern zitiert auch den nationalsozialistischen Dichter Erich Limpach: „… Und wenn im Schlachtenwehen der letzte Deutsche fällt, wird mit ihm untergehen blutrot das Herz der Welt.“ Sein Bruder, der gemeinsam mit ihm auf dem „Landsitz“ Gäste empfängt, ist eigenen Angaben zufolge ehemaliger Feldjäger der Bundeswehr. Im Sommer 2022 beteiligte er sich an einer AfD-Kundgebung in Uelzen, rät bei Facebook allerdings zum Nichtwählen. Am 25. August 2022 heißt es in einem Posting: „Glückwunsch an die vielen Wähler der Volksausbeuter. Ein Kampf der sehr bald vom Volk gewonnen wird.“ Kontakt halten Patocks auch zu Mitgliedern einer völkisch-nationalistischen „Sippe“ aus der Lüneburger Heide sowie zu einer freien Schule, die sich Impfen und Masken verweigert. „Wir befürchten, dass sich in Faßberg inzwischen eine rechtsextreme Szene trifft und in der Ecke langfristig auch festsetzt“, sagt Wilfried Manneke, Sprecher des Südheide-Netzwerks gegen Rechtsextremismus, im Hinblick auf den Ausbau des „Wedenland“-Gutshofs. Bundesweit nehmen die Landsitzgründungen, orientiert an der zehnbändigen Anastasia-Buchreihe, zu. Sie nennen sich „WedenHain“, „Talmühle“ oder „Schloss Neundorf“. Liegen zumeist abgelegen auf dem Lande. Wegen auffälliger völkisch-nationalistischer Verbindungen wurden vor allem das „Goldene Grabow“ in Brandenburg und „Weda Elysia“ in Sachsen-Anhalt bekannt.

Von Herrscher- und Reichsphantasien

„Ich bin nicht derjenige, der das 3. Reich fortführen will, wie es die BRD GmbH womöglich bis zur Übernahme getan hat, sondern ich bin der, der das Deutsche Reich durch eine konstitutionelle Monarchie hat wieder auferstehen lassen.“ Thomas Patock ist in mehreren Telegram-Kanälen aktiv, präsentiert sich politisch, aber vor allem friedliebend und hippieesk in Interviews und Auftritten. Hinter den wirren Gedankengerüsten des schlanken Mannes mit dem geflochtenen Bart und den zotteligen langen Haaren verbirgt sich politische Reichsideologie. „Am 28.01.2011 ist Dr. Thomas von Wedenland unter anderem das Erbe des DEUTSCHEN REICHES angetreten. Damit ist die Verwaltungshoheit auch über das gesamte Deutsche Reich in seinen Ländergrenzen von 1937 in kaiserlichen Händen.“ Mit Aussagen wie diesen kennzeichnet der Niedersachse eine souveränistische Position, wie sie zum Beispiel auch Jürgen Elsässer, Mitherausgeber und Chefredakteur des extrem rechten „Compact“-Magazins vertritt. Es wird unterstellt, die Bundesrepublik Deutschland sei ein besetztes, unsouveränes Land und stände unter vermeintlich jüdischer Fremdherrschaft. Der Hamburger Journalist Andreas Speit spricht in seinem Buch „Reichsbürger – Die unterschätzte Gefahr“ von einem durchaus auch gewalttätigen „Untermilieu“ von rechten Selbstverwaltern und braunen Staatengründern. „Die persönliche Souveränität sowie die des eigenen Staates muss in letzter Konsequenz durch Waffengewalt gesichert werden“, warnt Speit. Noch vor Jahren galten sogenannte Reichsbürger*innen wie Patock als einzelgängerisch, bis heute schätzen die Verfassungsschutzbehörden die überwiegende Zahl nicht als eindeutig rechts ein. Eine Verharmlosung, die der weiteren politischen Vernetzung und Radikalisierung Vorschub leistet. Seit 2016 in Bayern ein Polizist von einem erschossen wurde, werden „Reichsbürger“ in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr nur als „Fantasten“ oder „Irre“, sondern als ernsthaft gefährlich betrachtet. Die Generalbundesanwaltschaft ermittelt wegen Terrorverdachts gegen mehrere Untergrundgruppen. Längst konnten sich Akteure mit Impfgegner*innen, Corona-leugnenden Esoteriker*innen, antisemitischen Verschwörungsideolog*innen und Rechtsextremen verbünden. Ihnen ist gemein, die Bundesrepublik für einen Unrechtsstaat zu halten, aggressiven Widerstand als legitim zu kennzeichnen.

Es hat sich innerhalb der Gesellschaft eine Protestbewegung gebildet, die reaktionäre und antiemanzipatorische Traditionen in alternativen Milieus hoffähig macht. Berührungsängste nach rechts sind aufgeweicht. Bei den Massendemonstrationen in Berlin und Leipzig 2022 wehten Regenbogen-Fahnen neben russischen oder denen des Deutschen Reichs. Eine Radikalisierung innerhalb von Kleinststrukturen, mit selbsternannten Staatengründern, die ihr Anwesen verteidigen, wird teils durch strategische PR à la Peter Fitzeks „Königreich Deutschland“ (KRD) ersetzt. Fitzek und seine Anhängerschaft laden sich Medien und Sympathisant*innen auf ihr sächsisches Schloss ein. Früh vermischten sich auch hier Reichsideologie und völkische Anastasia-Bewegung. Fitzek bewarb persönlich 2017 auf dem KRD-Blog deren russische Schetinin-Schule. Heute locken unzählige Gruppen mit rebellischen Widerstands- und Umsturzgedanken über Telegram-Kanäle diejenigen an, die staatliche Autorität ablehnen und auf der Suche nach neuen Anführer*innen und Expansion sind.

Arischer (T)Raum

Die rechtsextreme Landnahme hat viele Gesichter, hinter denen sich unterschiedliche Strategien verbergen. Die einen träumen wie der langjährige Neonazi Steffen Hupka in seinem 2011 erschienenen Buch „Neue Wege“ von einem autarken „Wehrdorf“, andere bemühen sich wie die NPD um eine Politik der Akzeptanzgewinnung und sprechen von „nationaler Graswurzelarbeit“. Für viele hat das berüchtigte Dorf Jamel in Mecklenburg-Vorpommern Vorbildcharakter, weil es fest in rechtsextremer Hand ist. Oder sie orientieren sich an der eher asketischen Lebensweise der völkischen Neo-Artamanen im Raum Güstrow.

In puncto nachhaltiger Einflussnahme sind auch die bündisch-völkisch orientierten Familienverbände, die „Sippen“, nicht wenig erfolgreich. Ihre Siedlungsnetzwerke erstrecken sich über nahezu jedes Bundesland. In der Bundesrepublik hängen tausende Völkische seit Jahrzehnten einer nationalistischen Ideologie, einem elitären Geist und einem rückwärtsgewandten Lebensstil an. Die meisten sind gebildet und sehr musikalisch. Vorzeigedeutsche. Doch sie pflegen nicht einfach Tradition, sondern elitäres Volkstum. Seit dem ersten deutschen Anastasia-Festival 2014 auf der Burg Ludwigstein sind sie mit Volkstanz, deutschem Liedgut und historischer Handwerkskunst Lehrmeister*innen der rechten Esos. Denn vaterländische Interessen hegt auch die lange vom russischen Staatspräsidenten Putin protegierte „Familienlandsitz“-Bewegung. Zigtausende folgen in unzähligen Telegram-Gruppen der von Wladimir Megre geprägten Version vom Ausstieg aus der Gesellschaft. Eine Expansion der Anastasia-Bewegung birgt die Gefahr, dass sich nicht nur autarke rechte Selbstversorgerhöfe bilden, sondern diese sich zugleich als Wehrgemeinschaften verstehen. Auch hinter Thomas Patocks Ansage, „Anastasias Träume und Wünsche“ erfüllen zu wollen, verbirgt sich durchaus ein Hegemonialanspruch im vorpolitischen Raum. Denn hinter der Buch-Anthologie und den slawischen „Weden“ verbirgt sich nichts anderes als ein Synonym für Arier. Der ewige Traum vom privilegierten weißen Volk.

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