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Nach dem Sturz von Assad AfD auf Strategiesuche

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Der Sturz des syrischen Dikators ist ein Grund zum Feiern. Auch für die AfD? (Quelle: picture alliance/dpa | Bodo Marks)

Ob er die sprichwörtlichen Sektkorken auch knallen lasse, wie viele Menschen, die vor dem Diktator Assad auch nach Deutschland geflohen seien, wollte die Moderatorin vom ARD-Magazin „Bericht aus Berlin“ von Co-Parteichef der AfD, Tino Chrupalla, am Sonntagabend wissen. Schon seine Gesichtszüge verrieten, dass bei ihm und der AfD scheinbar wenig Freude über den Sturz des syrischen Massenmörders aufkommt. Er mache sich viel mehr Sorgen, sagte Chrupalla. Das verwundert nicht – aus mehreren Gründen: Assad stand bis zu seinem Sturz hinter Putin auf Platz zwei, , des inoffiziellen AfD-Rankings der beliebtesten amtierenden Diktatoren. Jahrelang versuchte die AfD enge Beziehungen zum Assad-Regime aufzubauen und Syrien als sicheren Herkunftsstaat zu framen. Mit der Machtübernahme der Dschihadisten könnte Narrativ ins Wanken geraten.

Syrien-Freundschaftsbesuche: Ideologie und Berechnung

Die AfD sucht spätestens seit ihrem ersten Einzug in den Bundestag im Jahr 2017 die Nähe zu Assad und seiner Machtclique. Schon im März 2018 reiste eine AfD-Delegation nach Syrien, um Assads Terrorregime die Aufwartung zu machen und auszuloten, inwiefern syrische Geflüchtete in ihr Herkunftsland abgeschoben werden könnten. Während die AfD sich damals noch bemühte, in Deutschland das Image als „pro-jüdischste und pro-israelischste Partei im Bundestag“ zu etablieren, spielte dies bei wichtigen Auslandsbesuchen, wie in Syrien, keine strategisch große Rolle.  Der NRW-Landtagsabgeordnete Christian Blex traf sich unter anderem mit dem syrisch-orthodoxen Christen und Sprecher des syrischen Volksrates Hammouda Sabbagh und prahlte anschließend auf Twitter von dem Zusammentreffen. Dass dieser, wie wohl nahezu alle ranghohen Mitglieder des Assad-Regimes, Antisemit ist, störte Blex augenscheinlich kein bisschen. Sabbagh hatte erst sechs Wochen vor dem Treffen in Teheran verkünden lassen: „Der Krebs-Tumor Israel muss entfernt werden“.

Auch danach führte die AfD die engen Beziehung zum Assad-Regime fort. So reiste am 19. November 2019 eine Delegation von mehreren AfD-Bundestagsabgeordneten erneut nach Syrien zu politischen Gesprächen. Syrien wurde fortan zu einem beliebten Reiseziel für AfD-Politiker. Im Mai 2022 waren der Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp und Jean-Pascal Hohm, der Vorsitzende der AfD Cottbus, nach Syrien. Auch Regionalpolitiker der rechtsextremen Partei wie  der Kreisvorsitzende in Stade, Maik Julitz und Mitarbeit von AfD-Bundestagsabgeordneten besuchten das Bürgerkriegsland Einige Identitäre haben sogar in einem christlich geprägten Dorf in Syrien ein „Bullerbü für Rechtsextreme“ aufgebaut.

Mit ihren auf Social Media zum Teil gut beworbenen Reisen verfolgte die AfD gleich mehrere Ziele: Sie wollte Syrien als sicheren Herkunftsstaat framen, um in Deutschland Druck aufzubauen massenhaft Geflüchtete abzuschieben. Zudem wollte sich die Partei durch eine die Nähe zu Assad politisch aufwerten und mit einem geplanten Flüchtlingsdeal unter Beweis stellen, dass die AfD nicht nur redet, sondern handelt. Schon im Oktober 2018 schrieben fünf AfD-Abgeordnete einen Brief an den syrischen Diktator Assad. Sie baten um eine Audienz, um die „geordnete Rückführung von Syrern“ zu besprechen. Zuerst sollte diese in Russland für in Syrien notwendige Berufe ausgebildet werden. Ziel sei es zudem gewesen, den Abbau der westlichen Sanktionen gegen Syrien und Russland zu erreichen. Ein Deal mit Hilfe zweier Massenmörder – Putin und Assad. Die AfD ganz in ihrem Element.

Nach Assad-Sturz – Die angepasste AfD-Strategie

Doch jetzt ist Assad gestürzt und als Geflüchteter und nicht mehr als Staatschef in Moskau. Die nächsten Tage werden zeigen, wohin sich Syrien entwickelt. Davon wird die AfD auch ihre Strategie im Wahlkampf abhängig machen. Wohin die Reise geht, zeichnet sich jetzt aber schon ab.

Mit dem Fall von Assad und der Übernahme der Macht durch Dschihadisten ist der Plan der AfD erst einmal durchkreuzt, Syrien als sicheren Herkunftsstaat darzustellen. Im erwähnten „Bericht aus Berlin“-Interview sagte Chrupalla, die Lage in Syrien sei jetzt völlig unübersichtlich. Er hoffe auf Stabilität, damit keine „neuen Flüchtslingsströme nach Deutschland kommen“. Zu instabil und unübersichtlich, um nach Syrien abzuschieben, scheint es für die AfD hingegen nie zu sein.  Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke ist sich nicht zu blöd zu fordern, dass jetzt die Rückkehr nach Syrien „Menschenpflicht“ sei. Der AfD-Europaabgeordnete Tomasz Froelich schreibt: „Der Großteil der Syrer hierzulande ist laut eigenen Angaben vor Assad geflohen. Mit dem Ende der Ära Assad wird dieser Fluchtgrund obsolet. Das heißt: Remigration!“. Nahezu Wortgleich äußert sich auch die ehemalige Landesvorsitzende der AfD Brandenburg Birgit Bessin. Co-Parteichefin Alice Weidel gibt die „Gemäßigte“, denn sie nutzt nicht das Wort „Remigration“, sondern fordert die Menschen aus Syrien via X nur dazu auf „umgehend nach Syrien zurückzukehren“.

Schon im Entwurf des Programms zur Bundestagswahl 2025, vor der Machtübernahme der Dschihadisten geschrieben, wirbt die AfD für eine „Rückführungsoffensive“ nach Syrien. Daran wird die Partei festhalten, egal wie die Lage in Syrien ist, egal wer an der Macht ist. Und wen die AfD sich nach Assad wünscht, das formuliert Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD zur Europawahl 2024, auf X: „Im besten Fall ein religiöses, aber immerhin stabiles Regime ähnlich dem Iran (nur sunnitisch)“. Nach dem Terrorregime von Assad, jetzt also ein Terrorregime á la Teheran.

Die AfD steht aber auch vor einem Dilemma. Sie braucht syrische Geflüchtete in Deutschland. Sollten jetzt viele freiwillig nach Syrien zurückkehren, hätten die Rechtsextremen ein Problem. Ihr wichtigstes Wahlkampfthema würde an Bedeutung verlieren. Daher nutzt die AfD die Gunst der Stunde mit den vielen Unklarheiten, was in Syrien passiert, um ihren besten Wahlkampfschlager neu aufzulegen. Sie verbreitet, dass genau das Gegenteil passiert. Die nach Deutschland geflüchteten Syrer*innen werden bleiben und jetzt kommen auch noch die Assad-Anhänger*innen. Eine neue Massenflucht stehe bevor. Der Bürgerkrieg zwischen Assad-Anhänger*innen und den Gegner*innen werde nun auf deutschen und europäischen Straßen ausgetragen. Auch der AfD-nahe österreichische Rechtsextremist Martin Sellner verbreitet diese Sicht der Dinge und nutzt die Geschehnisse in Syrien, um erneut zu behaupten, dass nie um Flucht ginge, sondern „Eliten“ nun den nächsten Schritt beim „Bevölkerungsaustausch“ in Europa vollzögen, um die weißen Europäer*innen durch Menschen aus Nahost und Afrika „auszutauschen“. Es ist egal was auf der Welt passiert, die Verschwörungserzählungen der extremen Rechten sind vielleicht sprachlich auf die aktuelle Situation angepasst, inhaltlich sind es die gleichen wie vor 100 Jahren. Das zeigt sich in diesen Tagen wieder deutlich.

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