Wer bei Pinterest auf die Suche klickt, bekommt Vorschläge wie „Abschiedsgeschenk Kindergarten“, „Hochzeit Ideen“ oder „Geburtstag Spruch“. Pinterest beschreibt sich auf Google denn auch mit „Entdecke Rezepte, Einrichtungsideen, Stilinterpretationen und andere Ideen zum Ausprobieren.“ Es öffnet sich eine Welt der Ideen und Vorschläge, die hübsch und stylisch sind, freundlich und einladend. Wenn es einen Inbegriff von vorpolitischem Raum gibt, also einem Raum, in dem politische Themen nicht zu erwarten sind und auch keine Rolle zu spielen scheinen, dann ist das Pinterest. Tiere, Hochsteckfrisuren, schnittige Autos, beste Fotos aus Lieblingsserien – hier gibt es vieles, was Menschen Freude macht.
Aber auch hier gibt es Menschen, denen Hass Freude macht, die Abwertung anderer aufgrund von Gruppenzuschreibungen wie Rassismus und Islamfeindlichkeit, Hetze gegen Geflüchtete, Politiker- und Elitenschelte, Hass auf “Gutmenschen” und Beweisführung im Sinne von Verschwörungstheorien. Weil Pinterest ein Netzwerk ist, das vor allem mit Fotos und Videos arbeitet, wirken diese hasserfüllten Grafiken und Memes mit schreienden Großbuchstaben in geballter Form, recht belastend für den nicht-rechtsaußen agierenden Betrachtenden.
Inhaltlich Neues gibt es hier allerdings nicht. Pinterest ist ein Netzwerk zum Sammeln, und so sammeln Männer und Frauen hier Bildinhalte, die sie bei Facebook, Twitter, Youtube oder auf entsprechenden Websites gefunden haben, von der AfD, von den Identitären, von Verschwörungstheoretikern, von rechtsextremen und rechtspopulistischen Hetzblogs. Manches ist rüder als in anderen Netzwerken: Die Hetze gegen Geflüchtete arbeitet hier auch mit mehr oder weniger pornografischen Bildern von „deutschen“ oder „europäischen“ Frauen, die angeblich von lüsternen Geflüchteten bedroht werden, vor allem aber vor den Augen des Betrachtenden entblößt werden. Solche Bilder würden bei Netzwerken wie Facebook schon als Pornographie gelöscht. Pornographie ist – übrigens als einziges Thema explizit genannt – laut „Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)“ auch auf Pinterest verboten, offensichtlich wird die Verfolgung aber lässiger gehandhabt. Während andere in Amerika basierte Netzwerke zumindest einen Passus in den AGBs haben, dass „Diskriminierung“ nicht erwünscht sei – sogar das russische, von deutschen Nazis gern genutzte VK-Netzwerk hat einen solchen Absatz – sucht man in den Pinterest-„Terms of services“ danach vergeblich.
Und so sammeln auf Pinterest Menschen unbehelligt Hass-Postings und wirken dabei wie eine Manifestierung und Illustration von „Pegida“-nahen Besorgtbürger_innen: Hass als Hobby zwischen vielen.
„Eriks“ Hobby: Kampf gegen den Islam (Quelle: Screenshot Pinterest)
„Ronny“* etwa sammelt „Lecker Rezepte“, „Praktisches“, „Ärmeltätowierungen“, „Gärtner“, „Hund“ und „Geil“ – und „Geil“ sind dann schlechte Witze ebenso wie Videos von Missgeschicken und Hass gegen „Gutmenschen“. „Erik“ ist expliziter: Er sammelt „Movie“, „Schutzengel“, „Hundesprüche“ und „Deutschland zuerst“. Selten wurde Hass so profan zwischen anderen Aktivitäten als vermeintlich akzeptables Hobby präsentiert.
„Steve“* (Profilbild „Guy Fawkes“-Maske mit dem Spruch „Auch Dich belügen sie“) sammelt „Politisch unkorrektes“ zwischen den Ordnern „Alternative für Deutschland“, „Star Wars“, „Lustig“, „1. FC Köln“, „Bear Grylls“, „Herr der Ringe“ und „Captain Future“ (unter anderem). In seinem Ordner „Politisch Unkorrektes“ liegt vor allem Hetze gegen Muslime, gegen die SPD und die Grünen. Oben ist einen Hund vor einem unscharf gestellten Hitler-Darsteller zu sehen mit dem Satz „SÜSSE HUNDEWELPEN DARF MAN JA WOHL NOCH POSTEN ODER ?“ (Capslock im Original).
Selten wurde Hass so profan zwischen anderen Aktivitäten als vermeintlich akzeptables Hobby präsentiert (Quelle: Screenshot Pinterest)
Bei „Mischp…“* sehen wir unter anderem „Kinder: Geburtstag“, „Backideen“, als Hobbys Stempeln, Filofax und Notizbücher aufhübschen, Washi Tapes und Bücher lesen, Fimo, Fotografieren und „Revolution“ – und die geht hier sehr deutlich gegen die Demokratie, gegen den „großen Austausch“, „Political Correctness“ und die angebliche Ablösung des Weihnachtsmannes durch einen entchristlichten Zipfelmützenmann. Viele ihrer Pinterest-Freunde werden dies vermutlich erst einmal gar nicht bemerken. Manchmal wird auch verschleiert beziehungsweise umetikettiert. Bei „Nico…“ * läuft etwa Hetze gegen Geflüchtete unter „Feminismus“.
Es gibt aber auch komplett einschlägige Profile wie das von Sven*: Seine Ordner heißen u.a. „Flache Erde“, „Evolutionslüge“, „New World Order“, „Mond- und Marslandung“, „Feindbild Russland“, „Chemtrails“, „Lügenpresse“, „Alternative Medien“, „Genderwahnsinn“ – wie aus dem rechten Verschwörungs-Lehrbuch.
Dieser User glaubt an Chemtrails (Quelle: Screenshot Pinterest)
Bisher ist das Rechtsaußen-Pinterest allerdings ein Biotop für Alltagsrechtsextreme und Alltagsrechtspopulisten: Die organisierte Szene kommt hier nur als Zitat vor. Die AfD hat zwar ein Profil, ebenso NPD-Chef Frank Franz, allerdings in beiden Fällen ohne Inhalte einzustellen oder zum mögen. Die „Identitären“ sind nicht da, von „Pegida“ hat nur der Ableger „Pegida UK“ ein Profil angelegt („Beautiful United Kingdom“, „Different Religions“, „Positive Quotes“, „Worldwide Sunrises“, „A Peaceful Religion“, „Je suis Pegida“). Gegenrede gibt es allerdings auch kaum: Hier gibt es eben auch kaum Text. Anti-Nazi-Bildsammlungen existieren auf Pinterest natürlich auch, aber unter anderen Hashtags.
Hass als Hobby (Quelle: Screenshot Pinterest)
Die Rechten auf Pinterest sind eine Minderheit – aber bisher offenbar äußerst ungestört. Als unpassend empfundene Inhalte können zwar gemeldet werden, aber für Hasspostings gibt es bisher keine Kategorie. Rechtliche Ansprechpartner in Deutschland hat das in Kalifornien beheimatet Unternehmen offenbar ebenfalls nicht. In den deutschen Erklärungen zu den „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ heißt es: „Die Bay Area ist zu dieser Jahreszeit wunderschön. Und das beste dabei ist, dass es egal ist, welche Jahreszeit wir gerade haben! Sie müssen uns auf jeden Fall hier verklagen.“
* Die vollständigen Namen sind der Redaktion bekannt.