Caro H. besitzt seit etwa einem Jahr einen Gutshof in Mecklenburg-Vorpommern. Zwischen Wald, Wiesen und Seen liegt die barocke Anlage aus dem 18. Jahrhundert. Neben öffentlichen Veranstaltungen kann das Gut auch für private Zwecke angemietet werden: So finden hier häufig Familienfeiern statt, vor allem für Hochzeiten bietet der Hof eine romantische und geeignete Kulisse. So auch im Frühjahr 2013, als auf dem Gut eine Hochzeit stattfand. Diese sorgte im Voraus jedoch für große Aufregung, nicht nur bei Caro H., sondern auch im Bündnis „Vorpommern: weltoffen, demokratisch, bunt“: Wie kurz vor der Feier bekannt wurde, hatte ein bekannter Neonazi das Gut angemietet, um dort zu heiraten. Ein Aufschrei im Bündnis – und der Vorwurf an Caro H., die Neonazi-Hochzeit nicht zu unterbinden. Belltower.news hat mit Caro H. gesprochen.
netz-gegen-nazis.de: Wie ist das ganze abgelaufen? Wie konnte ein Neonazi das Gut anmieten, um dort seine Hochzeitsfeier zu veranstalten?
Caro H.: Wir hatten eine Anfrage aus dem Nachbardorf für die Miete unserer Räume. Wir hatten Details angefragt, ein Angebot rausgeschickt – das übliche Procedere eben. Das Angebot wurde angenommen, also sind wir zu den Leuten gefahren, um die weiteren Details zu besprechen. Weder bei persönlichen Gesprächen noch bei dem Besuch, den wir ihnen abstatteten, wurde ihre politische Einstellung deutlich. Wir haben erst viel später durch Zufall, als die Hochzeit kurz bevor stand, erfahren, dass der Mieter ein hier bekannter Neonazi ist. Getäuscht wurden wir nicht direkt – wir haben einfach nicht erkannt, dass es ein Neonazi ist.
Wie haben Sie auf diese Nachricht reagiert?
Ich wollte die Hochzeit und die Feier aus unserem Gelände aus organisatorischen Gründen absagen – das hat der Mieter aber nicht akzeptiert. Danach habe ich mich an den Bürgermeister der Gemeinde gewandt. Dieser ist auch Mitglied des Bündnisses gegen Rechtsextremismus, hat mir aber geraten, die Veranstaltung wegen der rechten Gesinnung des Mieters nicht abzusagen. Da dieser sehr bekannt und in der Dorfgemeinde integriert ist, würden wir damit nur unsere eigene Existenz gefährden. Da wir erst seit einem Jahr dort sind, sind wir auf den Good-Will des Dorfes angewiesen – das es sicher nicht schätzen würde, wenn wir einem beliebten Mitbürger unser Grundstück verweigerten. Allerdings haben wir, in Absprache mit dem Bürgermeister, dem Mieter gegenüber unsere Bedenken gegenüber seiner rechten Einstellungen offen mitgeteilt. Dann haben wir vertraglich festgesetzt, dass jegliche neonazistischen, extrem politischen Handlungen, Aussprüche, Taten etc. bei uns unterlassen werden. Der Mieter hat akzeptiert und uns zugesichert, dass das auch weder in seinem noch im Interesse der Hochzeitsgesellschaft wäre, da auch Gäste erwartet werden, die seine politische Einstellung nicht gut heißen würden. Die Hochzeit ist auch wirklich friedlich abgelaufen, es kam zu keinerlei Zwischenfällen oder „Kundgebungen“. Es war auch hauptsächlich die Familie anwesend, die einen schönen Tag verbracht hat.
Was würden Sie, hätten sie die Möglichkeit, jetzt anders machen?
Ich weiß nicht, ob ich in dieser Situation etwas hätte anders machen können. Wir haben offen mit dem Mieter über unsere Bedenken gesprochen und unseren Standpunkt deutlich gemacht. Ich glaube, mehr konnten wir in dieser Lage nicht machen. Aber ich habe etwas aus der Sache gelernt: Nächstes Mal informiere ich mich im Vorfeld besser über die Personen, die bei uns Räumlichkeiten anfragen – inzwischen habe ich ja die notwendigen Kontakte, um einer solchen Situation vorzubeugen.
Täuschungsstrategie der besonderen Art
Die Erzählung von Caro H. zeigt deutlich, dass Neonazis immer stärker versuchen, in die demokratische Gesellschaft integriert zu werden. Häufig wird ihre rechte Einstellung noch nicht einmal mehr erkannt – zu sehr haben sie sich der Gesellschaft angepasst, tauchen in der Masse unter. Neonazis sind nicht mehr so einfach zu identifizieren: Stempelte man vor gut zehn Jahren eine Glatzkopf mit Springerstiefeln als Nazi ab, liegt die Sache heute anders. Man hört viel von „neuen“ rechtsextremen Erkennungszeichen, zahlreiche Medien berichten von rechtsextremen Codes – das alles hilft jedoch nicht viel, wenn man einem Neonazi gegenübersteht, der in einer Dorfgemeinschaft fest verankert ist – und so auch oft als Neonazi nicht identifiziert werden kann. Noch schlimmer ist allerdings, wenn die Gemeinde um die rechte Gesinnung der Person weiß und Bedenken nicht nachvollziehen kann. Und, wie die Geschichte von Caro H. zeigt, sind die Neonazis in der Mitte der Gesellschaft noch nicht einmal auf Täuschungsstrategien angewiesen.
Das Beispiel von Caro H. macht deutlich, wie ein einzelner Neonazi zuerst unerkannt Räumlichkeiten für eine große Veranstaltung anmieten konnte. Und, als im Nachhinein, die rechten Einstellungen des Mieters bekannt wurden, ist der Zug schon abgefahren. Zu sehr verwurzelt in der Dorfgemeinschaft, um eine wirkliche Diskussion vom Zaun zu brechen, blieb Caro H. nicht viel mehr übrig als die Hochzeit stattfinden zu lassen. Eines ist klar: Caro H. ist bestimmt kein Einzelfall,
Neonazis und Immobilien
Nicht nur das: Neonazis versuchen immer öfter eigene Immobilien zu kaufen oder langfristig zu mieten. Das liegt daran, dass die Öffentlichkeit immer sensibler gegenüber rechten Organisationen und Funktionären wird – und sich immer häufiger weigert, diesen Räume und Gebäude zur Verfügung zu stellen. Außerdem sieht sich die rechte Szene bei öffentlich angemieteten Veranstaltungsorten immer häufiger Gegenprotesten gegenüber gestellt. Bei eigens gekauften Immobilien hingegen haben sie freie Hand.
So hatten beispielsweise die beiden Neonazis Thomas Wulff und Axel Schunk das Schloss in Trebnitz an der Saale gekauft, um dort ein rechtsextremes Schulungszentrum und einen bundesweit bekannten Neonazi-Standort zu etablieren. Das Problem hier: Die Dorfgemeinschaft interessiert sich herzlich wenig für die Vorkommnisse in und um Schloss Trebnitz herum. Wieso? Die Standardantwort: „Mir haben die Leute doch nichts getan.“
Auch NPD-Funktionär Günter Deckert war jahrelang auf Häusersuche bis er sich für den „Gasthof Gränitz“ in Sachsen entschied. Deckert glaubte sich am Ziel und wollte dort große Nazi-Veranstaltungen organisieren: Vom Konzert bis zur Kundgebung hatte er alles geplant, doch das Gesetz machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Deckert hat das „braune Haus“ privat gekauft – weswegen er dort keine öffentlichen Großveranstaltungen stattfinden lassen darf. Zwar war hier die Dorfgemeinschaft, im Gegensatz zu Trebnitz, wesentlich engagierter den Einzug des Neonazis in die alte Gaststätte zu verhindern – leider erfolglos. Eine politische Diskussion mit Nazi-Größen konnte Deckert dennoch problemlos veranstalten. Zudem sah er sich keinen Protesten gegenübergestellt: Da es eine private Veranstaltung in seinen eigenen Räumlichkeiten war, musste die Diskussion nicht offiziell angemeldet werden. Wenn sich Neonazis zu einer Veranstaltung hinter verschlossenen Türen treffen, können weder Demonstranten noch die Polizei das verhindern.
Wie auch der Thüringer CDU-Innenminister Jörg Geibert sagte, als im thüringischen Crewinkel Neonazis unbemerkt eine Immobilie von einer Bürgerin gekauft hatten: „Auch der Staat hat Grenzen – wenn Immobilieneinkäufe, auch aus der rechten Szene, privatwirtschaftlich getätigt werden, können wir nicht viel tun.“ Zwar hatte sich in Crewinkel ein Bürgerbündnis formiert – die Neonazis hat das trotz allem nicht ferngehalten.
Auffällig ist: Die rechte Szene versucht vermehrt eigene Immobilien zu ersteigern und Standorte und Stützpunkte in ganz Deutschland zu etablieren. Sie werden sesshafter – und fallen vor allem in ländlichen Gebieten ein, wo sie ihre rechten Einstellungen inmitten der Gesellschaft verstecken.
Doch wie können kleine Gemeinden gegen die rechte Bedrohung vorgehen? Sollten die Neonazis einem Gewerbe nachgehen wollen, verhält es sich noch einfacher: Man kann darüber nachdenken, ihnen die Gewerbelizenz zu entziehen. Allerdings: Solange keine konkreten Straftaten vorliegen, können die Gemeinde und der Landkreis nur wenig gegen den rechten Sumpf unternehmen.
Es wird immer schwieriger, Mitglieder der rechten Szene zu erkennen. Hier hilft nur Aufklärung und Unterstützung.
Kommentar von Emma Svensson:
Kauft man wie Caro H. ein Haus in einem Ort, in dem bekanntermaßen viele Nazis leben, dann hat man die Pflicht, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Erst Recht, wenn man Räumlichkeiten für Veranstaltungen vermietet. Man sollte sich eine vertrauenswürdige Person suchen, die sich in der Region auskennt, und sie bei jeder Buchung fragen, wer da eigentlich den Raum mietet. Auch die Amadeu Antonio Stiftung oder andere Organisationen und Bündnisse sind gute AnsprechpartnerInnen. Caro H. hat sich zwar an den Bürgermeister gewandt, doch seine Haltung war schnell klar, als er ihr sagte, dass der Nazi so gut in die Dorfgemeinschaft integriert sei und sie doch sicher keinen Ärger haben wolle – Mitglied im Bündnis der Bürgermeister hin oder her.
Zusätzlich wurden Caro H. von Seiten des Bündnisses „Vorpommern: weltoffen, demokratisch, bunt!“ und der Amadeu Antonio Stiftung sämtliche Hilfen angeboten – die sie alle nicht angenommen hat. Zu den Vertragsklauseln, die sie später eingebaut hat: Wer sollte überprüfen, dass die Nazis sie einhalten, wenn Caro H. an dem Tag der Hochzeit selbst gar nicht vor Ort war?
Dass die Nazis kein Foto von Hitler in ihrem Wohnzimmer hängen hatten oder Caro H. mit Sieg Heil begrüßten, ist ja wohl klar. Nazis verstecken sich hinter einem Saubermann- Image und gegen den netten Nachbarn – das ist schon lange bekannt. Es ist schwer vorstellbar, dass sich Caro H. mit einer solchen Naivität durch die Region bewegt.
Die Autorin engagiert sich seit mehreren Jahren gegen Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern, unter anderem in Projekten, die durch die Amadeu Antonio Stiftung gefördert wurden.
Mehr Informationen:
„Nach den rechten Häusern sehen“: Immobilien der extrem rechten Szene in Thüringen (netz-gegen-nazis.de)Rechtsextreme Infrastruktur: Immobilien geben Unabhängigkeit (netz-gegen-nazis.de)