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Neonazis auf Streamingdiensten Auf Spotify sind Rechtsrock-Bands weiterhin aktiv

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Laut eigenen Angaben ist Spotify der weltweit größte Audiostreamingdienst
Laut eigenen Angaben ist Spotify der weltweit größte Audiostreamingdienst (Quelle: Reet Talreja/Unsplash)

Als Abbas morgens Musik auf Spotify hört, hätte er nie ahnen können, mit welchem Werbespot das Album seiner Lieblingsband unterbrochen wird: „Denn wir, wir sind nicht einfach Kameraden. Und wir geben nicht nach“, brüllt ein Mann über eine Gitarren-Drohkulisse. Die Werbung ist für „Kameraden“, die neue Single der deutschen Band „Hetzjaeger“. Die Uhrzeit und das Datum der Veröffentlichung können kein Zufall sein: Am 30. Januar um 18:18 Uhr feiert der Song „Weltpremiere“ auf Telegram. An diesem Tag im Jahr 1933 wurde Adolf Hitler Reichskanzler, der Zahlencode „18“ steht in der rechtsextremen Szene für AH, die Initialen des „Führers“.

„Hetzjaeger“ gründeten sich offenbar im Dezember 2021, die Single „Kameraden“ ist das Debüt. Auf YouTube schreibt die Band über sich: „Wir sind Hetzjaeger und machen Deutschrock gegen Lügen, Hetze und Unehrlichkeit. Wir sind Deutsche, Kameraden und haben die Schnauze voll davon wie es im Moment in unserem Land läuft“. Das Logo besteht aus den Buchstaben „HJ“ – was auch die Abkürzung der Hitlerjugend war. Eine waschechte Rechtsrock-Band.

Auch auf Telegram, Instagram, Deezer, SoundCloud und Facebook hat „Hetzjaeger“ bereits Profile, wenn auch nur mit einer bescheidenen Followerschaft. Auf Instagram posieren Bandmitglieder mit Hundemasken und Fackeln – Eindrücke vom Videodreh für die neue Single. Auf Telegram kommentiert die Band das Fotoshooting: „Mit den Fackeln durch den dunklen Wald zu laufen war ein tolles Gefühl!“ Und mit Spotify, mit rund 381 Millionen aktiven Nutzer:innen der weltweit größte Audiostreamingdienst, hat die Band ein effektives Mittel, um ihre Single zu promoten.

„Ich war total schockiert“, sagt Abbas, der in Wirklichkeit anders heißt, gegenüber Belltower.News. Dass eine Rechtsrock-Band Werbung auf Spotify schalten kann, kann er nicht nachvollziehen. Anonym zu bleiben, hat für ihn gute Gründe: „Als jemand, der schon von Nazis bedroht wurde, hat mich das ziemlich getroffen, mir sowas morgens auf Spotify anhören zu müssen“. Kaum eine Woche später hört Abbas die Werbung auf Spotify erneut, zweimal sogar. Screenshots und Audioaufnahmen der Werbung liegen Belltower.News vor.

Abbas will Antworten. Wie viele Menschen haben die Werbung von „Hetzjaeger“ gehört? Wie viel Geld hat Spotify damit verdient? Und warum bietet der Streamingdienst der Band überhaupt eine Bühne? Zum Werbespot von „Hetzjaeger“ konnte das Unternehmen auf Anfrage von Belltower.News keine Auskunft vor Redaktionsschluss geben. Spotify wollte auch nicht bestätigen, ob „Hetzjaeger“ ein Werbekunde ist.

Mit Hundemasken und Fackeln: Die Rechtsrock-Band „Hetzjaeger“ auf Spotify (Quelle: Screenshot)

„Hetzjaeger“ ist nicht die einzige Rechtsrock-Band auf Spotify. Über 25 Playlists haben den Begriff „Rechtsrock“ im Titel, manche haben Neonazi-Symbole wie die „Schwarze Sonne“ als Bild. Auch Songs von bekannten Rechtsrock-Bands wie der italienischen Hardcore-Gruppe „Green Arrows“ oder der Neonazi-Band „Übermensch“ sind bis heute auf dem Streamingdienst – auch wenn die Plattform in der Vergangenheit zahlreiche Neonazi-Bands gelöscht hat. Der „Übermensch“-Song „Heil dir!“ wurde bereits knapp 600.000 Mal gehört. Im Refrain grölt die Band: „Heil dir – meine geliebte Heimat! / Heil dir – mein geliebtes Land! / Heil dir – Wiege meines Lebens! / Nur mit dir kann ich bestehen“. Die Band trat 2018 beim gescheiterten Neonazi-Festival „Rock gegen Überfremdung“ auf, das nach mehreren Versuchen, eine Location zu finden, schließlich in Apolda stattfand und vorzeitig abgebrochen werden musste (siehe Belltower.News). Sowohl „Green Arrows“ als auch „Übermensch“ sind Vorbilder der neuen Rechtsrock-Band „Hetzjaeger“: Songs von beiden Gruppen sind in einer Inspiration-Playlist der Band mit dem Titel „Hetzjaeger und Kameraden“.

Auch rechtsextreme Rapper sind auf dem Streamingdienst aktiv. Etliche Titel des Rechtsrap-Labels „Neuer Deutscher Standard“ (NDS) sind immer noch auf Spotify. NDS machte einen Namen für sich mit dem identitären Rapper Chris Ares, bevor Spotify und Amazon sowie die meisten sozialen Netzwerke seine Profile und Musik löschten. Kurz darauf stieg Ares aus der Musikszene aus (siehe Belltower.News). Auch das neue, im Dezember 2021 erschienene Album „Leitwolf“ von NDS-Labelfreunden Primus und Proto wurde offenbar von Spotify gelöscht. Am 8. Januar 2022 schrieb Proto auf Telegram, dass die Löschung „länger gedauert als erwartet“ habe. Doch weitere Tracks von Proto und Primus sowie von anderen NDS-Rapper:innen wie Runa und Menx sind weiterhin auf der Plattform.

Ein weiteres Problem auf Spotify sind rechtsextreme Podcasts – wie die „Lagebesprechung“ des Identitären-nahen Vereins „EinProzent“. Initiator des Podcasts ist Arndt Novak, Mitglied der Burschenschaft Danubia, deren Studentenschaft vom bayerischen Verfassungsschutz als rechtsextreme Organisation geführt wird (siehe Belltower.News). Die Liste der Podcast-Gäste liest sich wie ein Who’s Who der Rechtsaußen-Blase – ob der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, Ex-FPÖ Innenminister Herbert Kickl, Sezession-Redakteur Benedikt Kaiser oder IB-Aktivist Mario Müller. Doch der Inhalt der Folgen bleibt auffällig zahm. Es geht eher um die Flutkatastrophe und Pflegebranche als Umsturzfantasien und Überfremdungsnarrative.

Ein zurückhaltendes Auftreten dürfte auch Teil der Strategie sein, um weiterhin auf der Plattform zu bleiben. Bislang mit Erfolg. Ein Sprecher von Spotify bestätigte gegenüber Belltower.News, dass der Podcast von „verschiedenen Expert:innen“ überprüft werde, bislang seien allerdings keine Verstöße gegen die Plattform-Regeln festgestellt worden. „Sollte der Podcast ‚Lagebesprechung‘ weitere Episoden bei Spotify veröffentlichen, werden wir diese zeitnah überprüfen und bei Verstößen gegen die Spotify Content Policy die Inhalte von der Plattform entfernen“, so der Sprecher weiter. Die letzte Folge wurde am 23. Dezember 2021 veröffentlicht – ein Jahresrückblick mit dem Ex-NPDler und Kameradschaftsmann Michael Schäfer sowie dem identitären Publizisten Volker Zierke. Doch es gibt auch andere Podcasts – wie vom neurechten „Konflikt Magazin“ oder der Podcast „Gib ma Kaffee“ des IBlers Alexander „Malenki“ Kleine.

Dass sich Rechtsextreme auf Spotify tummeln, ist weder neu noch dem Streamingdienst unbekannt. 2017 löschte Spotify 37 White-Supremacist-Bands, die das Online-Portal Digital Music News gefunden hatte. Anfang 2020 sorgte ein Artikel der Times of Israel für Aufsehen: Die Zeitung fand etliche antisemitische Playlist-Titel auf der Plattform, die unter anderem dazu aufriefen, „Juden zu vergasen“, oder die Shoah leugneten. Die Songs in den Playlisten waren allerdings nicht immer rechtsextrem, häufig nur die Playlist-Titel. Die Zeitung stieß auch auf viele öffentliche Profile, die nach Hitler benannt wurden. Daraufhin versprach Spotify, die entsprechende Playlists und Profile zu löschen. Doch Recherchen von Belltower.News zeigen, dass bis heute User:innen „Hitler“ oder „Rudolf Hess“ heißen. Oder es gibt Playlists mit Marschmusik der Wehrmacht und SS. Eine Playlist heißt „More Gas Than Anne Frank“, ein andere „Showering with Anne Frank“.

Deutsche Pandzerlieder, SS-Marschmusik und Schwarz-Weiß-Rot: Auf Spotify tummeln sich viele Rechtsextreme und Nationalist:innen (Quelle: Screenshot)

Auf eine Anfrage von Belltower.News betont ein Sprecher des schwedischen Tech-Unternehmens, dass Spotify Inhalte verbiete, die „ausdrücklich und hauptsächlich zu Hass oder Gewalt gegen eine Gruppe oder ein Individuum“ aufrufen, dies befürworten oder dazu aufstacheln – sei es beispielsweise wegen Hautfarbe, Religion, Geschlechtsidentität, ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität, sexueller Orientierung oder Behinderung. „Wenn wir Inhalte identifizieren, die diesen Standard verletzen, werden sie von der Plattform entfernt.“ Inhalte könne allerdings nur aufgrund von Verstößen auf Spotify selbst entfernt werden, nicht alleine wegen der politischen Gesinnung von Personen und Gruppen, die diese hochladen, so der Sprecher weiter.

Ein Katz-und-Maus-Spiel, das sich in der Praxis wenig effektiv zeigt. Denn auch wenn Spotify bereits viele Neonazi-Bands gelöscht hat, gibt es sie immer noch auf der Plattform. Diesen Umgang kritisiert Thorsten Hindrichs, Rechtsrock-Experte und Musikwissenschaftler an der Universität Mainz, seit Jahren. Neben „Green Arrows“ nennt er auch die ukrainische Rechtsrock-Gruppe „Sokyra Peruna“ (Сокира Перуна) als Beispiel. „Sie sind nach wie vor flächendeckend bei Spotify vertreten“, moniert er. Ein Problem sei, dass die Band häufig auf Ukrainisch singt – was die Moderation erschwert. „Aber das sind eindeutig extrem rechte Akteure“.

Doch auch, wenn es um englisch- und deutschsprachige Texte gehe, greife der Streamingdienst nicht konsequent durch. „Spotify reagiert unglaublich schwerfällig auf etliche Meldungen“, sagt Hindrichs. Auf Twitter hat er bereits einige Beispiele von Rechtsrock-Bands auf dem Streamingdienst genannt und Spotify getaggt. „Da passiert aber überhaupt nichts“. Anders als bei dem Konkurrenten Deezer, der stets schnell eingegriffen und rechtsextreme Inhalte gelöscht habe, so Hindrichs.

Dass Rechtsrock-Bands weiterhin auf Spotify sind, ist gefährlich. „Bei solchen Streamingdiensten geht es nicht wirklich darum, Geld zu verdienen. Es geht darum, öffentliche Präsenz zu zeigen, es ist eine Werbemaßnahme“, erzählt Hindrichs. Gleichzeitig sei es recht komfortabel, wenn User:innen neben den üblichen Mainstream-Künstler:innen auch Nazi-Bands hören können, so Hindrichs weiter. „Das ist auch Teil der Strategie: Um rechtsextreme Positionen und Musik zu normalisieren“. Eine Strategie, die auf Spotify immer noch aufgeht.

Problematische Musik auf Spotify gefunden? Werden Sie selbst aktiv. So können Sie Inhalte melden: https://support.spotify.com/de/article/report-content/

Update 09.02.2022: Inzwischen wurde bekannt, dass die Band „Hetzjaeger“ ein Fake ist und Teil einer Aktion war, um das Rechtsrock-Problem auf Spotify sichtbar zu machen.

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FAP Artikelbild

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