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Neonazis in Dortmund „Wer Deutschland liebt, ist Antisemit“

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(Quelle: Robert Rutkowski)

 

Ein Rückblick: Neonazihochburg Dortmund

Dortmund ist erneut seinem Ruf gerecht geworden, die Nazihochburg Westdeutschlands zu sein. Hieran hat man im sozialdemokratischen Dortmund gewissermaßen seit 20 Jahren „gearbeitet“. Es gab auch Gegenbewegungen, dies ist unstrittig. Aber der linke Gegenprotest gegen die Nazis wurde klein gehalten, teils kriminalisiert. Heute gehört den Nazis in Dortmund endgültig die Straße. Viele Anwohner im unterprivilegierten Dortmund-Marten applaudierten ihnen am Freitag, wie der Blogger und frühere Piraten-Politiker Robert Rutkowski beschrieben hat. Rutkowski wird seit Jahren in Dortmund sehr konkret von Neonazis bedroht.

 

Part IV #nonazisdo https://t.co/XtqP1aBtT3

— Korallenherz‏ (@Korallenherz) 21. September 2018

 

Öffentlicher Judenhass in Dortmund: Neonazis vereint mit Linken und Arabern

Öffentlich inszenierter Judenhass hat in Dortmund – immerhin Partnerstadt der israelischen Küstenstadt Netanja – eine lange Vorgeschichte. Vor vier Monaten, am 14.5.2018 Jahres, anlässlich des 70. Geburtstages Israels, hatten die Neonazis öffentlich, ungestört, ihren Vernichtungswunsch gegen Juden und Israelis öffentlich darstellen dürfen. Mehrere arabisch aussehende junge Männer, offenkundig Palästinenser, stellten sich spontan zu den Nazis und machten Selfies mit Victory-Zeichen.

Es gab nahezu keine Gegendemonstrationen; das linke Blockado-Bündnis, zu dem auch dezidiert „antizionistische“ Gruppierungen wie die MLPD und die NRW-Linke gehören, beteiligte sich nicht daran. Wenig verwunderlich, unterscheidet sich ihre „antizionistische“ Grundeinstellung doch kaum von der der Neonazis: in Feindschaft gegen den demokratischen Staat Israel vereint.

Bereits 2014, während des Gazakrieges, waren die Dortmunder Neonazis gemeinsam mit Muslimen bei einer antisemitischen Kundgebung in Dortmund aufmarschiert.

 

21:20 Die können hier machen was sie wollen. #nonazisdo pic.twitter.com/WY9NO5He55

— Korallenherz‏ (@Korallenherz) 21. September 2018

 

Die soeben überparteiisch beschlossene Resolution des Landtags NRW gegen Antisemitismus dürfte eher nicht mit diesen schockierenden Bildern in Dortmund vereinbar sein. Sie sollte überparteilisch mit Leben, mit Praxis verbunden werden, ansonsten ist sie ihr Papier nicht wert. CDU, SPD und Grüne sind da in einer gemeinsamen Verantwortung.

Der vorhersehbare Skandal

Die Rufe „Wer Deutschland liebt ist Antisemit“ waren eine konsequente Fortsetzung der schon pogromartig anmutenden Inszenierungen von Neonazis, wie sie seit Jahren den Alltag von kleinen Teilen Dortmunds prägen. Man könnte den Eindruck gewinnen: Die Stadt Dortmund ist politisch endgültig an einer Gruppe von knapp 100 Neonazis politisch gescheitert. Die Verantwortung hierfür tragen Politiker und die Polizei. Diese war während der angekündigten Kundgebungen – wie Robert Rutkowski mit ungläubigem Erstaunen während seiner Filmaufnahmen erleben musste – nahezu nicht da. „Die machen was sie wollen!“ rief er ungläubig per Twitter während seiner Filmaufnahmen. Die an ihn gerichtete verbale Drohung Skodas folgte direkt auf der Abschlusskundgebung: „Mal ernsthaft, unter uns gesprochen. Würden die Nazis hier vollkommen frei drehen hätte der Mann keine einzige Meldung mehr bei Twitter geschrieben“.

Selbst die rechte Szene zeigte sich anschließend von der geringen Polizeipräsenz überrascht. Auf dem Blog der Splitterpartei „Die Rechte“ heißt es: „Beide Versammlungen wurden lediglich durch wenige Streifenwagen begleitet, fußläufig waren keine uniformierten Polizisten eingesetzt.“

NRW-Innenminister Reul wies zwei Tage später alle Kritik an dem Polizeieinsatz zurück. Er kam zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass es zu keinem Augenblick an Einsatzkräften gefehlt habe. Der Großeinsatz im Hambacher Forst habe „keinerlei Einfluss auf die Zahl der in Dortmund eingesetzten Beamten gehabt.“

Ein kurzer Rückblick: Die Dortmunder Polizei – Engagement und Irrtümer

So wie der Rechtspopulismus und der nun öffentliche Antisemitismus nicht in Chemnitz und in Dortmund geboren ist sondern vielmehr vor 20 Jahren in der bürgerlichen Frankfurter Paulskirche, durch den arrivierten, ehemals „linken“ Autor Martin Walser, so haben auch diese schockierenden antisemitischen Bilder aus Dortmund eine lange Vorgeschichte. Das Handeln der Polizei spielt bei diesen gesellschaftlichen Prozessen nur eine untergeordnete Rolle. Aber ganz bedeutungslos ist sie dennoch nicht.

Demokratische Gegenproteste gegen Naziaufmärsche sind nicht nur legitim, sie sind für eine funktionierende Demokratie unverzichtbar. In Dortmund gibt es nahezu keine Proteste mehr gegen Nazis. Gerade linke Proteste, einschließlich – gesetzlich zugelassener – konkreter Gegenproteste und symbolischer Blockaden gegen Naziaufmärsche gibt es in Dortmund nahezu nicht mehr. Dafür wurde staatlicherseits viel getan: Der linke Gegenprotest war offenkundig für Teile der Polizeiführung sowie der Politik der Gegner, der „Feind“ – nicht die Neonazis.

Auch prominente SPD und Grünen-Politiker sind in Dortmund immer wieder durch die Neonazis bedroht worden, insbesondere Oberbürgermeister Sierau. Die Neonazis durften 2012 auch vor Privatwohnungen ihre gezielten Einschüchterungsversuche entfalten. Seinerzeit gab es noch Versuche, sich gesamtgesellschaftlich zu wehren. Als OB Sierau im Jahr 2011 gemeinsam mit der Grünen Landtagsabgeordneten Schneckenburger bei einem Friedensfest auch Blockadeversuche als legitime Protestformen unterstützte wurde er von einer lokalen Polizeigewerkschaft scharf attackiert.

Heute ist vom breiten gesamtgesellschaftlichen Widerstand gegen die überschaubare Anzahl der Dortmunder Neonazis offenkundig nichts mehr übrig geblieben. Eine politische Bankrotterklärung.

Die Polizei teilte inzwischen mit, dass sie ermittele, vor allem wegen des Einsatzes von Pyrotechnik.

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