„,Du bist eine von uns. Du weißt das bloß noch nicht‘, hatte damals eine Freundin ganz überzeugt gesagt. Ich fands witzig.“ (EINE* VON UNS, S.37)
Die meisten Beiträge in der Broschüre entstanden in einem dreitägigen Schreibworkshop mit der mehrfach ausgezeichneten Autorin Karen-Susan Fessel. Mit ihren Büchern für Kinder, Jugendliche und Erwachsene vermag sie es, Menschen jeden Alters in ihrer Vielfalt zu bestärken. Was liege da näher, als sie zu ermutigen, auch selbst zu schreiben und die eigene Stimme zu erheben?
In der neuen Broschüre erzählen Menschen verschiedenen Alters und aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionierungen ihre Alltagsgeschichten aus Mecklenburg-Vorpommern. Ostseestrand, Fischbrötchenbude, Rewe-Parkdach – das sind die Orte, an denen die Geschichten in der Broschüre spielen. Von Liebe und Freund*innenschaften, Seepferchen und dem Erwachsenwerden handeln sie.
„Alles, was ich weiß, ist, dass ich mich aus irgendeinem Grund […] dazu entschieden habe, auf diese schreckliche Strandparty bei den Feuerstellen zu gehen.“ (EINE* VON UNS, S. 12)
Die Selbstverständlichkeit von lesbischen, schwulen, trans* und inter-Lebensgeschichten und einen gleichwertigen, selbstbewussten Platz in der Gesellschaft einzunehmen, ist das gemeinsame Ziel der Broschüre wie des gesamten Projektes „un_sichtbar“. Das Projekt will eine Kultur der Selbstbestimmung, des Empowerments, anregen und Selbstorganisationen von Lesben, Schwulen und trans*Personen in Mecklenburg-Vorpommern stärken.
Fischbrötchen und queere Selbstverständlichkeit – davon sind wir leider weit entfernt, nicht nur in den ländlichen Räumen. Unter den Normen der Dominanzgesellschaft und dem Rechtsruck in Deutschland erleben Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans* und inter-Personen tagtägliche Diskriminierungen. Sei es, dass Menschen aufgrund ihres Aussehens auf offener Straße beleidigt oder aus der Familie ausgegrenzt werden. Das wirkt sich nicht zuletzt auf die psychische Gesundheit der von Homo- und Transfeindlichkeit Betroffenen aus. Das Suizidrisiko von lesbischen, schwulen und trans* Jugendlichen ist beispielsweise 4 bis 6 Mal so hoch wie das von heterosexuellen, dyadischen cis Jugendlichen, also Jugendlichen, die im Einklang mit dem ihnen zugeschriebenen Geschlecht leben (cis) und auch im entsprechenden Körper (dyadisch). Die mal mehr, mal weniger subtilen Formen der Gewalt prägen auch die Geschichten in der Broschüre.
„Der Alltag könnte so schön sein, wenn ich als Mensch wahrgenommen und ohne Rechtfertigung leben könnte. Ohne, dass mir etwas abgesprochen wird.“ (EINE* VON UNS, S. 28)
Wir leben alle umgeben von normativen Vorstellungen, wie ein Mann zu sein hat und welches Leben eine Frau führen sollte. Die erste Frage nach der Geburt eines Kindes ist häufig „Junge oder Mädchen?“. Von Anbeginn lernen wir, die Welt in Mann und Frau, Verhalten in un/männlich und un/weiblich einzuteilen, als wären das bedeutungsvolle Maßstäbe. Die heterosexuelle Ehe und die Kleinfamilie sind Fixpunkte unseres Verständnisses von privatem Glück und nationaler Größe. Viele Menschen leiden darunter, diesen Normen entsprechen zu müssen oder für ihre Sexualität und geschlechtliche Identifikation abgewertet zu werden.
EINE* VON UNS erzählt daher queere Alltagsgeschichten, mal von Gewalt und Verletzungen, mal von Solidarität und Liebe.
Online ist EINE* VON UNS kostenfrei abrufbar unter:
https://www.un-sichtbar-mv.de/publikationen-im-projekt-un_sichtbar/eine-von-uns/
Die Druckversion können Sie gegen Porto bestellen bei lola@amadeu-antonio-stiftung.de