Im Internet ist oft von einer rechten Filterblase die Rede – doch diese versucht vehement, Einfluss auf das Meinungsbild in Deutschland zu nehmen. Wie sie das tut, erläutert eine neue Broschüre, die die Amadeu Antonio Stiftung am 07. September 2017 in Berlin vorstellte: „Toxische Narrative – Monitoring rechts-alternativer Akteure“ . Der Monitoringbericht wirft einen Blick auf die Narrative, also die Erzählungen aus der rechten Filterblase: Politiker sind “Volksverräter”, “Fremde” sind schlechter als ich, der Lauf der Welt wird manipuliert – es gibt viele solcher abwertenden und bedrohlich scheinenden Motive, die in ständiger Variation wiederholt werden.
Warum macht es Sinn, sie zu betrachten?
Narrative sind mehr als bloße Fakten. Sie ordnen Ereignisse ein. Sie beantworten die Frage nach dem „Was“ und dem „Wie“, geben einen Eindruck über die zeitlichen Abläufe und Settings eines Ereignisses. „Durch Erzählungen werden Ereignisse in einen Zusammenhang mit der bisherigen Weltsicht gestellt“, so Miro Dittrich, Mitautor der Broschüre. Und wie bei jeder Erzählung können die Erzählenden ihre Geschichte unterschiedliche Schwerpunkte setzen: Details werden ergänzt oder weggelassen. Manche Faktoren haben in der Erzählung ein größeres Gewicht als andere. Die Erzählung ist also eine Interpretation des Ereignisses, die das Weltbild des Autors oder der Autorin zugleich spiegelt und festigt. So werden etwa Einzelereignisse verallgemeinert und erscheinen damit als Teil eines größeren Ganzen Je öfter die Erzählung wiederholt wird, desto stärker wird sie Teil des kollektiven Gedächtnisses. So wird jeder Geflüchtete, der sich einmal unpassend benimmt, zum Beleg für die Grundthese, alle “Fremden” seien grundsätzlich problematisch und passten nicht “zu uns”. Dies ist dann ein toxisches Narrativ: Also eines, dass das friedliche Zusammenleben in der Gesellschaft auf Dauer vergiftet.
Im Bundestagswahlkampf 2017 nutzt dies vor allem eine Partei. Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, erläutert: „Die AfD hat verstanden, dass die sozialen Medien die perfekten Instrumente sind, um toxische Narrative zu verbreiten. Da werden Ereignisse überzogen dargestellt und Realitäten verfremdet. Diese Erzählungen werden in die öffentliche Debatte und in die Leitmedien getragen.Das ist das Erfolgsrezept der Rechtspopulisten. Indem sie ihre Deutungen immer wiederholen und in neue Hüllen packen, verbreiten sie ihren Hass wie ein schleichendes Gift.“
Der Monitoringbericht nimmt sich vor, die Normen und Werte zu benennen, die hinter den toxischen Narrativen von Rechtsaußen stecken. Zehn relevante Social-Media-Akteure aus dem verschwörungsideologischen, rechtsextremen und dem rechtspopulistischen Spektrum wurden ausgewählt und analysiert. Dazu gehören unter anderem die Facebook-Seiten von Pegida, die des rechten Verschwörungsmagazins „Compact“, des islamfeindlichen Blogs „PI-News“, die Facebookseiten der AfD, der NPD und der rechtsextremen „Identitären Bewegung“. Einen Sonderfall bieten dabei Verschwörungserzählungen, die nicht nur im rechten Teil der Filterblase stattfinden, sich aber sich aber mit deren Erzählungen daraus überschneiden. Deswegen haben die Autor_innen des Berichts auch den Facebookauftritt der verschwörungsideologischen Website KenFM analysiert.
Insgesamt wurden 1063 Beiträge gesichtet, die 2908 Erzählungen enthielten, die wiederum in 27 unterschiedliche Narrative heruntergebrochen werden konnten. Daraus ließen sich sieben „Cluster“ bilden, die sogenannten Hauptnarrative.
Was fürchten und besprechen also die Menschen im Rechtsaußen-Internet?
Die beliebtesten Erzählungen sind „Der Untergang der Deutschen“, „Bedrohung von außen“ (also durch Migration oder Flucht), „Bedrohung von innen“ (durch “Volksverräter” und “deutschenfeindliche Gutmenschen”), „Das Establishment manipuliert“, „Globale Verschwörung“, „Widerstand und Lösungen“ und „Repression für Widerstand“. In diesen Clustern lassen sich die Schlagworte wiederfinden, die die rechte Filterblase dominieren: „Islamisierung“, „Lügenpresse“, „Weltverschwörung“, „Nazikeule“ oder „Umerziehung“, neben vielen anderen.
In den untersuchten Posts wird dabei am häufigsten von der „Bedrohung von außen“ erzählt, dabei geht es um angeblichen „Asylmissbrauch“, den kommenden „Untergang“ Deutschlands oder den Angriff auf die „deutsche Kultur“. Auf Platz zwei steht die „Bedrohung von innen“, also Erzählungen darüber, dass Deutschland Gefahr durch Deutsche droht, etwa durch „Umerziehung“, „Gutmenschen“ oder „Volksverräter“. Auf Platz drei stehen „Widerstand und Lösungen“, dabei geht es um Nationalstolz, Widerstand gegen Zuwanderung oder den Islam oder den angeblich kommenden Aufstand der Deutschen.
Besonders bemerkenswert bei den Untersuchungsergebnissen ist dabei die Rolle der AfD in der Verbreitung dieser Erzählungen: wo andere Facebookseiten gewichten und sich spezifischen Erzählungen mal mehr oder weniger widmen und andere ganz ausblenden, wird auf der Facebookseite der AfD praktisch der Durchschnitt der Untersuchung abgebildet. Ein weiteres Indiz dafür, dass die Partei verstanden hat, welche Themen funktionieren und welche ihrer Erzählungen sie nicht nur für die eigene Klientel nutzen, sondern auch in den breiteren politischen Diskurs tragen kann.
Warum ist es jetzt aber wichtig ist, sich mit diesen Hass-Erzählungen zu beschäftigen?
Johannes Baldauf von Projekt “De:hate”, in dem der Bericht entstanden ist, sagt: “Menschenverachtende Ideologien haben sehr erfolgreiche Erzählungen. Wir müssen also für die Präventionsarbeit darüber nachdenken: Wie lauten unsere demokratischen Erzählungen? Wie können wir das, was uns wichtig ist – Menschenrechte, Demokratie, Vielfalt – in Erzählungen voller Emotionen und Leben kleiden, so dass sie ähnlich überzeugend wirken?” Denn den toxischen Narrativen, die große Teile der Gesellschaft gegeneinander aufbringen wollen, kann man nicht nur mit Fakten entgegentreten. Es braucht auch von demokratischer Seite Haltung und Engagement, um zu zeigen, wie positiv sich unsere Gesellschaft insgesamt durch Vielfalt und Freiheit entwickelt.
In den kommenden Tagen werden wir vertiefende Inhalte der Broschüre “Toxische Narrative – Monitoring Rechts-Alternativer Akteure” auf Belltower.News veröffentlichen.
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Monitoringbericht 2015/16 über rechte Hetze in den Sozialen Netzwerken
Aus der Broschüre „Toxische Narrative“ auf Belltower.News
- Neue Broschüre: „Toxische Narrative – Monitoring rechts-alternativer Akteure“
- Wie mit „Narrativen“ rechtspopulistische Politik gemacht wird
- Wie die digitale Öffentlichkeit durch rechts-alternative Medienstrategien herausgefordert wird
- „Toxische Narrative“: Wie sie wirken und warum wir uns damit beschäftigen müssen
- Wie „Erzählungen“ zur Geheimwaffe des Populismus geworden sind