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Neuer Name, alter Misserfolg Heimat drauf, NPD drin

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Bei der Hetze nichts Neues: So sieht es auf Instagram aus, wenn "Heimat" alias NPD die Grünen nicht mag (wir haben rassistische, sexistische, LGBTIQ*-feindliche und islamfeindliche Sätze für Sie ausgeblendet.) (Quelle: Screenshot Instagram)

2010 hatte es der damalige NPD-Chef Udo Voigt fast geschafft: Den optischen und stilistischen Umbau der schwarz-rot-weißen „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ zur „Sozialen Heimatpartei“. Rechtsextreme Gesinnung drin, bürgerliche Fassade davor, so die Vision für mehr Breitenwirkung. Die „soziale Heimatpartei“ war schon damals ein etwas abgehangener Hut, framte sich doch auch die österreichische FPÖ so – aber die war damit immerhin erfolgreich. Die Republikaner wüteten, dass sie doch die „soziale Heimatpartei“ seien. Und die NPD-Mitglieder mochten es auch nicht. Es blieb bei „NPD – Die Nationalen“ (vgl. Belltower.News, Lotta, Endstation rechts).

Seither wechselte der Slogan der NPD bisweilen, es gab etwa die „NPD – Widerstandspartei“ und dann doch die „NPD – Soziale Heimatpartei“.  Erfolgreich wurde mit der Idee der rechtsextremen Ideologie und der bürgerlichen Fassade aber die AfD. Die NPD blieb rechtsextrem und rassistisch, nun aber für viele Anhänger*innen zu glattgebügelt, die dann zu noch rechtsextremeren Parteien wechselten. Seitdem dümpelt die NPD unter Frank Franz vor sich hin und findet als Partei außer in einigen regionalen und organisatorischen Zusammenhängen keinen Weg mehr aus der Bedeutungslosigkeit. Einzelne NPD-Funktionäre wie Thorsten Heise, Sebastian Schmidtke oder Patrick Schröder nehmen dagegen immer noch wichtige Vernetzungsfunktionen für die Szene wahr.

Heimat abgewählt im Mai 2022

Im letzten Jahr, 2022, gab es dann den Versuch eines neuen Namens, der aber auch schon recht vertraut klang: Die NPD wollte sich umbenennen in „Heimat Deutschland“. Doch einige NPD-Mitglieder hatten keine Lust auf den Romantik-Kurs der Führungsriege: Der Name wurde beim Bundesparteitag im Mai abgelehnt. Allerdings nur mit drei Stimmen (vgl. Belltower.News).

NPD arbeitet an „Unsichtbarmachung“ ihrer selbst

Aber die NPD ist ja keine demokratische Partei, der Abstimmungen etwas bedeuten würden. Und so begann ein Prozess durch die Hintertür: Mit einer „Heimat“-Kampagne, die zu einer „neuen Heimatbewegung“ führen sollte. Die hatte Frank Franz auf dem Bundesparteitag angekündigt. „Die wichtigste Aufgabe wird die Unterstützung der Bürgerproteste gegen die verfehlte Politik der etablierten Partei sein. Dies macht eine stärkere Regionalisierung und eine ‚Unsichtbarmachung” der NPD als Partei, gewissermaßen als ‚Antiparteien-Partei’, notwendig. In der Vernetzung der vielfältigen systemkritischen Strömungen könnten sich die Nationaldemokraten als erfahrene Dienstleiter anbieten“, heißt es in der Pressemitteilung nach dem Parteitag 2022. Etwas weniger defensiv formuliert es das NPD-Parteiblatt „Deutsche Stimme“. Hier heißt es mit einem antisemitischen Chiffre in Richtung des verschwörungsideologischen Spektrums: „Heimat statt ‚Neuer Weltordnung’“.

Die Heimat Kampagne

Die „Heimat Kampagne“ lässt sich beim „NPD Materialdienst“ bewundern und hat viel Merchandise zu bieten: T-Shirts, Tassen und Transparente, dazu Aufkleber, Flyer, Holzkugelschreiber, ein „Iso-Getränk“ und einen Kompass. Die Slogans sind entweder so erwartbar, dass es wehtut („Heimat im Herzen“), oder unbeholfen („Der Heimat eine Zukunft geben“), die Motive mit Skulpturen von Barbarossa, Bismarck, Arminius und Goethe und Schiller klassisch-gesetzt. Innovation geht anders, aggressiver Rassismus auch.

Die „neue Heimatbewegung“

Den aber hat die „neue Heimatbewegung“ im Gepäck. Denn Teile der NPD werden jetzt sukzessive umbenannt. Die Orts- und Regionalgruppen, die doch an die Schlagkraft des „Heimat“-Labels glauben, nennen sich jetzt so. So gibt es etwa „Heimat Franken“ und „Heimat Bayern“ (was zumindest Social-Media-technisch die gleichen Betreuenden zu sein scheinen). Seit Dezember 2022 existiert, sehr regional, „Heimat Neumünster“. Neumünster ist der einzige Ort in Schleswig-Holstein mit einer rechtsextremen Szene, für die sich die Mobilisierung lohnt. Neuester Neuzugang im „NPD goes Heimat“-Game: „Heimat Dortmund“, die Neugründung von „Die Rechte Dortmund“ unter den Fittichen der NPD (vgl. Endstation rechts).

Über die Umbenennung von „Heimat Neumünster“ hat die NPD auf ihrer Website geschrieben. Offenherzig heißt es dort: „Mit der Umbenennung geht es uns vielmehr darum, uns zu öffnen und Bürger anzusprechen, die vor den ‚drei Buchstaben’ die Augen verschließen. Die Corona-Proteste und die Demonstrationen gegen Energiepreiserhöhungen und Inflation (…) haben uns verdeutlicht, daß [sic] viele Bürger zu einer systemkritischen Politik bereits sind, aber trotzdem nicht die NPD unterstützen möchten.“

Mimikry-Mobilisierung

Tja, und die sollten jetzt deshalb auch nicht Gruppen unterstützen, die „Heimat XY“ heißen. Denn dann ist die Chance groß, dass die NPD dahintersteckt. Mit solchen Mimikry-Aktionen und Kampagnen ohne Logo hat die NPD als ungeliebte rechtsextreme Partei schon Erfahrungen: 2014 mobilisierte sie etwa in „Nein zum Heim“-Gruppen gegen Geflüchtete. Diese rassistische Mobilisierung war erfolgreich, weil die Gruppen zunächst lokal angebunden und organisiert wirkten.

Dann gab es Versuche mit vermeintlich lokalen Wählervereinigungen, in denen aber vorgeblich NPDler organisiert waren, wie „Wir von hier“ in Ueckermünde oder die „Wählergemeinschaft Schöneres Strasburg“ (vgl. Belltower I, II). Die „Schutzzonen“-Bürgerwehren-Kampagne sowie die rassistische „Deutsche helfen Deutschen“-Kampagne zur Ahrtal-Flut lief zunächst auch ohne NPD-Label. Zuletzt versuchte die NPD mit der Kampagne „Gegengift“ im Coronaleugner*innen-Spektrum rechtsextreme Ideologie zu verbreiten und neue Anhänger*innen zu werben. Sonderlich erfolgreich war „Gegengift“ allerdings auch nicht.

Die Luft ist raus

Es ist aber auch kein Wunder: All diese Umbenennungen sind Fassadensanierungen – an den rückwärtsgewandten rechtsextremen, rassistischen, islamfeindlichen Inhalten ändert sich bei der NPD nichts. Es fehlen neue Ansprachestrategien und Themen, und die einst im Bereich Social Media äußert innovative Partei, von der die AfD viel gelernt haben dürfte, hat sich auch in dieser Hinsicht aufgegeben. Auf TikTok hat der „NPD offiziell“-Kanal, der aber vermutlich nicht offiziell ist und nicht auf NPD-Seiten verlinkt wird, nur einen Inhalt und gerade einmal vier Follower. Erfolgreicher ist Medienprofi Frank Franz selbst, doch auch er hat nur 600 Fans und postet nur sporadisch seine Weltsicht aus dem Auto.

Kann die Ritter-/Wikinger-Prinzessin es retten?

„Heimat Bayern“ und „Heimat Franken“ versuchen es auf Instagram mit poppigen Cartoons, was am rückwärtsgewandten, antidemokratischen Hass der Inhalte aber nichts verändert. Auch das Logo zumindest von „Heimat Bayern“ und „Heimat Franken“ mit einer Art Ritter-/Wikinger-Prinzessin mit Ährenkranz und Schwert wirkt sehr rechtsextrem und weniger modern.

Die Selbstbeschreibung dazu spricht von einer „außerparlamentarischen Opposition“, die wirken soll als „Netzwerker, Dienstleister und Aufklärer für alle, denen unsere Heimat im Herzen liegt“. Offene Bezüge zur NPD fehlen taktischerweise. Die NPD Nürnberg aber bewirbt etwa auf ihrem Facebook-Kanal die vermeintliche Bewegung „Heimat Franken“ begeistert: „In Franken bilden sich bereits erste Gruppen zur neuen Heimat Bewegung. Mit Aktionen im öffentlichen Raum protestieren sie gegen ‚Die Grünen’. Danke an alle Beteiligten für die Unterstützung!“

Herabsetzende Darstellungen von SPD- und Grünen-Politiker*innen, die auf der „Heimat“-Website als Download ohne NPD-Logo zu haben sind, erscheinen hier aber auf NPD-Plakaten mit Logo und zeigen die Verbindung ebenso wie die geteilten Postings.

Augen auf bei Heimat-Aufrufen

Der Begriff der „Heimatbewegung“ an sich ist übrigens auch nicht neu, sondern geht auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück: Der Moderne überdrüssige Städter übten in der Heimatbewegung Zivilisationskritik am „industrialisierten Leben“, romantisierten die Natur und das vermeintlich „natürlich Leben“ und gründeten Orte des „Heimatschutzes“ und der „Brauchtumspflege“.  Schon früh wurde dies mit völkischen Bestrebungen der Nazis verknüpft. Auch Neonazis gefällt das, das zeigen Gruppierungen wie der „Thüringer Heimatschutz“.

Also: Bei „Heimat“ lohnt sich immer, genau hinzusehen: Wird „Heimat“ ausschließend verwendet, rassistisch oder nationalistisch? Dann geht es nicht um den Ort oder Zustand, in dem sich Menschen zu Hause fühlen, sondern um eine rechtsextreme Umdeutung des Begriffs, um emotional zu manipulieren.

 

Ergänzung 05.07.2023:

Im Juni 2023 hat Frank Franz seine Mission erfüllt: Die rechtsextreme NPD hat sich bei ihrem Bundesparteitag im sächsischen Riesa Anfang Juni 2023 in „Die Heimat“ umbenannt. Für die Namensänderung hätten 77 Prozent der Mitglieder gestimmt, teilte die Partei am Samstag auf ihrer Webseite mit (vgl. ZDF). Teile der übrigen 23 Prozent sind derart verstimmt, dass sie versuchen, Frank Franz derweil aus der NPD/Heimat auszuschließen (vgl. Belltower.News)

So sieht NPD jetzt als „Die Heimat“ aus. Der Hass ist jetzt beige-senf.

Am 04. und 05. Juli verhandelte derweil das Bundesverfassungsgericht über den Ausschluss der NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung. Die rechtlichen Grundlagen hierfür wurden 2017 geschaffen, nachdem das Bundesverfassungsgericht ein Verbot der NPD abgelehnt hatte, weil diese zwar verfassungsfeindliche Ziele verfolge und „eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ zeige – aber dabei zu erfolglos sei, um die Demokratie zu gefährden (vgl. Spiegel, Endstation rechts). Ein Urteil steht noch aus.

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NPD Keine neue „Heimat“ für Rechtextreme

Es sollte der Beginn des großen Neuanfangs werden, doch die Umbenennung der NPD in „Die Heimat” scheiterte bei der Abstimmung des Bundesparteitags an drei Stimmen. 

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