Die Delegierten auf dem NPD-Bundesparteitag, der am Wochenende in Neuruppin stattgefunden hat, haben sich für einen neuen Parteivorsitzenden entschieden: Der 40-jährige Holger Apfel wurde mit rund 60 Prozent der Stimmen zum neuen Bundes-NPD-Chef gewählt. Mit 126 zu 85 Stimmen setzte sich damit nicht nur ein neuer Parteivorsitzender gegen den seit 15 Jahren amtierenden Udo Voigt durch: Es ist auch die Entscheidung für einen politischen Kurs, der die „Nationaldemokratische Partei Deutschland“ in der Wählergunst wieder erfolgreicher dastehen lassen soll als dies zuletzt der Fall war.
Wer ist Holger Apfel?
Der gebürtige Hildesheimer Holger Apfel hat bereits in Sachsen unter Beweis gestellt, dass es sich lohnen kann, die offene NS-Verherrlichung und reißerische Demokratiefeindlichkeit nach außen hin wegzulassen (nur nach außen hin!), und sich stattdessen als „Kümmererpartei“ für die Sorgen der „kleinen Leute“ zu inszenieren. 2004 kam die NPD in Sachsen unter Apfels Führung auf 9,2 Prozent der Stimmen. Und auch wenn sie davon einige verloren, gelang der NPD Sachsen doch 2009 erstmals, ein zweiten Mal in Folge in den Landtag zu kommen – diesmal mit 5,6 Prozent der Stimmen. Die parlamentarische Demokratie – die auch Holger Apfel und Co. im tiefsten Herzen ablehnen – soll so für die „nationale Sache“ genutzt werden – etwa das Geld, dass gewählte Abgeordnete erhalten, um rechtsextreme Strukturen zu finanzieren, die Parlamente als Bühnen für rechtsextreme Ideologie. Die Straffreiheit für Abgeordnete kommt den NPD-Mitgliedern auch zupass – zumindest, so lange sie aufrechterhalten wird. Holger Apfel hat in Sachsen bereits hinreichend bewiesen, dass er es gut versteht, Rassismus, Nationalismus und Demokratiefeindlichkeit so geschickt zu verpacken, dass es der Öffentlichkeit manchmal schwerfällt, sie noch zu erkennen und benennen. Holger Apfel trifft einen Nerv für Vorurteils- und Abwertungsstrukturen in der Gesamtgesellschaft.
Auch in der persönlichen Präsentation unterscheidet sich Holger Apfel eklatant von seinem Vorgänger: Apfel spricht, wenn es ihm nutzt, auch mal freundlich bis jovial mit Presse oder Gegenaktivisten. Dass er auch radikaler auftreten kann – wie er immer wieder taktisch schlau nach gewonnenen Wahlen zeigt – sichert ihm Rückhalt in der Kameradschaftsszene. Gern zeigt er sich als Familienvater mit seiner Frau Jasmin und den drei gemeinsamen Kindern. Die Apfels erscheinen gern als ein blonde rotbackige rechtsextreme Vorzeigefamilie entsprechend der bei Neonazis beliebten Volksgemeinschafts-Fantasien. Allerdings in der modernen Version: Jasmin Apfel ist zwar Hausfrau und Mutter, gehört aber selbst aktiv zur rechtsextremen Szene und ist in der NPD-Frauenorganisation „Ring nationaler Frauen“ aktiv.
Der neue NPD-Parteivorstand
In diesem Kurs, den Holger Apfel selbst im Vorfeld als „seriöse Radikalität“ bezeichnete, sieht die NPD also nun ihre Zukunft. Die Amtszeit des bisherigen NPD-Vorsitzenden Udo Voigt geht damit nach 15 Jahren zu Ende. Als Stellvertreter Apfels wurden: Udo Pastörs, der Vorsitzende der NPD-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Karl Richter, Chefredakteur der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“, und NPD-Funktionär Frank Schwerdt aus Thüringen gewählt. Alle sind bewährte Parteipolitiker, die aber bis auf Schwerdt auch für Apfels Kurs stehen – auch wenn sie teilweise bereits unter Udo Voigt zum NPD-Parteivorstand zählten. Lediglich einen Wunschkandidaten hat Holger Apfel hier nicht installieren können: Statt Frank Franz (NPD Saarland) wurde Frank Schwerdt gewählt. Die NPD-Führungsriege vervollständigen die Beisitzer des Parteivorstandes. Hier wurden nach Berichten aus rechtsextremen Medien Eckart Bräuninger, Matthias Faust, Birgit Fechner, Frank Franz, Jörg Hähnel, Andy Knape, Wolf Lehner, Jens Pühse, Ricarda Riefling, Wolfgang Schimmel, Arne Schimmer, Andreas Storr, Patrick Wieschke, Ronny Zasowk und Klaus Beier gewählt. Damit sind zwei von Holger Apfels Wunschkandidaten nicht dabei: Claus Cremer und der JN-Vorsitzende Michael Schäfer. Dafür standen Matthias Faust und Klaus Beier nicht auf Apfels Wunschliste.
Der neue Kurs praktisch
Dass Apfel ein Taktierer ist, zeigt bereits sein Schlusswort auf dem Parteitag nach seiner Wahl: Die NPD als „volks- und heimattreue Partei“ wolle sich von „Brüsseler Globalisierungsfanatikern“ abgrenzen. Und wo? In Brüssel. Denn das Bundesverfassungsgericht hat vor drei Tagen die Fünf-Prozent-Hürde bei den Europawahlen gekippt. Die Karlsruher Richter erklärten die Sperrklausel für verfassungswidrig und nichtig, weil sie gegen die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit der Parteien verstoße. Jetzt träumt Holger Apfel von einem Einzug ins Europaparlament 2014: Dies diene der Vernetzung mit Rechtsextremen in Europa – aber vor allem sei es die Chance, „erstmalig in der Parteigeschichte bei einer bundesweiten Wahl Mandate für die NPD zu erringen und den Bonzen im Europaparlament künftig die Levisen lesen zu können?. Davon erhofft sich Apfel auch Aufschwung für die Landtags-Wahlen im Herbst 2014 in Sachsen, Thüringen, Brandenburg und dem Saarland. Das mag nicht jeder NPD-Wähler sofort verstehen – Apfel scheint aber der richtige Mann zu sein, um solche Feinheiten auf den pro Wählerschicht nötigen Kern zu reduzieren. Er kann brüllen und überzeugen, wie es gerade passt.
Die Lage der NPD: Desolat
Immerhin ist der aktuelle Zustand der NPD desolat, wie laut einem Bericht der ZEIT auch der Parteitag offenbarte. Die NPD ist finanziell ruiniert, die Mitgliederzahlen sinken, und Neumitglieder verlassen die Partei oft schnell wieder. Der Parteiverlag und -versand Deutsche Stimme sei von überforderten Geschäftsführern heruntergewirtschaftet worden. Die Nachwuchsorganisation JN verzeichnet sinkende Mitgliederzahlen und bekommt nicht einmal ordentliche Rechenschaftsberichte hin.
Gesellschaftlich relevant?
Trotzdem muss die Gesellschaft gerade vor der ihr Auftreten wandelnden NPD auf der Hut sein: Wir könnten es bald mit einer NPD zu tun haben, die ihre wahre Ideologie immer besser verschleiert – hinter Engagement gegen den Euro oder gegen Kindesmissbrauch, das auf viel Zustimmung in der Gesellschaft stößt, weil die Menschen rassistische oder nationalistische Zwischentöne geflissentlich überhören – oder gar selbst teilen. Es wird Aufgabe von Politik und Zivilgesellschaft sein, auf den menschenfeindlichen Gehalt von NPD-Politik und rechtsextremer Ideologie hinzuweisen. Ein Verbot, wie es angesichts des rechtsextremen Terrors der Zwickauer Zelle nun wieder reflexartig gefordert wird, wird einer solchen NPD übrigens noch weniger schaden als bisher – es wird vielleicht bald auch kaum mehr auf einer beweisbaren Grundlage stehen können. An einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, der Menschenverachtung, dem übersteigerten Nationalismus, der Gewaltbereitschaft, der Führerhörigkeit des Rechtsextremismus – und ihren Schnittstellen in die „Mehrheitsgesellschaft“ – führt kein Verbot vorbei.
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Mehr im Internet:
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