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Neuheidentum/Neopaganismus

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Aus dem Griechischen „neo“ („Neu“) und Lateinischen „paganus“ („Dorf-, Landbewohner“).

Als Neuheiden oder Neopaganisten werden Zeitgenossen bezeichnet, die sich zu vorchristlichen Religionen bekennen. Da Schriftquellen meist nicht existieren, und jene Personen, die Auskunft über Glaubensinhalte und Riten geben könnten, seit Jahrhunderten verstorben sind, können Neuheiden zur Grundlage ihres Glaubens nur Literatur heranziehen, die man als „Gründungsliteratur“ der Esoterik (aus dem Griechischen: das innere, innerliche Wissen) und des Okkultismus (aus dem Lateinischen: Lehre vom Verborgenen) bezeichnen kann. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führten Nationalismus und in seinem Gefolge die entstehende völkische Ideologie zu dem Wunsch, eine naturnahe Spiritualität zu leben, wie sie auch den „Vorfahren“ zu Eigen gewesen sei. Oft ist damit die Vorstellung verbunden, das Christentum sei eine von „fremden Mächten“ den „Völkern Europas“ aufgezwungene, „artfremde“ Religion zu dem Zweck, diese für fremde Machtansprüche gefügig zu machen. Meist werden als Urheber dieser „Weltverschwörung“ „die Juden“ ausgemacht und darauf verwiesen, dass das Judentum die ältere der beiden Schwesterreligionen aus Judentum und Christentum sei. Doch auch wo die Vorstellung von der Unterdrückung durch das „artfremde“ Christentum als Unterdrücker nicht explizit auf das Judentum verweist, verbirgt sich hinter dieser Verschwörungstheorie kaum verholen das antisemitische Stereotyp von der „jüdischen Verschwörung zur Weltherrschaft“.

Das Fehlen verlässlicher Quellen für die vermeintlich „ursprüngliche“ Religiosität des vorchristlichen Europa hatte zweierlei Folgen: Autoren wie die Theosophin (Theosophie: „die Lehre vom Göttlichen“) Helena Petrovna Blavatsky (12.8.1831 – 8.5.1891), der Anthroposoph Rudolph Steiner (27.2.1861 – 30.3.1925), dessen „Lehre vom Menschen“ v. a. eine des „Geistesmenschen“ war und wesentliche Impulse von der Theosophie erhalten hatte, die Ariosophen (Ariosophie: „Lehre von den Ariern“) Guido von List (5.10.1848 – 17.5.1919) und Jörg Lanz von Liebenfels (19.7.1874 – 22.4.1954) oder auch der Okkultist Aleister Crowley (12.10.1875 – 1.12.1947), um nur einige zu nennen, bezogen ihr vorgebliches Wissen um die heidnische Spiritualität aus vielen verfügbaren Quellen weltweit. Sie argumentierten, jede ursprüngliche Religion schöpfe aus der gleichen Quelle, es komme also nicht darauf an, wo und in welchem kulturellen oder historischen Zusammenhang die jeweiligen religiösen Vorstellungen entstanden seien, derer sie sich je bedienten. Zum anderen behaupteten nicht wenige von ihnen, Theophanien empfangen zu haben, d. h. göttliche Offenbarungen, die ihnen die innere, spirituelle (Spiritualität, aus dem Lateinischen: Geistigkeit) Wahrheit gewiesen hätten.

So entstand ein wahrer Flickenteppich aus religionshistorischen Versatzstücken der ganzen Welt, aus dem Neopaganisten bis heute meist völlig unkritisch schöpfen. Verbunden wird das mit einem ausgeprägten Hang zu Irrationalismus und Verstandesfeindlichkeit: innere, okkulte oder spirituelle Wahrheiten erschlössen sich eben nicht durch den Verstand, so wird argumentiert, sondern durch Emotionalität, Intuition oder eben durch göttliche Offenbarungen. Oder in anderen Worten: die von Neopaganisten vertretenen Lehren kann kann man nicht wissen, sondern allein glauben, spüren oder fühlen.

Von Neuheiden oft vertretene Zivilisationskritik behauptet, die moderne Zivilisation leide an einem Mangel an Spiritualität. Moderne Gesellschaften mit ihrer vernunftgeleiteten Suche nach Problemlösungen seien sowohl dem „Ursprünglichen“ als auch der Natur entfremdet, künstlich und kalt. Ganz ähnlich argumentieren Rechtsextremisten, wenn sie anstelle vernunftgeleiteter Herrschaftsformen das Führerprinzip setzen und auf Genie und Intuition Einzelner hoffen.

Ein weiterer wichtiger Anknüpfungspunkt zwischen Neopaganismus und Rechtsextremismus ist der in der esoterischen Gründungsliteratur vielfach vertretene Rassismus. Im Zentrum der Theosophie stand etwa die Lehre von den „Wurzelrassen“, nach der die „menschlichen Rassen“ verschiedenen Entwicklungsstufen entsprächen, darunter die „Arier“ als die höchst entwickelte. Diese „Lehre“ fand Eingang in die Ariosophie und wurde damit zu einem Wegbereiter der nationalsozialistischen „Rassenlehre“. Auch der Anthroposoph Rudolf Steiner griff die Vorstellung von den „Wurzelrassen“ auf. Anthroposophen verteidigen ihn heute mit dem Argument, einschlägige Textpassagen nähmen nur einen verschwindend geringen Teil seines ausgesprochen umfangreichen Textkörpers ein. Der Rassismus der Theosophie sei mithin nicht bestimmend für das Denken Steiners gewesen.

Neopaganismus ist nicht grundsätzlich rechtsextrem. Allerdings hatte er erheblichen Einfluss auf den Nationalsozialismus und nicht wenige seiner Glaubenssätze weisen einen hohen Verwandtschaftsgrad zu rechtsextremen Ideologemen auf.

Dieser Text wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung

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