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Wahlen Verhindert Nordhausen am Wochenende den ersten AfD-Oberbürgermeister?

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Symbolbild: Stimmzettel. (Quelle: Flickr / Tim Reckmann / CC BY 2.0)

2017 stellte die AfD im brandenburgischen Lebus zum erstmal einen Bürgermeister. Im Juni 2023 wurde Robert Sesselmann für die Partei zum Landrat des thüringischen Kreises Sonneberg gewählt. Wird am 24. September 2023  das erste Mal das Amt eines Oberbürgermeisters in Deutschland von der AfD besetzt?

Bei der Wahl zum Oberbürgermeister im thüringischen Nordhausen traten am 10. September sechs Kandidat*innen an. Für die AfD ging der 61-jährige Unternehmer Jörg Prophet ins Rennen. Der bisher amtierende, parteilose Oberbürgermeister Kai Buchmann, 47 Jahre alt, galt trotz eines laufenden Disziplinarverfahrens als Favorit. Von der SPD trat die amtierende erste Bürgermeisterin Sandra Rieger an, für die CDU der parteilose Schulleiter Andreas Trump. Für den Sozialwissenschaftler Carsten Meyer, der für die Grünen kandidierte und den Arbeitsrichter Stefan Marx von der FDP bestanden nur geringe Chancen.

Nach dem ersten Durchgang landete Jörg Prophet von der AfD 42,1 Prozent auf Platz eins, gefolgt von Kai Buchmann mit 23,7 Prozent. Da damit keiner der beiden Kandidaten mehr als die Hälfte der Stimmen erzielte, werden sie am 24. September in einer Stichwahl gegeneinander antreten.

Kai Buchmann gibt sich optimistisch und äußerte in der taz, dass sein Ergebnis im ersten Wahlgang gut sei und in der aktuellen Situation das Beste zu Erwartende gewesen wäre.  Nun müssten sich die Menschen bei der Stichwahl entscheiden. Einen Sieg Herrn Prophets sieht er noch nicht als ausgemacht.

Grünen Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich erklärte auf der Social-Media-Plattform „X“ (vormals Twitter), dass man das Ergebnis nicht schönreden könne. Jetzt gelte es für Demokrat*innen, erst recht zusammenzustehen.


Auf Anfrage von Belltower.News, ob die demokratischen Parteien eine Empfehlung für Buchmann abgeben werden, antwortete der Ortsverband der SPD, dass in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Kreisvorstand zu dem Schluss gekommen wurde, dass ein AfD-Kandidat zu 100 % abzulehnen sei. Die SPD stehe seit über 160 Jahren für Vielfalt, Weltoffenheit und Toleranz. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rufen dazu auf, Kai Buchmann als Oberbürger zu wählen. Max Reschke, Landessprecher von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Thüringen, dazu: „Wir rufen daher dazu auf, im zweiten Wahlgang Kai Buchmann zu wählen. Nordhausen steht für vieles: Kultur, Industrie, Hochschule und nicht zuletzt auch für seine historische Verantwortung gegenüber den Opfern des Faschismus. Diese Vielfalt und Strahlkraft braucht eine offene und in die Zukunft gerichtete Politik. Diese Verantwortung sehen wir bei der AfD in den falschen Händen.“ Die Antwort des Kreisverbands der CDU ist bis Redaktionsschluss nicht eingegangen.

In Nordhausen befand sich die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Im Nationalsozialismus war es ein Außenlager des Stammlagers Buchenwald. Das Lager Dora war der größte Einzelstandort und der Sitz der Kommandantur des im Herbst 1944 neu organisierten „KZ Mittelbau“. Dort wurden Häftlinge interniert, die als Zwangsarbeiter beim Ausbau der unterirdischen Rüstungsfabrik „Mittelwerk GmbH“ eingesetzt wurden. Dort wurde die von Goebbels als „Vergeltungswaffe“ bezeichnete V2-Rakete hergestellt. Dabei starben ca. 20.000 Zwangsarbeiter. Bekannte Häftlinge im KZ Mittelbau-Dora waren unter anderen der Schriftsteller und Widerstandskämpfer Jean Améry und der spätere Präsident des Zentralrats der Juden, Heinz Galinzki.

Der Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwand und Mittelbau Dora, Jens-Christian Wagner, äußerte in einem Interview mit MDR Thüringen seinen Unmut die Oberbürgermeisterwahl betreffend: „Für Mittelbau-Dora und die gesamte Stadt Nordhausen wäre das meines Erachtens eine Katastrophe“, meint Wagner. Gedenkstättenarbeit mache nur Sinn, wenn sie in ihr gesellschaftliche Umfeld integriert sei, führt er weiter aus und verweist auf die Gedenkveranstaltungen in Nordhausen. Hinzu kämen gemeinsame Anstrengungen bei der Umgestaltung des Ehrenfriedhofs der Stadt, auf dem bis zu 2.600 Opfer des Nationalsozialismus begraben sind. Über Jahrzehnte hinweg habe die Gedenkstätte mit den Stadtoberhäuptern Nordhausens eng zusammengearbeitet. Die Parteizugehörigkeit der jeweiligen Oberbürgermeister*innen sei dabei immer irrelevant gewesen. Mit dem AfD-Mann Jörg Prophet jedoch sei eine Kooperation völlig undenkbar. Gründe dafür seien, dass Prophet zu einem Landesverband gehört, der von Björn Höcke geleitet wird. Dieser wird vom Verfassungsschutz mit vielen Belegen als gesichert rechtsextrem eingestuft.

Im Kontext eines Treffens Prophets mit dem rechtsextremen „Compact-Magazin“ mitten im Wahlkampf erklärt Wagner weiter, dass man sich nur die geschichtspolitischen Äußerungen und Handlungen Prophets ansehen müsse, um festzustellen, dass er bei weitem nicht so gemäßigt sei, wie er sich darzustellen versuche. Auf Einladung des Gründers und Chefredakteurs, Jürgen Elsässer, sei Prophet zwischen dezidierten Neonazis und sogenannten Reichsbürgern aufgetreten.

Des Weiteren habe Prophet den 8. Mai 1945 zum „Tag der Niederlage“ verklärt und bediene sich eines Vokabulars, das aus dem Jargon der extremen Rechten stamme. Sollte Prophet die Wahl gewinnen, werde es aus diesen Gründen keinerlei Kooperation geben. „Er ist in der Gedenkstätte Mittelbau-Dora nicht willkommen, solange er sich nicht glaubhaft von den extrem rechten Positionen seiner Partei distanziert. Und dazu ist er ja ganz offensichtlich nicht bereit.“

Auch das „Internationale Komitee Buchenwald, Dora und Kommandos“ (IKBD) gab eine Erklärung ab. In dieser heißt es, dass es unvorstellbar sei, dass die letzten Überlebenden der Konzentrationslager und ihre Familien nächsten April 2024 und zum 80. Befreiungstag, 2025, in Nordhausen von einem Bürgermeister aus den Reihen einer Partei begrüßt werden könnten, deren politisches Programm aus Aufrufen zu Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Nationalismus und Revisionismus bestünde.

Das IKBD trage die Erbschaft von den Häftlingen von Buchenwald und Mittelbau-Dora und die Werte des Schwurs von Buchenwald, bei dem etwa 20.000 Menschen am 19. April 1945 schworen, gegen die Wurzeln des Nationalsozialismus weiterzukämpfen und einen unerschütterlichen Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Hass und Ausgrenzung zu führen.

Foto: Flickr / Tim Reckmann / CC BY 2.0

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