Die Wahlentscheidung der NPD-Delegierten für den Spitzenplatz bei den Europawahlen ist für viele eine Überraschung: Mit 93 zu 71 Stimmen setzt sich Udo Voigt gegen seinen Kontrahenten Udo Pastörs durch. Pastörs, der wie Voigt zum radikalen Flügel der Partei zählt und sich etwa für die Zusammenarbeit mit „Freien Kameradschaften“ einsetzt, übernahm erst im Januar 2014 nach Holger Apfels Rücktritt den Parteivorsitz. Vorgänger Apfels an der Parteispitze war der nun zum Spitzenkandidaten gewählte Udo Voigt, der 2011 unter Mitwirkung von Pastörs aus seinem Amt als Parteivorsitzender gedrängt wurde.
Voigt blieb nach seiner Absetzung aber keineswegs untätig. Er gründete mehrere sogenannte Freundeskreise zu seiner Unterstützung und tourte in den letzten Wochen durch Deutschland und Österreich. Vordergründig ging es um die Vorstellung seines neuen Buches, vermutlich aber auch um Werbung für seine Spitzenkandidatur.
Als Pastörs so in der Abstimmung um den Spitzenplatz unterlegen war, zog er seine Kandidatur zurück, stellte sich für die folgenden Plätze auf der Liste nicht mehr zur Wahl. Auf Platz 2 und 3 gewählt wurden der Historiker Olaf Rose, der oft bei rechtsextremen und geschichtsrevisionistischen Veranstaltungen als Vortragsredner auftritt, und Jens Pühse, der neben diversen Parteiaktivitäten auch Versandhändel für Rechtsrock betreibt. Das Nachsehen hatten dagegen NPD-Generalsekretär Peter Marx und NPD-Vize Karl Richter, die auch beide auf die Kandidatenliste wollten und es nicht geschafft haben.
Als Wahlziel gab Voigt den Einzug der NPD ins Europaparlament aus. Die NPD hofft, dass das Bundesverfassungsgericht die Dreiprozenthürde noch kippen wird und sie so bei einem Wahlergebnis von 1,5 bis 1,8 Prozent bis zu drei Vertreter ins europäische Parlament schicken kann. Programmatisch setzt die Partei mit dem Wahlkampfmotto „Festung Europa schaffen – Asylflut stoppen“ in der aktuellen Flüchtlingsdebatte wieder auf rassistische Töne. Voigt gab außerdem an, Kontakte mit anderen europäischen, rechtsextremen Parteien wie der griechischen „Goldenen Morgenröte“ herstellen zu wollen.
Die NPD befindet sich aktuell aber in einer Krise: Neben den internen Querelen um Holger Apfel und dessen Rückzug aus allen Parteiämtern und Mandaten im Dezember und Januar 2014 hat die Partei auch mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Der Bundestag überweist momentan wegen einer Millionenstrafe nach einem falschen Rechenschaftsbericht keine staatlichen Parteienmittel mehr. Die rund 303.000 Euro pro Quartal wären für diverse Wahlkämpfe 2014 aber von Nöten. In Umfragen für die drei anstehenden Landtagswahlen liegt die NPD jeweils unter der wichtigen Fünfprozenthürde. Außerdem bedroht sie das aktuelle Verbotsverfahren.
Der Parteitag hätte ursprünglich in Saarbrücken stattfinden sollen. Aufgrund eines Formfehlers beim Ausfüllen eines Formulars des Generalsekretärs Peter Marx zog die Stadt kurzfristig die Zusage für eine Halle zurück. Als Alternative diente der NPD ein Gasthof im thüringischen Kirchheim 20 Kilometer südlich von Erfurt, wo schon öfter Veranstaltungen der Rechtsextremen stattfanden. Zu den Gegenprotesten kamen rund 200 Demonstranten, die die Delegierten mit Pfiffen empfingen. Verschiedene Initiativen und Netzwerke hatten zu der Gegendemo aufgerufen. CDU, SPD, Linke und Grüne unterstützten ebenfalls die Proteste, bei denen auch Mitglieder der Landesregierung zugegen waren.