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NPD-Pressefest in Pasewalk Wegen Gegenaktionen Programm bereits gekürzt

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Kein Ort für Neonazis: Pasewalk zeigt Flagge gegen Rechts (Quelle: www.patrick-dahlemann.de)

Anfang Juni wurde bekannt, dass das diesjährige NPD-Pressefest im Örtchen Viereck bei Pasewalk, Region Uecker-Randow, veranstaltet wird. Das „Pressefest“ der Neonazi-Zeitschrift „Deutsche Stimme“ zählt zu einer der größten bundesweiten Neonazi-Veranstaltungen und sticht durch bekannte Redner*innen und hohe Besucherzahlen hervor. Die 1.000er Marke bei den Besucherzahlen wurde stets überschritten, in Hoch-Zeiten versammelten sich 2004 sogar rund 7.000 Neonazis, 2006 waren es 4.000. Danach gab es eine kurze Pause. 2010 wurde das Fest wieder ins Leben gerufen und zog 1.200 Neonazis an, ein Jahr später waren es 1.500 Besucher. Seit seiner ersten Auflage 2001 wurde das Pressfest fast ausschließlich in Sachsen abgehalten. Nur 2002 bildet die Ausnahme – in dem Jahr fand das Pressefest in Königslutter in Niedersachsen statt. Dieses Jahr wechselt die Veranstaltung wieder in ein neues Bundesland und wird zum ersten Mal in Mecklenburg-Vorpommern abgehalten.

Die Wahl Mecklenburg-Vorpommerns und vor allem der Region Uecker-Randow als Veranstaltungsort kommt weniger überraschend. Die rechtsextreme Szene hat sich im Kreis Vorpommern-Greifswald, dem auch die Region angehört, schon länger etabliert. So zum Beispiel in dem Dorf Koblentz, das 10 km von Viereck entfernt liegt. Bei den Landtagswahlen 2011 erreichte die NPD hier ein Ergebnis von 33,1% und auch in anderen Ortschaften erreicht die NPD durchgängig zweistellige Werte. Gegenwehr zu NPD-Demos und rechtsextremen Übergriffen findet nur selten statt, wodurch sich die rechtsextreme Szene weiter verankert hat und weiter gewachsen ist.

Diesmal gibt es Widerstand in der Region

Doch anlässlich des Pressefestes hat sich nun Widerstand formiert. Am 05.07.2012 trafen sich rund 80-100 engagierte Menschen aus Gewerkschaften, Parteien und Initiativen, um geeignete Gegenstrategien zu der Veranstaltung, aber auch längerfristige Gegenwehr gegen die rechtsextreme Präsenz in der Region zu besprechen. Daraus entstand das Aktionsbündnis „Vorpommern: weltoffen, demokratisch, bunt!“, welches nun zu einer Menschenkette am 10./11. August aufruft. Die Menschenkette soll sich von Pasewalk bis in die Nähe des Veranstaltungsortes Viereck erstrecken. Nach Einschätzung des Pasewalker Bürgermeisters Rainer Dambach werden für die Menschenkette über eine knapp vier Kilometer lange Strecke ungefähr 2000 Leute benötigt. Auf dem Marktplatz in Pasewalk soll anschließend ein Demokratiefest abgehalten werden. Auch die Amadeu-Antonio-Stiftung unterstützt den Aufruf.

Die Bedeutung des Bündnisses und der Gegenwehr ist nicht zu unterschätzen – stellt sie doch eine Entwicklung dar, die Hoffnung macht im Kampf gegen Rechtsextremismus. Die längerfristige Ausrichtung von „Vorpommern: weltoffen, demokratisch, bunt!“ zeigt, dass die Beteiligten nicht nur auf das Pressefest reagieren wollen, sondern aktiv gegen die Neonazi-Strukturen der Region vorgehen. Dieses Selbstverständnis wird in der Mission des Bündnisses deutlich: „Langfristige Initiative für demokratische Werte in Mecklenburg-Vorpommern. Kurzfristig für ein weltoffenes, demokratisches und buntes Vorpommern & gegen das rechtsextremistische ‚Pressefest‘ der neonazistischen Postille ‚Deutsche Stimme‘.“

Einschüchterungsversuche verpuffen

Auch Einschüchterungsversuche seitens der Neonazis bringen die Beteiligten nicht davon ab, sich gegen die rechtsextreme Szene zu engagieren – so tauchten auf einer NPD-Website Namen und Zitate aus dem Gründungsprotokoll auf. Zusätzlich waren einige lokale Neonazis bei dem Gründungstreffen erschienen, die sich unauffällig gaben, um nicht aufzufliegen – und um Namen und Strategien zu notieren. Drei Neonazis wurden schon bald enttarnt und des Raumes verwiesen, wobei es durchaus möglich ist, dass noch andere erfolgreich an dem Gründungstreffen teilnahmen, ohne auf zu fallen. In der Pause wurde beispielsweise noch ein bis dahin unentdeckter Neonazi des Raumes verwiesen. Laut Bürgermeister Rainer Dambach erfreut sich das Bündnis dennoch eines beständigen Zulaufes, was im Kontext der Einschüchterungsversuche sehr positiv aufgenommen werden muss.

Die Gegenaktivitäten zeigen erste Wirkung

Am heutigen Freitag wurde bekannt, dass das Engagement des Aktionsbündnisses schon erste Wirkung zeigt: Das Programm des Pressefestes ist im Vergleich zu den Vorjahren gekürzt worden. Im Gegensatz zu den letzten Jahren finden am Freitag keine Veranstaltungen statt, sogar das für den Abend geplante „gemütliche Beisammensein bei Grillwaren und Getränken“ mit dem rechtsextremen Liedermacher Frank Rennicke wurde abgesagt. Als Grund geben die Veranstalter*innen ein Zeltverbot auf dem Gelände an. Auch der Kartenvorverkauf sowie der Bus-Shuttle vom Pasewalker Bahnhof und dem Veranstaltungsgelände wurden mittlerweile eingestellt. Über die Gegenveranstaltungen des Pasewalker Aktionsbündnisses wird ebenfalls informiert, während das Pressefest dieses Jahr nur für 600 Teilnehmer angemeldet ist, obwohl sich in den Vorjahren immer über 1000 Teilnehmer zusammen fanden.

Derweil versucht die NPD, dem Pressefest einen kinderfreundlichen und kulturellen Anstrich zu geben, um das harmlose Image, dass sogar Neonazis hier oft haben, in der Mitte der Gesellschaft weiter zu verfestigen. Neben einer Hüpfburg, Essen, Getränken, Infoständen und Musik werden nach bisheriger Planung außerdem bekannte Namen der rechtsextremen Szene auf dem Fest zu Wort kommen: Holger Apfel, NPD-Bundesvorsitzender, sowie Udo Pastörs, NPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns, wurden schon als Redner angekündigt. Auch der Nutzer des Bauernhofes, auf dem das Fest veranstaltet wird, der Verein „Sport- und Kulturwiese“, hat dort schon oft Konzerte des „Jugendbundes Pommern“ veranstaltet hat. Mitglied ist unter anderem der Neonazi Henry S., der nach einem Übergriff auf einen vietnamesischen Bürger zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. 

Weil die rechtsextreme Szene sich offensichtlich schon fest in der Region und in weiten Teilen der Gesellschaft etabliert hat, ist das Aktionsbündnis und die geplante Menschenkette in Pasewalk von großer Bedeutung für die Bekämpfung rechtsextremer Strukturen in Mecklenburg-Vorpommern. Die Amadeu Antonio Stiftung und die Initiative „Laut gegen Nazis“ unterstützen deshalb den Aufruf von „Vorpommern: weltoffen, demokratisch, bunt!“ und begrüßt das Engagement der beteiligten Bürger*innen.

Mehr Informationen: Bündnis „Vorpommern: weltoffen, demokratisch, bunt!“:

Homepage: www.vorpommern-weltoffen-demokratisch-bunt.euFacebook: www.facebook.com/vorpommern.weltoffen.demokratisch.bunt

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