Unter rechtsextremen Kampfsportler*innen gibt es Veganer*innen, Neonazis plakatieren „Umweltschutz ist Heimatschutz“, Wutbürger*innen engagieren sich aus rassistischen Gründen gegen das Schächten und Hitler war ja auch Vegetarier: Manche Aspekte zum Thema Rechtsextreme und Umweltschutzes sind inzwischen durchaus bekannt. Eine extrem rechte ökologische Bestrebung ist es allerdings nicht: rechtsextreme Öko-Faschist*innen. Das ist besonders brisant, da sich auch rechtextreme Terroristen der letzten Jahre auf eine rassistische Blut-und-Boden-Ideologie bezogen.
Brenton Tarrant, der Mörder an 51 Menschen in zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch (März 2019), benannte sein Manifest „The Great Replacement“ („Der Große Austausch“). Patrick Crusius, der Attentäter von El Paso (August 2019), der einen Supermarkt an der mexikanischen Grenze stürmte und 22 Menschen tötete und weitere 24 Menschen verletzte, schrieb in seinem Manifest vor der Angst des „Großen Austausches“. Doch neben dem Glauben an rechtsextreme Verschwörungsideologien verbindet sie auch noch der Glaube an einen Zusammenhang von Nationalismus und Umweltbewusstsein.
Crusius etwa bezeichnet in seinem Manifest, dass er vor seinen Morden auf dem Imagebord 8chan veröffentlichte, Einwanderung als „Umweltkrieg“ und behauptet, es gebe keinen Nationalsozialismus ohne Umweltschutz. Und nach dem Massaker von White Supermacist (Anhänger des Glaubens an die Vorherrschaft einer „weißen Rasse“) Brenton Tarrant in Neuseeland sprach Trump-Beraterin Kellyanne Conway davon, dass der Attentäter mehr mit der Hippie-Bewegung gemein hätte als mit Donald Trump. Allerdings hat diese neue Form des Öko-Faschismus kaum etwas mit sich an Bäume kettenden Umweltaktivist*innen gemein. Es ist keine Randbewegung von der Tierrechtsorganisation PETA oder Greenpeace. Es sind Ökoterroristen, die der Überzeugung anhängen, dass der Klimawandel nur durch Eugenik (die Lehre von der „Reinhaltung“ des eigenen Volkes) und die Vertreibung oder Vernichtung von Migrant*innen und Jüd*innen bewältigt werden kann.
Vernetzung via Telegram, VK und Steam
Dehumane und extreme Einstellung bezüglich Menschenleben und Natur liest man mittlerweile immer häufiger im Internet. Beispielsweise auf dem Messenger-Dienst Telegram, auf der russichen Facebook-Alternative VK oder auf Steam gibt es etliche solcher ökofaschistischen Gruppen, die ins terroristische Milieu hineinragen, zum Teil mit mehreren tausend Mitgliedern. Hier werden antisemitische Memes gepostet, auf denen Hitler ganz tierlieb zu sehen ist, während ein orthodoxer Jude gerade ein Tier quält. Bilder von Soldat*innen, bevorzugt vom Asow-Regiment aus der Ukraine, die süße Kätzchen im Arm halten. Rassistische Propaganda, dass man doch für die brennenden Wälder Australiens spenden soll und nicht an schwarze Menschen. Die Bildsprache erinnert oft stark an das Design der rechtsterroristischen Gruppe „Atomwaffen Division“. Und genau wie diese Terror-Gruppe posten auch die Öko-Faschisten immer wieder Videos von Schießtrainings. Wie viele der modernen Cyber-Nazis hegt auch diese Gruppierung eine gefährliche Faszination für Waffen. In Chat-Gruppen werden zudem Dokumente mit Anleitungen zum Bau von Bomben verbreitet.
Faschistische Bewegungen mit umweltbewussten Anliegen
Immer wieder wird in dieser Szene in Memes auf Massenmörder rekurriert. Je mehr Menschen sie kaltblütig getötet haben, desto höher stehen sie in der Gunst der Öko-Faschisten. In einem Manifest dieser jungen, militant auftretenden und nihilistischen Gruppe, sie nennen sich „The Green Brigade“, heißt es, sie strebten einen „autonomen, konservativen Lebensstil mit einem faschistischen Schwerpunkt“ an. Aus einer Unzufriedenheit mit modernen Gesellschaftsformen, lehnen sie die Moderne ab. Sie ziehen einen romantischen Vergleich zwischen erhabener Natur und einer angeblichen degenerierten und entarteten Moderne. Teil ihrer Bewegung zu sein, sei die einzige Rettung vor „giftigen und süchtig machenden Lebensmitteln, Hedonismus und Materialismus“. Eine faschistische Bewegung mit umweltbewussten Anliegen also.
Die Blut-und-Boden-Ideologie der Nazis
Die ideologischen Ursprünge dieser Bewegung liegen weit zurück, im Blut-und-Boden-Weltbild der Nazis. Bäuerliche Lebensformen wurden dabei nicht nur idealisiert und als Gegengewicht zur Urbanität gesetzt, sondern auch mit rassistischen und antisemitischen Ideen verknüpft, die eine germanisch-nordische Rasse als Bauerntum einem angeblichen jüdischen, entvölkerten Nomadentum entgegensetzen. Die ideologische Basis bot die Vorstellung eines rassistisch definierten Volkskörpers in harmonischer Einheit mit seinem Siedlungsgebiet. Für die reine, bäuerliche Gesellschaft brauchten die Nazis neuen Lebensraum, den sie im Osten eroberten und „germanisierten“.
Hitler über Umwelt- und Tierschutz-Buch: „Es ist meine Bibel“
Doch dieser völkische Rassismus ist heute und war damals kein rein deutsches Phänomen. Einer seiner Vordenker war Madison Grant, ein Anwalt aus New York, der zwei Standardwerke (1916 und 1933) für eine frühe Tier- und Naturschutz gepaart mit rassistischer Eugenik verfasste. Grants faschistische Ideen hatten offenbar maßgeblich Einfluss auf Adolf Hitler. „Es ist meine Bibel“, schrieb Hitler 1925 in einem begeisterten Brief an Grant. Der Autor schickte als Dank für die Fanpost ein Exemplar mit persönlicher Widmung nach Deutschland. Ein weiterer Fan von Grant ist offenbar Anders Behring Breivik, der 2011 in Norwegen 77 Menschen bei einem Massaker tötete. Offenbar wurde er von Grant inspiriert.
Savitri Devi vermischt Hinduismus mit Hitlerismus
An Vorbildern mangelt es den Aktivist*innen nicht. Einige beziehen sich auf Savitri Devi. Eine 1905 geborene französische Wahlinderin, die für ihre Anhänger*innen eine Prophetin der arischen Wiedergeburt ist. Sie war der Meinung, Adolf Hitler sei die Verkörperung eines hinduistischen Gottes. Nach 1945 wurde sie für Teile rechtsextremen Szene zur spirituellen Führungsfigur.
Theodore Kaczynski – Der Unabomer
Und auch der ehemalige Mathematik-Professor Theodore Kaczynski genießt unter Öko-Faschist*innen ein hohes Ansehen. Sein Konterfei ist auf Memes und auf T-Shirts der Szene zusehen. Der Terrorist ist auch bekannt als „Unabomber“. Zwischen 1978 und 1995 tötete er mittels Briefbomben drei Menschen und verletzte 23. Vor seinen Morden entschied er sich 1971 für ein selbstversorgendes Einsiedlerleben in der Wildnis. Kaczynski behauptet in seinem Manifest, die Technisierung unserer Gesellschaft sei desaströs für die Menschheit, da hierdurch ein „System“ mit einem inhärenten Selbsterhaltungstrieb habe entstehen können, welches mehr und mehr negativen Einfluss auf den einzelnen Menschen nimmt.
Er schließt das Dokument mit der Folgerung, dass eine Revolution notwendig sei, mit dem Ziel eines möglichst baldigen Zusammenbruchs des Systems. Moderne Technik dürfe nur verwendet werden, um den Bruch des Systems zu beschleunigen. Diese, derzeit bei extrem Rechten beliebte Ideologie bezeichnet man als Akzelerationismus (Beschleunigung). Im rechtsextremen Sinn sollen Aktivist*innen mittels Attentaten Chaos und Unsicherheit auslösen, was zu einem Bürgerkrieg führen soll, an dessen Ende letztendlich ein weißer faschistischer Staat steht.
„14 Words“: Der Erhalt der eigenen „Rasse“
Für die moderne Art der Öko-Faschist*innen ist die Nation ein Ökosystem und nicht weiße Menschen sind unerwünschte Invasoren, die die natürliche Ordnung stören würden. Und zum Erhalt der „reinen, unschuldigen“ Natur müsse alles „Fremde“ beseitigt werden. Wobei Fremde in diesem Sinn alle nicht weißen, nicht heterosexuellen und nicht christlichen Menschen umfasst.
Es scheint als erhielte ein alter, klassischer Neonazi-Slogan durch die Öko-Faschist*innen ein neues, modernes Antlitz, die „14 Word“. Sie gelten als Glaubenssatz weißer Neonazis und Rassist*innen und sind besonders anschlussfähig für die neuen Umwelt-Nazis: „We must secure the existence of our people and a future for white children.“ Zu Deutsch: „Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für unsere weißen Kinder sichern.“
Brenton Tarrant: „Eco-fascist by nature“
Der Christchurch-Mörder Brenton Tarrant bezeichnete sich in seinem Manifest als „Eco-fascist by nature“ also „von Natur aus Öko-Faschist“, der „ethnische Autonomie für alle Völker mit dem Schwerpunkt auf dem Erhalt der Natur und der natürlichen Ordnung“ fordert. Der El Paso-Mörder schrieb in seinem „Manifest“, der US-amerikanische Lifestyle ermögliche „unseren Bürgern zwar eine unglaubliche Lebensqualität“, zerstöre gleichzeitig aber die Umwelt „unseres Landes“. Seine „Begründung“ des Massenmords in Texas: „Der nächste logische Schritt ist, die Zahl der Menschen zu reduzieren, die in Amerika Ressourcen nutzen. Wenn wir nur genug Menschen loswerden, kann unsere Lebensweise nachhaltiger werden.“