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OEZ-Attentat Viel zu hohe Ignoranz gegenüber den Hinterbliebenen

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Es dauerte lange, bis das rechtsextreme Motiv des OEZ-Attentats anerkannt wurde (Quelle: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Sachelle Babbar)

Am 22. Juli 2016 tötete der rechtsextreme 18-jährige David S. am Münchner Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) neun Menschen, weil sie Muslim:innen, Sinti:zze oder Rom:nja waren. Fünf weitere Personen verletzte er mit Schüssen. S. zielte vor allem auf junge Menschen mit Migrationshintergrund. Anschließend tötete er sich selbst. David S. hatte seine Tat akribisch geplant. Selbst Datum und Uhrzeit waren nicht zufällig gewählt. Zur selben Tageszeit, fünf Jahre zuvor, tötete der rechtsextreme Massenmörder Anders Behring Breivik mit der gleichen Tatwaffe in Norwegen 77 Menschen.

Dijamant Zabërgja (20 Jahre), Armela Segashi (14 Jahre), Sabina Sulaj (14 Jahre), Giuliano Josef Kollmann (19 Jahre), Sevda Dağ (45 Jahre), Chousein Daitzik (17 Jahre), Can Leyla (14 Jahre), Janos Roberto Rafael (15 Jahre) und Selçuk Kılıç (15 Jahre) starben am 22. Juli in München. Sieben der neun Todesopfer waren Muslime, fast alle hatten eine Migrationsbiografie oder gehörten einer Minderheit an. Zunächst hieß es aber, trotz diverser Hinweise auf rechtsextremistische Motive, dass die Tat nicht politisch motiviert, sondern ein Amoklauf gewesen sei. Das hat sich erst drei Jahre später nach drei Gutachten im Auftrag der Stadt München geändert.

Täter war Teil des international vernetzten digitalen Rechtsextremismus

Durch aufmerksame Internet-User:innen wurde die Polizei kurz nach dem OEZ-Anschlag auf einen weiteren potentiellen Amokläufer aufmerksam. Es kam bei dem damals 15-Jährigen David F. in Baden-Württemberg zu einer Hausdurchsuchung. Die Ermittler:innen fanden Fluchtpläne eines Gymnasiums, Chemikalien für Sprengsätze und Rohrbomben sowie Munition für Schusswaffen. David F. war offenbar in unmittelbarer Vorbereitung auf ein Attentat.

David S. und David F. chatteten auf der Gamingplattform „Steam“ immer wieder mit derselben Person: Mit dem späteren US-Attentäter William Atchison (21). Dieser hatte ein „Steam“-Forum namens „Anti-Refugee-Club“ gegründet, in dem er sich mit Gleichgesinnten, darunter S. und F. über rechtsextreme, rassistische Inhalte, Waffenbeschaffung und Mordfantasien austauschte. David F. hatte William Atchison eines Tages gefragt, ob der Amerikaner noch mehr Personen in Deutschland kenne, die sich für Amokläufe interessieren. Atchison verwies den 15-Jährigen daraufhin an S.. Nach den Morden am OEZ feierte Atchison den Münchner Attentäter im Internet als Held – und verhöhnte die Mordopfer. Nach dem Anschlag von München verfasste Atchison als Admin in dem Wikipedia nachempfundenen Szenen-Wiki „Encyclopedia Dramatica“ einen lobenden Eintrag über S.. Am 7. Dezember 2017 wurde der Amerikaner in Aztek, im Bundesstaat New Mexico, selbst zum Mörder: Er erschoss an einer Schule zwei Mexikaner. Danach beging er Selbstmord. Genau wie der Täter von Halle, war auch David S. im rechtsterroristischen virtuellen Raum vernetzt.

Es dauerte lange, bis das rechtsextreme Motiv anerkannt wurde

Trotz dieser ganzen Hinweise, die die Vertreter:innen der Angehörigen der Getöteten bereits im Prozess gegen den Waffenbeschaffer erfolglos vorgetragen hatten, hatte es lange gedauert, bis das rechtextreme Motiv der Tat anerkannt wurde. Ein Denkmal vor dem Einkaufszentrum erinnert an die Tat, eine metallener Ginkgo­baum und Fotos der neun Todesopfer, die ein massiver Ring zusammenhält. „In Erinnerung an alle Opfer des Amoklaufs vom 22. 7. 2016“ stand dort. Eine falsche Bezeichnung wie Angehörige der Opfer fanden. Denn die Bezeichnung „Amoklauf“ ist nicht korrekt. Aus gutem Grund haben die Ermittler:innen des Landeskriminalamts in Bayern nach langem Hin und Her 2019 die Tat als rechtsextremes Attentat eingestuft. Seit Herbst 2020, und einem langen Kampf der Opfer-Familien, weist darauf nun auch Inschrift am Denkmal vor dem Einkaufszentrum hin: „In Erinnerung an alle Opfer des rassistischen Attentats vom 22.7.2016.“

Bis heute fordern die Angehörigen eine Gedenktafel am Denkmal, die die Falschbezeichnung und deren Folgen thematisiert. Dies soll ein Teil einer nachhaltigen Erinnerungskultur werden, um die sich die Angehörigen derzeit bemühen. Auch eine Dauerausstellung im NS-Dokumentationszentrum ist dazu ebenso angefragt, wie unter anderem Präventionsprogrammen für Lehrer und Schüler zur „Gamification von Terror“.

Gedenken zum fünften Jahrestag

Am 22. Juli, dem fünften Jahrestag, richtet die Stadt München eine Gedenkveranstaltung aus. Auch in der Auseinandersetzung darum, wie ein würdiges Gedenken stattfinden kann, wird kaum auf die Wünsche der Angehörigen eingegangen, bemängelt Claudia Neher, die Rechtsanwältin einiger Angehöriger der Münchner Opfer, gegenüber Belltower.News. „Die Angehörigen werden hierzu bis heute nicht ausreichend in die Planungen einbezogen.“ Sie haben die Initiativen aus Halle und Hanau eingeladen. Doch weder die Angehörigen noch die Initiativen haben derzeit ausreichend Redezeiten zugewiesen bekommen. Ganz im gegensatz zum Oberbürgermeister. Dessen Gedenken wird von 13 bis 14 Uhr mit einer Live-Übertragung im Fernsehen übertragen. Dabei sollte es doch besonders an diesem Tag darum gehen, Angehörigen zuzuhören und deren Bedürfnisse wahrzunehmen. Es ist ein weiterer unnötiger Kampf den die Hinterbliebenen hier führen müssen.

„Während des Gerichtsprozess wurde die Chance vertan, zuzuhören und aufzuzeigen, dass wir es hier mit virtuellem Terror zu tun haben. Und leider scheint es so, dass auch jetzt zum Jahrestag den Angehörigen nicht zugehört wird“, kritisiert Claudia Neher. Genau wie in Halle und in Hanau stellt sich auch am Fall OEZ-Attentat die Frage, wie der Staat und wie wir als Gesellschaft mit den Hinterbliebenen rassistischer, antisemitischer und rechtsextremer Gewalt umgehen wollen.

Für weitere Information zum OEZ-Attentat können wir folgenden Podcast empfehlen:

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