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Partei- und Immunitätslos Wie steht es um Jörg Meuthen?

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Damals noch in der AfD: Jörg Meuthen am sächsischen Wahlabend 2019
Damals noch in der AfD: Jörg Meuthen am sächsischen Wahlabend 2019 (Quelle: Sandro Halank/CC BY-SA 4.0)

Für Jörg Meuthen sind es turbulente Zeiten. Wenige Wochen nach seinem Austritt aus der AfD, deren langjähriger Vorsitzender er war, verließ Meutzen zum 10. Februar 2022 auch die eigene Fraktion im EU-Parlament. Nur einige Tage später, am 14. Februar, hob das europäische Legislativorgan die Immunität des fraktionslosen Parlamentariers mit großer Mehrheit auf. Das Parlament gab damit einem Antrag der Berliner Staatsanwaltschaft statt.

Bereits Ende Januar stimmte der EU-Rechtsausschuss im Geheimen für die Aufhebung von Meuthens Immunität (vgl. T-Online). Die Abstimmung im Parlament galt demnach als Formsache. Als Resultat steht die Berliner Staatsanwaltschaft vor der Möglichkeit, ein Strafverfahren gegen Meuthen einzuleiten.

Den Hintergrund bildet eine Spendenaffäre aus dem Jahr 2016. Im Zuge der Landtagswahl in Baden-Württemberg unterstützte eine Schweizer PR-Firma Meuthens Wahlkampf mit Sachspenden in Höhe von etwa 90.000 Euro. Unterlagen des Europaparlaments ist zu entnehmen, dass Meuthen in seiner Rolle als Bundessprecher der AfD diese Spende „angeblich“ im Rechenschaftsbericht an den Bundestag für das Jahr 2016 „nicht klar ausgewiesen“ hat. Schon damals wertete der Bundestag dieses Versäumnis als verbotene Annahme einer anonymen Spende. Die AfD zahlte daraufhin ein Bußgeld in Höhe von 269.400 Euro.

Den Unterlagen nach steht gegen Meuthen ferner der Verdacht im Raum, in den Jahren 2017 und 2018 ebenfalls „falsche oder unvollständige Informationen“ in seine Rechenschaftsberichte aufgenommen zu haben.

Meuthen verabschiedete sich aus Partei und EU-Fraktion

Während es für Meuthen also an der Justizfront brenzlig werden könnte, schlug auch seine politische Karriere jüngst eine neue Richtung ein. War ihm die eigene Partei der eigenen Angabe nach zu rechts geworden, entschloss der EU-Parlamentarier am 10. Februar 2022, auch der dortigen Fraktion „Identität und Demokratie“ den Rücken zu kehren. Meuthen war bis dahin der stellvertretende Vorsitzende dieses parlamentarischen Zusammenschlusses rechtspopulistischer bis rechtsextremer Parteien. Diesen Posten gab er auch nach seinem Parteiaustritt zunächst nicht auf.

Als er sich doch zum Austritt entschloss, verwies Meuthen auf Äußerungen seines einstigen Parteikollegen Nicolaus Fest zum Tode des EU-Parlamentspräsidenten David Sassoli. „Endlich ist dieses Drecksschwein weg“, soll Fest im Januar 2022 in einer internen WhatsApp-Gruppe für Europaabgeordnete der AfD geschrieben haben (vgl. Tagesschau). Dem verbalen Ausbruch zum Trotz wählten die AfD-Parlamentarier Fest am 8. Februar zu ihrem neuen Fraktionschef. Fest ist damit Meuthens Nachfolge angetreten. Auf Twitter erklärte Meuthen zwei Tage später, dass eine Fraktion, „die einen Delegationschef duldet, der das Andenken eines soeben Verstorbenen beschmutzt“, nicht länger seine Fraktion sein könne.

Plant Meuthen eine neue Partei?

Erneut hat sich Meuthen also um Abgrenzung zu geschmacklosen Ausbrüchen und somit auch zum offensichtlich demokratiefeindlichen Milieu bemüht. Dass seine eigenen Positionen unverkennbare Überschneidungen mit rechtsextremen und verschwörungsideologischen Weltbildern aufweisen, mag dabei sekundär erscheinen. Denn Meuthen ist um die Wahrung einer vermeintlich bürgerlichen Fassade bemüht.

Es ist folglich keine Überraschung, dass der einstige AfDler in der Politik bleiben will. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung erklärte Meuthen demgemäß, mit „potenziellen neuen Partnern“ im Gespräch zu stehen. Er wolle sich so für den Aufbau einer „neuen politischen Kraft“ in Deutschland engagieren. Denn der betont bürgerliche Meuthen konstatiert „eine erhebliche Repräsentationslücke im konservativ-freiheitlichen Bereich“.

Jüngste Presseberichte deuten bereits an, wer diese Partner sein könnten. The Pioneer berichtete am 14. Februar exklusiv, dass Meuthen mit Alexander Mitsch und dem einstigen Chef des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen in Kontakt stehe. Bei den Gesprächen gehe es um die Gründung einer Partei, die politisch zwischen AfD und CDU verortbar sein soll. Sie soll sich demnach „wirtschaftsliberal und migrationskritisch“ aufstellen. Alexander Mitsch ist CDU-Mitglied und einer der Gründer der erzkonservativen WerteUnion, deren Vorsitz er bis Mai 2021 innehatte. Mitsch kehrte der WerteUnion zwar den Rücken, nachdem Max Otte zum neuen Vorsitzenden gewählt worden war. Gleichsam gab Mitsch aber zu verstehen, dass es richtig sei, die CDU von ihrem „Linkskurs“ abzubringen (vgl. Der SPIEGEL).

Maaßen, der immer wieder mit latent antisemitischen und rassistischen Äußerungen in Erscheinung getreten war, kandidierte hingegen noch bei der Bundestagswahl 2021 in Thüringen erfolglos als umstrittener Direktkandidat der CDU. Seitdem verbreitet Maaßen öffentlichkeitswirksam verschwörungsideologische Erzählungen rund um die Impfung gegen das Coronavirus. Er hatte auch für ein Impfverbot plädiert. Innerhalb der CDU gibt es nicht zuletzt deshalb Forderungen für seinen möglichen Parteiausschluss (vgl. RND).

Doch wenn Meuthen tatsächlich mit Maaßen spricht, verrät dies viel über die betonte Bürgerlichkeit beider. Verschwörungsideologische Äußerungen und das Spiel mit rassistisch-völkischen Vokabeln grenzen beide klar von der bürgerlichen Mitte ab. Dass Meuthen mit einer neuen Partei der große Wurf gelingt, ist zudem sowieso eher unwahrscheinlich. Bernd Lucke und Frauke Petry hatten zuvor ohne Erfolg ähnliches versucht. Auch ihnen war die AfD irgendwann zu rechts geworden.

Das Artikelbild wurde unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht.

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