
Die Rechte von Frauen und queeren Personen sind Ergebnis langer Aushandlungsprozesse und heftiger Kämpfe: Erst vergangenes Jahr wurde das verfassungswidrige sogenannte „Transsexuellengesetz” durch das Selbstbestimmungsgesetz (SGBB) ersetzt, erst 2022 wurde § 219a aufgehoben, de facto ein Verbot über die Information darüber, wer Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Viele dieser Rechte liegen nun wieder auf dem Verhandlungstisch.
Die aktuelle Veranstaltungsreihe Demokratie Spricht – Impulse zur Bundestagswahl:
Patriarchat reloaded – Wie Antifeminismus Wahlen gewinnt // 17.02. // 19:00 Uhr
Feministische Errungenschaften unter Beschuss
Mit der AfD – aktuell zweitstärkste Kraft in den Umfragen – tritt eine Partei zur Bundestagswahl an, die dezidiert ein antifeministisches Wahlprogramm aufweist. Auch die CDU, die – aller Wahrscheinlichkeit nach – den nächsten Kanzler stellt, hat Forderungen im Wahlprogramm, die sich gegen die Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen und gegen das SGBB richten. Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat sich bisher eher nicht als Feminist präsentiert. Auch das BSW wendet sich häufig öffentlich gegen eine abgehobene „Woke-Kultur”.
Wie viel Antifeminismus steckt aber nun in den Wahlprogrammen und welche gefährlichen Narrative sind damit verknüpft?
Transfeindlichkeit als ideologisches Fundament
Die AfD stellt trans und nicht binäre Personen als zentrale Gefahr dar. Die Aussage „Die zwei Geschlechter sind eine biologische Tatsache“ steht gegen geschlechtliche Vielfalt und versucht mittels biologistischer Verkürzungen, die Existenz von trans, nicht-binären und anderen Geschlechtsidentitäten zu leugnen. Weiter kritisiert die AfD, dass Geschlecht heute als „austauschbares und erweiterbares Konstrukt“ definiert werde, was sie als Destabilisierung der traditionellen Ordnung interpretiert. Dabei bedient sie sich des Narrativs der „Frühsexualisierung“, das suggeriert, dass Kinder durch Aufklärung und Bildung zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt zur Transgeschlechtlichkeit manipuliert würden. Folgen seien die vorschnelle Gabe gesundheitsgefährdende Pubertätsblocker und letztlich die Geschlechtsumwandlung, die als „unumkehrbare(…) Verstümmelung von jungen Menschen“ beschrieben wird.
An den Fakten vorbei bedient die Partei ein Horrorszenario der Kindeswohlgefährdung, eine bewusst verzerrte Darstellung, um zu emotionalisieren und zu manipulieren. In ihrem Wahlprogramm fordert die AfD ein Verbot von „Frühsexualisierung“ und jeglicher „Gender-Indoktrination” bei Kindern und vor allem die Rücknahme des SBGG. Diese Forderungen hätten weitreichende Folgen: Sie würden nicht nur zu einer unzureichenden medizinischen Versorgung und gesellschaftlichen Stigmatisierung von trans Personen führen, sondern auch ihr Recht auf Selbstbestimmung massiv einschränken. Ein Blick in die USA zeigt, welche dramatischen Folgen die vor allem transmisogyne und queerfeindlichen Hetze für die Sicherheit der Betroffenen hat.
Auch die CDU und CSU nehmen transfeindliche Elemente in ihr Programm auf, wenn auch subtiler. Zwar spielt das Thema Transgeschlechtlichkeit hier keine zentrale Rolle, jedoch wird es als potenziell schädlich für Familien und Jugendliche dargestellt. So wird der Schutz der Familie mit der Forderung nach der Abschaffung des SBGG verknüpft. Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass Merz beim TV-Duell die Entscheidung Donald Trumps, nur zwei Geschlechter anzuerkennen, nachvollziehbar nennt. Das BSW schlägt diskursiv in Bezug auf Transfeindlichkeit in eine andere Kerbe – auch wenn die damit verbundene Forderung, die Rücknahme des SBGG, gleich ist. Die Wagenknecht-Partei instrumentalisiert Frauenrechte gegen Transgeschlechtlichkeit: Denn durch das SGBB könnten sich „Männer durch bloße Unterschrift zu Frauen erklären“ und so in Frauen(schutz)räume eindringen oder an Frauensport teilnehmen und Frauen und Mädchen dort gefährden und beeinträchtigen. Das SBGG höhle daher „die Schutzrechte für Frauen aus“.
Transfeindlichkeit findet sich in allen drei Wahlprogrammen, alle drei Parteien sehen Transgeschlechtlichkeit als Angriff, etwa auf Familie, Frauen und das eigene Geschlechterbild. Transfeindlichkeit dient als Basis eines konservativen und rechtsextremen Weltbildes. Denn Transgeschlechtlichkeit durchkreuzt die binären und heteronormativen Vorstellungen von Geschlecht und (romantischer) Partnerschaft – und greift so das binäre und heterosexuelle Geschlechter- und Familienbild an. Folgerichtig betont etwa die AfD in ihrem Wahlprogramm die Unterschiedlichkeit von Männern und Frauen, die jedoch „mit ihren unterschiedlichen Potenzialen etwas Positives [sind]“ und sich dadurch „hervorragend ergänzen“.
Völkische Familienpolitik bei der AfD: Familie als nationale Keimzelle
Bei der Familienpolitik präsentiert sich die AfD vordergründig als große Unterstützerin von Familien und Frauen. Letztere würden in ihrer Rolle als Mütter häufig abgewertet, weshalb die AfD eine Aufwertung von Mutterschaft erwirken möchte. Frauen werden auf ihre Gebärfähigkeit und damit auf die Rolle der Mutter und in der Familie innerhalb der Gesellschaft verwiesen. Dabei hat die Partei eine klare Vorstellung davon, was Familie eigentlich ist: „Die Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern, ist die Keimzelle der Gesellschaft.“
Kinderlose Partnerschaften, Freundschaften als Sorgegemeinschaften oder auch queere Paare sind dieser Definition nach keine Familie. Kinder nehmen dabei eine doppelte Funktion ein: Sie sind nicht nur die biologische Nachkommenschaft, sondern gelten auch als Träger der kulturellen und nationalen Identität. Die AfD fordert deshalb eine „Willkommenskultur für Kinder“ und will mit finanziellen Anreizen, wie einer Prämie von 20.000 Euro pro Kind, sowie verbesserten Rentenbedingungen und mehr Kitaplätzen die Geburtenrate erhöhen. Das verschwörungsideologische Narrativ des „Großen Austauschs“ spielt hier eine zentrale Rolle: Es wird suggeriert, dass deutsche Kinder zunehmend durch ausländische ersetzt würden, wodurch die nationale Identität gefährdet sei. Die aktivierende Familienpolitik der AfD soll also das Aussterben des eigenen Volks, Kultur und Identität verhindern.
Auch die CDU/CSU betonen den Stellenwert der Familie, allerdings aus einer wirtschaftlichen und konservativen Perspektive. Die Unionsparteien verstehen die Familie als „Leistungsträger“ und fordern Maßnahmen wie bessere Elternzeitregelungen und steuerliche Entlastungen. Dabei bleibt jedoch das traditionelle Rollenbild erhalten, was sich etwa im Festhalten am Ehegattensplitting widerspiegelt. Das BSW setzt in Sachen Familienpolitik weniger konkrete Akzente und bleibt vage, obwohl die Partei „zu einer Kultur beitragen [will], in der Menschen sich gerne für Kinder entscheiden“.
Recht auf körperliche Selbstbestimmung: Reproduktive Rechte im Fokus
Die Kontrolle über den weiblichen/gebärfähigen Körper und damit die Einschränkung reproduktiver Rechte sind Schlüsselelemente antifeministischer Ideologie. Die AfD betrachtet Schwangerschaftsabbrüche als Widerspruch zu ihrer propagierten „Willkommenskultur für Kinder“. Die AfD fordert zwar keine vollständige (oder quasi) Abschaffung des Rechts auf Schwangerschaftsabbrüche, will den Zugang dazu jedoch erheblich erschweren. Das geltende Recht, das Abtreibungen grundsätzlich als rechtswidrig einstuft, sie aber bis zur zwölften Schwangerschaftswoche straffrei stellt und eine verpflichtende Beratung vorschreibt, soll nach ihrem Willen weiter verschärft werden.
Gefordert wird das Recht von Ärzt*innen, Abtreibungen verweigern zu dürfen, ein Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche, das Zeigen von Ultraschallaufnahmen in der Konfliktberatung und insgesamt eine stärkere Ausrichtung der Beratung auf die Austragung des ungeborenen Kindes. Auf Schwangere wird moralisierend eingewirkt und Druck ausgeübt, das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper wird eingeschränkt.
Diese Politik zielt darauf ab, den weiblichen Körper als Instrument der nationalen Reproduktion zu kontrollieren. Frauen werden in dieser Logik auf ihre biologische Funktion reduziert, sie sollen die Nation und damit die eigene nationale Identität biologisch, ideologisch, ethnisch und kulturell erhalten.
Auch die CDU/CSU lehnt eine progressive Reform des §218, der Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich als rechtswidrig definiert, ab, ohne jedoch so radikale Maßnahmen zu fordern wie die AfD.
Rassistische Instrumentalisierung des Frauenschutzes
Ein weiteres häufig genutztes Element antifeministischer Rhetorik ist die Verknüpfung von Frauenschutz mit rassistischen Argumenten. So äußert sich die AfD kaum zu Gewalt gegen Frauen, das Gewalthilfegesetz findet etwa keine Erwähnung; es sei denn, es passt ins migrationsfeindliche Narrativ. So wird der Begriff „Gruppenvergewaltigungen“ verwendet, um „Ausländerkriminalität” als Kernproblem darzustellen und Migranten als Bedrohung für die einheimische Bevölkerung zu inszenieren.
Die CDU/CSU legt hier zwar ein deutlich ausführlicheres Programm vor, dennoch wird Gewalt gegen Frauen fast ausschließlich mit repressiven Mittel begegnet und ihre Verhandlung weist ebenfalls eine rassistische Schlagseite auf. Im Mittelpunkt steht so die Forderung nach Verschärfung des Strafrechts und nach Fußfesseln. Recht und Ordnung, garantiert durch einen starken und durchsetzungsfähigen Staat, sind die Leitmotive. Prävention, Aufklärung und umfänglich verfügbare und zugängliche Unterstützungsangebote finden im Programm weniger Gewicht. Rechtsverschärfungen sind jedoch alleine unzureichend, geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen. Weiterhin werden Staat und Justiz von feministischer Perspektive häufig für ihren Umgang mit sexualisierter Gewalt kritisiert, da der Umgang mit Betroffenen häufig unsensibel ist und retraumatisierend wirken kann und es vor Gericht selten zu einer Verurteilung von Tätern kommt.
Auch das BSW bedient sich beim Themenkomplex Sicherheit von Frauen rassistischer Argumentationen.
Der Zusammenhang von Geschlecht und Nationalismus tritt am deutlichsten bei (sexueller) Gewalt gegen Frauen zu Tage. Die rassistische Logik: Frauen müssen vor Migranten bzw. „nicht-deutschen”, nicht weißen, also den Fremden, geschützt werden. Denn der kollektive nationale Körper ist eng mit dem weiblichen Körper als nationaler Reproduzent verknüpft. Wird dieser weibliche Körper physisch verletzt und so seine Grenzen überschritten, wird auch in den symbolischen nationalen Raum eingedrungen.
Die rassistische Instrumentalisierung des Schutzes von Frauen zeigt sich nicht zuletzt daran, dass an diese Narration realpolitische Forderungen gebunden sind: CDU/CSU fordern Verschärfungen des Strafrechts sowie Migrations- und Asylrechts, die AfD spricht von der sogenannten Remigration.
Der Kulturkampf gegen „Wokeness“ und progressive Ideen
Der AfD geht es nicht um Schutz von Frauen oder Frauenrechte. Stattdessen greift sie auf einen breiteren Kulturkampf zurück, der sich gegen Geschlechtergerechtigkeit, Diversität und kritische Forschung richtet. Die Partei behauptet sogar, dass Demokratie und Rechtsstaat durch Geschlechtergerechtigkeit und Antidiskriminierung gefährdet seien. Laut der AfD gebe es eine „politische Klasse“, die „den Umbau des Staates im Sinne ihrer linksgrünen Ideologie verfolgt“ und weiter: „Instrumente der Zerstörung sind Globalisierung, Kulturrelativismus, Diversität und vermeintliche ‘Gendergerechtigkeit’“. Darüber hinaus fordert die AfD die Einstellung der Genderforschung und bezeichnet sie als „unwissenschaftlich“. Diese Argumentationen docken an Untergangs- und Verschwörungsideologien wie den „Great Reset“ an. Die AfD verfolgt hier deutlich die Strategie des rechten Kulturkampfes, im Zuge dessen progressive und liberale Ideen zurückgedrängt werden. „Wokeness“ wird als Feindbild konstruiert, progressive Politik als Zerstörung der Gesellschaft dämonisiert, Genderwissenschaft pauschal als „ideologisch“ diffamiert. Paradoxerweise fordert die AfD zwar „Freiheit der Wissenschaft“, aber eben nur, wenn sie in die eigene Ideologie passt. Zusätzlich wird diese Narration verschwörungsideologisch gerahmt und Forschung als Instrument einer „Machtelite“ dargestellt. Kritische Forschung, die bestehende Machtstrukturen hinterfragt, wird abgelehnt.
Das BSW malt ein Bedrohungsszenario, in dem zivilgesellschaftliche Meldestellen die Meinungsfreiheit gefährden, da sie auch nicht strafrechtlich relevante Aussagen sammeln, dies wird als „organisierte Denunziation“ bezeichnet. Daher fordert das BSW ein Verbot dieser Meldestellen.
Das würde auch die „Meldestelle Antifeminismus“ der Amadeu Antonio Stiftung betreffen, die bereits seit Beginn mit Diffamierungen und Spam-Attacken angegriffen wurde. Doch das würde einen enormen antifeministischen Rückschritt bedeuten. Immerhin handelt es sich um die erste Anlaufstelle für von antifeministischen Angriffen Betroffene. Ziel der Meldestelle ist es, die Erfahrungen und Perspektiven der Betroffenen sichtbar zu machen und Antifeminismus in all seinen Erscheinungsformen abzubilden, das Dunkelfeld zu erhellen und den Opferschutz zu verbessern.
Düstere Aussichten für Feminismus
Transfeindlichkeit, antifeministische Familienpolitik, Rassismus und die Kontrolle über weibliche/gebärfähige Körper sind zentrale Elemente rechtspopulistischer bis rechtsextremer Weltbilder. Besonders die AfD nutzt diese Themen in ihrem Wahlprogramm, um ihre Ideologien zu verbreiten. Aber auch CDU/CSU und BSW greifen auf problematische Narrative zurück.
Alle drei Parteien nutzen Strategien der Instrumentalisierung und der Emotionalisierung: Etwa wenn Migranten als gefährliche Eindringlinge konstruiert oder Untergangsphantasien bedient werden. Diese Bedrohungsszenarien schüren Ängste und legitimieren konservative bis rechtspopulistische und rechtsextreme Politiken.
Die Bundestagswahl wird für Frauen und queere Personen eine Richtungsentscheidung: Ein Rechtsruck in Deutschland würde für diese Gruppen massive Einschränkungen ihrer Rechte und Freiheiten bedeuten – wie wir bereits in den USA beobachten können, wo beispielsweise trans und nicht-binären Personen das Existenzrecht abgesprochen wird, der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen erschwert oder unmöglich gemacht wird und das Ende von Diversity-Maßnahmen in Behörden und Unternehmen erwirkt wurde. Das zeigt vor allem eins: Feministische Errungenschaften und Kämpfe sind fragil und ständiger Bedrohung von Antifeminist*innen ausgesetzt.