„In unserer Luft ist vielmehr als die Abgase von Automobilen, Verbrennungsanlagen, Motoren und Industrien. Weil hier vergiftete Flugzeuge fliegen, die mit künstlichen Wolken den Himmel zuziehen. Und so mit Giften von oben bekriegen (…). Chemtrails! Wer das Verschwörungstheorie nennt, ist entweder blind oder hat ’ne Wahrheitsallergie.“ So der selbsternannte „Inforapper“ Denzko in seinem Song „Vergiftete Flugzeuge“. Zusammen mit einigen anderen wird er beim „Pax Terra Musica“-Festival dabei sein, dass Ende Juni stattfinden wird, anderthalb Autostunden von Berlin entfernt. Die Veranstalter rechnen mit bis zu 5000 Besuchern.
Unter dem Motto „Unsere Heimat ist die Erde, unsere Religion ist die Liebe, unsere Nationalität ist Mensch“ soll auf einem stillgelegten Flughafen im brandenburgischen Niedergörsdorf die Friedensbewegung wiederbelebt werden. Vor allem allerdings von Protagonisten der sogenannten „neuen Friedensbewegung“. Organisiert wird das Festival von Malte Klingauf. Über den schreibt. “KenFM” die Website des ehemaligen “Radio Fritz”-Moderators und 9/11-”Truthers” Ken Jebsen : „KenFM konnte sein [Klingaufs] Engagement über Jahre als Organisator und ‚Mädchen für alles‘ bei den Mahnwachen für den Frieden beobachten. Auf Malte war Verlass.“
Und auf Malte ist wohl auch diesmal Verlass. Laut Recherchen des Portals „hagalil“ sind gut die Hälfte der gebuchten Künstler und Aktivisten bereits auf Montagsmahnwachen aufgetreten. Zum Beispiel Kilez More – ebenfalls „Inforapper“ – und offenbar der festen Überzeugung, dass der Klimawandel eine Lüge ist, 9/11 eine Verschwörung und wir alle per „Zwangsimpfungen“ zu gehirnlosen Konsumzombies gemacht werden sollen. Der Refrain seines Tracks „Klimalüge“ hört sich so an: „Der Klimawandel wurde nicht von Menschen gemacht, damit halten sie nur die Welt in Schach. Alle, die es propagieren, werden Experten genannt, und jeder, der ihnen widerspricht, wird abgestempelt als krank. Klimawandel ist normal, gabs schon, gibt’s nochmal.“
Das Festival will Aktivist_innen vernetzen und zusammenbringen, auf der Website schreiben die Organisatoren: „Wir haben uns aus den verschiedensten Friedensorganisationen zusammengetan, um den Menschen einen Ort zu geben, an dem wir zusammenkommen, reden, planen und feiern können. Wir wollen ganz bewusst keine neue Bewegung gründen, wir möchten nur das Podium sein, auf dem sich alle begegnen können.“
Wie so oft bei Aktionen der neuen Friedensbewegung klingt das alles auf den ersten Blick unverfänglich. Leute, die Frieden wollen, können ja eigentlich nicht schlecht sein. Schaut man aber genauer hin, sieht das Bild plötzlich anders aus. Bei den Montagsmahnwachen waren das dubiose Verbindungen, verkürzte Kapitalismuskritik, die ganz schnell in Antisemitismus endete oder schlicht und einfach Reichsbürger und NPD-Kader, die sich im Publikum breitmachten.
In der der gleichen Tradition muss man auch beim Line-up von „Pax Terra“ nicht lange suchen, bis man auf Unappetitliches stößt. Die Klimawandel–leugnenden „Inforapper“ sind dabei nur die Spitze des Eisberges. Im Bereich der Aussteller ist beispielsweise der „Landesverband Berlin im Deutschen Freidenker-Verband e.V.“ vertreten. Auf der Website wird nicht nur regelmäßig auf die verschwörungsideologischen Ergüsse von Ken Jebsen verlinkt, sondern auch sogenannte „False Flag“-Operationen enttarnt. Zum Beispiel das Attentat von Manchester, dabei wird aus der Email des antizionistischen 9/11-Verschwörungstheoretikers Elias Davidsson zitiert: „Und wieder eine ‚false flag‘ in Manchester. In diesem Fall wird die Jugend zum Hass gegen dem Islam erzogen und auch Musiker werden dazu erzogen.“ Auf der Website wurde auch das Video eines selbsternannten Privatdetektivs gepostet, der Tage nach dem Berliner Attentat auf den Weihnachtsmarkt, eine Videobegehung des Tatorts macht. Dabei vergleicht er Fotos, die direkt nach der Tat aufgenommen wurden, mit dem, was er vorfindet. Eine halbzerstörte Bude, die nicht mehr da ist, dient dabei schon als Beweis für eine Verschwörung. Die Menschen, die beim Attentat ermordet wurden, sind für ihn nur „angebliche Opfer“.
Oder da ist die Partei „Deutsche Mitte“ mit ihrem Gründer und Vorsitzenden Christoph Hörstel. Der ehemalige ARD-Journalist glaubt unter anderem, dass die Bundesregierung gezielt die sogenannte „Flüchtlingskrise“ geplant habe, um Deutschland zu zerstören und perspektivisch einen Bürgerkrieg zu provozieren. Israel möchte er “abschaffen”.
Auch „Nuoviso.tv“ ist vertreten. Auf der Website des Leipziger Internetsenders kann man sich unter anderem über „Raumfahrtmedizin für Jedermann“ informieren, man kann herausfinden, warum Michael Jackson wirklich sterben musste (weil er Satanismus in der Musikbranche angeprangert hat, selbstverständlich) oder wie die CIA UFO-Berichte beeinflusst. Nuoviso produzierte allerdings auch schon Videos über den „Genderwahn“ oder für das neurechte Verschwörungsheft „Compact“.
Sprechen wird auch Erich Hambach – „Querdenker, Finanzexperte, Wahrheitsforscher“ – er behauptet zum Beispiel, dass Kinder in Kitas und Kindergärten durch „Frühsexualisierung“ gleichgeschaltet werden, um dem „System“ nicht in die Quere kommen.
Beispiele wie diese gibt es bei Pax Terra zuhauf, wie unter anderem bei hagalil, dem Tagesspiegel und der Jungle World nachzulesen ist.
Unter anderem auch wegen dem großen Medienecho geht der Plan von „Pax Terra“ bisher allerdings nur bedingt auf. Neben den einschlägigen Ausstellern, „Inforappern“ und Vortragenden wurden ursprünglich auch mehrere bekanntere Musiker gebucht. Nach Anfragen der Jungle World zeigten sich viele der Künstler erstaunt über die Politik hinter dem Festival. Das Management der Band Itchy Poopzkid teilte der Zeitung mit: „Im Vorfeld war dies leider nicht ersichtlich, sonst hätten wir das auch nicht zugesagt.“ Die Band werde „auf keinem Fall“ auf dem Festival spielen. Simon Grohé, ein Kölner Rapper, wird ebenfalls nicht auftreten und sagte der Jungle World: „Ich möchte unbedingt wachrütteln und zum Umdenken anregen, aber nicht auf derselben Bühne mit Verschwörungstheoretikern, die ihre giftigen Thesen auch noch ‚Friedensbewegung‘ nennen.“
Mindestens eine Veranstaltungslocation, in der eine Soliparty für das Festival stattfinden sollte, hat mittlerweile abgesagt, nachdem sie von Aktivist_innen auf die Hintergründe hingewiesen wurde. Nachdem ein neuer Ort für eine Party am kommenden Samstag (03.06.) gefunden wurde, ist mittlerweile aber die gesamte Veranstaltung abgesagt – offiziell “wegen Krankheit”.