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Pegida, quo vadis? Heute Nürnberg

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Bei Facebook hat "Pegida-Nürnberg" die Nase vorn: 8911 gefällt der aktuelle Auftritt. Bei "Nügida" sind es nur 455 - aber da ist der letzte Beitrag auch aus dem Februar 2015. Die "Sichere Heimat" wird dagegen auch akutell bedient und gefällt 434 Personen. (Quelle: Montage Screenshots Facebook, 04.07.2016)

Das Interview mit Diplom-Sozialwirtin Birgit Mair vom Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung (ISFBB) e.V. führte Bastian Flossmann. 

Wie lange gibt es schon regelmäßige Aufmärsche in Nürnberg – und von wem?

Am 16.02.2015 fand die erste „Nügida“-Veranstaltung in Nürnberg, statt, mit ca.150 Teilneh-mer_innen. Bei dieser distanzierte sich Pegida-Nürnberg sofort öffentlich von „Nügida“ mit der Begründung nichts mit Nazis zu tun haben zu wollen. Daraufhin kam „Pegida-Nürnberg“ am 05.03.2015 zu ihrer ersten Versammlung mit etwa 55 Teilnehmer_innen zusammen. Nach drei „Nü-gida“-Veranstaltungen im Frühjahr 2015, ist es jetzt vor allem „Pegida-Nürnberg“, die marschiert. Dabei wurde von wöchentlichen Märschen am Donnerstag in den ersten Monaten zu einem Mo-natsrythmus gewechselt. Dabei stieg die Zahl der Teilnehmer_innen auf bis zu 150 im Januar 2016. Sie ist dann wieder auf durchschnittlich 80 zurückgegangen.

Wer meldet die Demonstrationen an?

Pegida-Nürnberg wird hauptsächlich von Gernot Tegetmeyer angemeldet. Er wohnt in Fürth und kommt wohl aus Österreich. Auch habe er als Polizist gearbeitet. Seit Anfang 2016 bezeichnet er sich selbst als Journalist. Auch Michael Stürzenberger hatte seine Hände mit im Spiel, beide sind bekannt aus der Rechtsradikalen Partei „Die Freiheit“, wobei Gernot Tegetmeyer den Posten als Generalsekretär der Partei „Die Freiheit“ geräumt hat. 

Spielt die lokale Naziszene eine Rolle bei den Demos, wenn ja, wie wird mit diesen umgegangen?

Ja, das tut sie. Etwa 20 Neonazis der Partei „Die Rechte“, welche bei „Nügida“aktiv waren, laufen jetzt regelmäßig als Teilnehmer_innen bei Aufmärschen von „Pegida-Nürnberg“ mit. Sie sind dort aber weder Redner_innen noch in Ordnerfunktionen eingebunden. Nach der Distanzierung durch „Pegida-Nürnberg“ gegenüber „Nügida“ im Februar 2015 mit der Begründung, man wolle nichts mit Nazis zu tun haben, folgten dann 2016 immer wieder Beteuerungen durch Gernot Tegetmeyer, dass ihm die Teilnahme der Nazis nicht recht sei. Dabei schreckte er auch nicht davor zurück, Nazis beim Namen zu nennen. Tatsächlich werden diese dann aber in letzter Konsequenz nicht von der Demo geworfen, da diese öffentliche Veranstaltungen darstellen und jede/r daran teilnehmen kann, so zumindest argumentiert Gernot Tegetmeyer.

Wie sieht es mit der Beteiligung der AfD bei den „Pegida-Nürnberg“-Veranstaltungen aus?

AfD-Funktionäre treten bis jetzt nicht als Redner_innen auf, aber das Publikum überschneidet sich selbstverständlich bei Veranstaltungen der AfD und von „Pegida-Nürnberg“.

Wer redet bei den Demonstrationen? Und was sind beliebte Themen?

Bei fast allen Demonstrationen von Pegida-Nürnberg redet der Organisator Grenot Tegetmeyer und einige weitere, aber er fast immer, auch gerne länger. Dabei dreht sich alles um völkischen Rassismus, Hetze gegen Muslime und Geflüchtete, seit Silvester 2015 ist auch das Thema Übergriffe auf Frauen durch vermeintlich migrantische Männer Gegenstand der Reden. Auf den Transparenten werden dieselben Thematiken präsentiert: „Deutschland ist inkompatibel zum Islam“ oder „Wer Deutschland nicht liebt soll Deutschland verlassen“ ist dort beispielsweise zu lesen. Dabei ist immer die Internetseite von „PI-News“ vermerkt, der Plattform der Islamfeinde und Rechtspopulist_innen im Internet. Die Lösungsstrategie ist dabei einfach gehalten und wie überall: Grenzen schließen und totale Abschottung der Europäer gegenüber allen die nach Europa wollen. Auffällig in Nürnberg ist, dass sehr viel Wert darauf gelegt wird, Menschen als Redner_innen zu präsentieren die gerade nicht in das von Pegida geprägte Bild „echter“ Deutscher passen. So spricht immer wieder ein vermeintlicher aramäischer Christ mit „südländischem Aussehen“, sowie rechtsradikale Osteuropäer.

Wie sichtbar sind Frauen bei den Veranstaltungen von „Pegida-Nürnberg“?

Frauen treten als Redner_innen und in den Ordner_innenstrukturen bei „Pegida-Nürnberg“ auf. All-gemein würde ich den Frauenanteil bei den Veranstaltungen um die 15 bis 25% unter den Teilneh-mer_innen schätzen. Bei den 3 „Pegida“-Veranstaltungen in diesem Jahr waren vergleichsweise wenige Frauen als Redner_innen aktiv. Im Jahr 2015 haben viele Frauen geredet, die wohl zum Teil zu dem Organisationskreis gehören, beispielsweise Nicola Nowak, welche sich bei der islamfeindlichen Partei „Die Freiheit“ betätigte. Frauen treten hier nicht nur hübsches Beiwerk einer reaktionären, antiemanzipatorischen Bewegung auf, sondern handeln selbstbewusst. Frauen haben den Demonstrationszug auch schon angeführt. 

Kommen wir auf die Proteste der Pegida-Gegner_innen zu sprechen, wie war die Reaktion auf die Aufmärsche?

In Nürnberg kamen die Aktiven sehr schnell auf die Idee, aufgrund der enormen Flut an rechtspopulistischen Demos, eine Art Rotationsprinzip zu organisieren bei dem die Verantwortlichkeit für die Organisation der Gegendemos von Gruppe zu Gruppe weitergegeben wird. Dies erleichtert die Arbeit enorm. Positiver Effekt dieser Strategie ist, das die Gruppen des antifaschistischen Spektrums viel enger zusammen arbeiten als vorher. Trotzdem bleibt zu konstatieren, dass der Gegenprotest über-häuft wird mit staatlicher Repression. Es werden aus Kleinigkeiten immer wieder Anzeigen konstruiert und die betroffenen Menschen müssen sich vor Gericht verantworten. Auf der anderen Seite werden die Pegidisten durch Nürnberg hofiert, es werden ganze Straßenzüge mit Gittern abgesperrt und schon die geringsten Versuche den Aufmarsch zu verhindern werden unter massiver Gewaltanwendung verhindert. So konnte „Nügida“ einmal blockiert werden bei der ersten Veranstaltung, als tausend Gegendemonstrant_innen sich ihnen in den Weg stellten. Diese große Menschenmenge war unkontrollierbar für die Nürnberger Polizei und so mussten die „Nügida“-Anhänger_innen ohne „Spaziergang“ nach wieder nach Hause.

Welche Auswirkungen hat „Pegida-Nürnberg“ auf das Klima der Stadt?

Die Folgen sind schon jetzt ganz klar zu spüren. Der Alltagsrassismus ist enorm angewachsen und es wird offener über Geflüchtete gehetzt. Scheinbar ist diese Strategie von „Pegida“ aufgegangen, zu behaupten, sie wären keine Nazis. So fällt es scheinbar vielen Menschen leichter. sich gegen Geflüchtete und den Islam zu positionieren, ohne sich als Nazis zu begreifen. Es ist wieder etwas „normaler“ geworden, sich rassistisch zu äußern.

 

Und dann gibt es auch noch „Sichere Heimat Nürnberg“ – was ist das?

Zum ersten Mal trat die „Sichere Heimat“, zu diesem Zeitpunkt noch nicht unter diesem Namen, am 24.01.2016 auf dem Nürnberger Hauptmarkt in die Öffentlichkeit. Zu dieser Kundgebung kamen ca. 300 Teilnehmer_innen. Den darauf folgenden Sonntag hat sich ihre Teilnehmer_innen Anzahl schon auf etwa 350-400 erhöht. Da die Organisator_innen sowie große Teile des Publikums aus der „russlanddeutschen“ Community kamen, war anfangs auch kein Gegenprotest organisiert, da viele antifaschistische Gruppen erst einen Eindruck erlangen wollten, wer dort spricht und welche Inhalte transportiert werden. Aber spätestens nach den ersten zwei Kundgebungen war klar, dass die Redner_innen sich in großen Teilen mit denen von „Pegida-Nürnberg“ überschneiden. So sprechen beispielsweise immer wieder Gernot Tegetmeyer (Mitorganisator „Pegida-Nürnberg“), Martin Sichert (Vorsitzender des Kreisverbandes der  AfD in Nürnberg) und weitere schon durch „Pegida-Nürnberg“ bekannte Redner_innen. Auffällig ist die relative Dichte an AfD-Redner_innen. 

Wer meldet die Kundgebungen der „Sicheren Heimat“ an und wer demonstriert dort?

Angemeldet werden die Kundgebungen von Elena Roon und ihrem mutmaßlichen Ehemann. Hauptsächlich demonstrieren dort Menschen aus der „russlanddeutschen“ Community, zumindest anfangs. Mit dem Schrumpfen der Kundgebungen verschob sich dieses Verhältnis stark. Dabei ist der Frauenanteil bei rund 20 Prozent. Auch die Gruppe der Nazis von der Partei „Die Rechte“ (maßgebliche Organisator_innen von „Nügida“), die bei „Pegida-Nürnberg“ mitlaufen, treten im Publikum der „Sicheren Heimat“ mit eigenen Transparenten wahrnehmbar auf. Laut der  Aussiedlerbeauftragten der Stadt Nürnberg sind die Teilnehmer_innen eher randständig und nicht angekommen, auf welchen Kriterien diese Aussage fußt, ist mir allerdings nicht bekannt. Wichtig für die Selbstbezeichnung der dort Demonstrierenden scheint jedoch ihre Zugehörigkeit zum „deutschen Volk“ zu sein, dies wird in Aussprüchen wie „wir sind keine Russlanddeutschen, wir sind Deutsche aus Russland“ deutlich. 

Sind überhaupt gravierende Unterschiede in den Themenfeldern von „Sichere Heimat“ und Pegida-Nürnberg zu erkennen und wenn ja wie werden diese vorgetragen?

Die Themenschwerpunkte gleichen sich stark: antimuslimisch, völkisch, nationalistisch, rassistisch und gegen Geflüchtete gerichtet. Hauptunterscheidungsmerkmal ist die Aufbereitung der Themen durch die Organisator_innen sowie die Redner_innen. Schon auf dem Fronttransparent der „Sicheren Heimat“, auf dem eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und zwei Kindern abgebildet ist, wird die Argumentationslinie deutlich: es geht um den Schutz und den Zusammenhalt der heteronormativen Familie. Die Hetze wird harmlos verpackt und weitestgehend unter dem Deckmantel des Schutzes der Familie und der Schaffung und Erhaltung eines sicheren Lebensraums der Kinder und Frauen vorgetragen.

Dabei ist zu konstatieren, dass die Reden zur Hälfte von Frauen gehalten werden, was in diesen Kreisen keineswegs normal ist. Typisch dabei ist, dass die Redner_innen sehr herausgeputzt und geradezu arrangiert wirken. In den Reden wird dann häufig mit den vertrauensstiftenden und legitimierenden Floskeln „Ich als Frau und Mutter“ begonnen, oder die Anwesenden werden adressiert mit den Worten „Frauen, ihr wisst alle von Vergewaltigungen durch Flüchtlinge, jede von uns hat das erlebt und weiß Bescheid“. Eine Rednerin in kurzem Rock erklärte auf der Bühne, dass diese Kleiderwahl ihrem Geschmack entspräche und sie sich nicht wegen den Muslimen anders anziehen wird, obwohl sie abends natürlich Angst habe, alleine auf der Straße zu sein. Darüber hinaus werden auch ganz dezidiert Sexual- respektive Vergewaltigungsfantasien durch die Redner_innen generiert. So wird beschrieben, wie Geflüchtete in einer Turnhalle untergebracht sind und dieselben Toiletten benutzen wie die Kinder, hier wurde explizit auf die Mädchen verwiesen, die in die entsprechende Schule gehen und wie schlimm und furchtbar das doch ist. In Nürnberg ist kein Fall eines sexuellen Übergriffs dieser Art zu verzeichnen. 

Spielen Soziale Medien eine Rolle und wenn ja welche?

Wie überall in der Gida-Bewegung ist Facebook das Medium zur Organisierung und Verbreitung von Nachrichten. Dabei ist ein Herausstellungsmerkmal, dass sehr viele der Posts in russischer Sprache verfasst sind. Die Figur Putin spielt dabei immer wieder eine Rolle. Darüber hinaus werden alle Veranstaltungen durch Aktivist_innen der Gida-Bewegung abgefilmt und auf „Youtube“-Kanälen hinterher online gestellt und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. 

Wie hat die Zivilgesellschaft auf die „Sichere Heimat“ reagiert?

Nach der Beobachtung von zwei Kundgebungen und der daraus resultierenden Gewissheit über die Ausrichtung der „Sicheren Heimat“ wurde ab der dritten Kundgebung auch Gegenprotest organisiert und dieser wiederum ist in das Rotationsverfahren in Nürnberg zur Organisation von Gegendemonstrationen aufgenommen wurden. Diese erste Gegendemo war offensichtlich sehr erfolgreich. da sich die Teilnehmer_innen Anzahl halbierte und nach weiterem Protest und dem Aufklären der Öffentlichkeit nun nur noch rund 60 Menschen an der letzten Kundgebung teilnahmen. Letztlich bleibt festzuhalten, dass die Kundgebungen in Nürnberg keinesfalls die mehrheitliche Meinung der Spätaussiedler in Nürnberg widerspiegeln, auch wenn das gerne so inszeniert wurde. In Nürnberg leben fast 40.000 Spätaussiedler und die „Sichere Heimat“ konnte zu Spitzenzeiten kaum mehr als 450 Menschen mobilisieren. 

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