Am Samstag twitterte die Tierrechtsorganisation PeTA ein Sharepic. Darauf war zu lesen: „Covid-19 wouldn’t exist in a vegan world“ („Covid-19 würde in einer veganen Welt nicht existieren“). Dazu postete die Tierrechtsorganisation einen Link zu ihrer Website, auf der sie ihre Antwort auf das Corona-Virus gibt, nämlich, sich ab sofort vegan zu ernähren.
Stammt der Corona-Virus von Fledermäusen?
Wie Expert*inne geht auch PeTA davon aus, dass der neuartige Virus auf einem Markt im chinesischen Wuhan ausgebrochen ist. Auf dem Markt wurde zu jener Zeit, Ende 2019, sowohl lebende wie auch tote Tiere verkauft, darunterGeflügel, Esel, Schafe, Schweine, Kamele, Füchse, Dachse, Fische, Schlangen und Fledermäuse.
Die meisten Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass Fledermäuse die ersten Wirte waren. Eine Theorie lautet, dass diese Tiere über ein außergewöhnliches Immunsystem verfügen. Während Menschen und viele andere Säugetiere, die sich mit den Viren infizieren, schwer erkranken und sterben können, scheinen Fledertiere keine Krankheitssymptome zu zeigen. So könnten Fledermäuse Erreger ungehindert weitergeben. Die Mehrzahl der Expert*innen zu dem Thema nehmen an, dass das Virus nicht direkt von der Fledermaus zum Menschen gelangt ist, sondern über Zwischenwirte. Bei der Infektion MERS waren es Dromedare, bei SARS vermutlich bestimmte Schleichkatzen.
Der Verzehr von Fledermäusen
Bisher gibt es allerdings keine Beweise, dass der neue Coronavirus überhaupt von Fledermäusen stammt. Es gibt allenfalls Hinweise darauf, dass es so sein könnte. Zwar finden sich Gemeinsamkeiten zu den Coronaviren, die schon SARS und MERS verbreiteten und ihren Ursprung in Fledermäusen hatten, aber auch Schlangen werden als Träger nicht ausgeschlossen.
Tatsache ist, dass in China der Verzehr von kleineren Säugetieren wie Fledermäusen in einigen Teilen des Landes nicht ungewöhnlich ist. Alltäglich ist er aber auch nicht, so die Aufklärungsseite Mimikama. Bei der aktuellen Berichterstattung haben wir es also mit einer massiven Verallgemeinerung zu tun, wenn dies als “übliche” Praxis in ganz China dargestellt wird..
Der Wildtiermarkt in Wuhan
Tatsächlich wird der Wildtiermakt in Wuhan eine entscheide Rolle beim aktuellen Corona-Ausbruch gespielt haben. Auf Märkten wie dem in Wuhan würden sich Viren von Tieren und Menschen vermischen, so der Tierarzt Christian Walzer in einem Interview mit Zeit. Hier tauschen Menschen und Tiere ihr Erbgut untereinander aus, sodass immer wieder neue Mischviren entstehen würden. „Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass irgendwann einer davon zu einer gefährlichen und ansteckenden Variante mutiert und auf Menschen überspringt.“ Ende Februar hatte China schließlich den Handel mit Wildtieren und deren Verzehr mit sofortiger Wirkung verboten. Eine richtige und wichtige Maßnahme, um künftige Epidemien zu unterbinden.
Der Mythos der Fledermaus-essenden Chines*innen
Vieles in der Debatte um Corona läuft allerdings wenig sachlich.Unter Rassist*innen ist der Mythos der fledermaus-essenden Chines*innen beliebt, weil sich so das “Fremde” der Krankheit betonen lässt.. Ob auf Social Media-Plattformen wie Facebook, Twitter oder Instagram oder in Messenger-Chats wie WhatsApp oder Telegram, wurden Videos und Memes verschickt, auf denen asiatisch aussehende Menschen Fledermäuse essen. Entweder lebende Tiere oder gegart in Suppen. Auf einigen bissen Personen lebenden Jungtieren den Kopf ab.
Die Frau, die die Fledermaussuppe aß
Was dadurch impliziert wird, ist, dass Asiat*innen barbarisch seien, da sie sogar Fledermäuse essen. Außerdem unterfüttert es die Mär, vom „China-Virus“, die besonders stark von US-Präsident Donald Trump befeuert wird. Bei einem weltweit grassierenden Virus wie Corona von einem „chinesischen Virus“ zu sprechen ist rassistisch. Der Virus wurde ja nicht von Chines*innen entwickelt, außerdem macht der Virus, wie wir derzeit beobachten, in unserer globalisierten Welt nicht vor Landesgrenzen halt.
Das rassistische Bild der “unzivilisierten” Chines*innen wird auch von deutschen Medien verbreitet. Die „BILD“ teilte beispielsweise Ende Januar ein Video, in dem eine Frau an einer Fledermaus in einer Suppenschüssel knabbert. „Was diese Fledermaus mit dem Corona-Virus zu tun hat“, heißt es schaurig im die tiefsten Ängste bedienenden Clip. Tatsächlich nicht so viel, wie die Zuschauer*innen schließlich erfahren.
Wang Mengyun, die Dame in dem Video, ist eine chinesische Influencerin, die das Video bereits 2016 aufnahm und 2017 postete. Es entstand auf Palau, im westlichen Pazifik, als sie dort ein Touristikvideo drehte und einige lokale Gerichte, darunter auch die Fledermaus-Suppe, probierte. Doch durch den Ausbruch des Corona-Virus ging das Video nun viral. Wang Mengyun hat es mittlerweile gelöscht.
Mit Vorsicht vor dem Virus hat diese Darstellung nichts zu tun. Sie trägt zur Diskriminierung von Menschen bei, die asiatisch sind oder asiatisch aussehen. Es ist diskriminierend und kann ernstzunehmende Folgen für die Betroffenen haben, wenn ihnen von ihrer Umwelt vermittelt wird, sie seien unzivilisiert, weil sie Wildtiere essen. Übrigens stehen auch auf deutschen Speisekarten Wildtier wie etwa Reh, Hirsch, und Wildschwein hoch im Kurs.
Die privilegierten Entscheidungen zum Veganismus und Vegetarismus
Und wenn PeTA nun den Wunsch einer veganen Welt äußert, hat das sicherlich so seine Vorzüge, wie das Ende von Massentierhaltungen, möglicherweise eine bessere Ökobilanz und zum Teil positive gesundheitliche Aspekte. Allerdings ist die Entscheidung, vegetarisch zu leben, also auf Fleisch und Fisch zu verzichten, oder gar vegan , also gänzlich auf alle tierische Produkte zu verzichten, eine privilegierte. Fleisch gilt weltweit tatsächlich als ein hochwertiges Nahrungsmittel, das mit Wohlstand in Verbindung gebracht wird – genauso wie Leder und Wolle. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass die Abkehr vom Konsum tierischer Produkte mit Verzicht gleichgesetzt wird. In den (außerhalb von Corona-Zeiten) vollen Supermarkt-Regalen können sich die meisten Menschen der westlichen Welt aus einer Palette an Nahrungsmitteln ernähren. In anderen Regionen der Welt geht das nicht so einfach. Es hat was mit dem Angebot und dem Einkommen zu tun, ob Menschen sich vegan und dabei auch gesund ernähren können oder eben nicht. Statt Argumente für eine vegane Ernährung vorzubringen, entscheidet sich PeTA für Schuldzuweisungen und Abwertung auf Grundlage unklarer Fakten. Veranwortungsvolles Handeln sieht anders aus.