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„Politischer Irrweg“ Uwe Junge verlässt die AfD, weil sie zu rechts ist

Uwe Junge, der ehemalige AfD-Landeschef aus Rheinland-Pfalz, ist samt Ehefrau aus der Partei ausgetreten, weil sie zu weit nach rechts gerückt sei. Dabei hatte der Ex-Soldat mit rechtsnationalem Gedankengut bisher wenige Probleme.

 
Uwe Junge im Landtag von Rheinland-Pfalz (Quelle: picture alliance/dpa | Andreas Arnold)

Gut vier Wochen vor der Bundestagswahl ist Uwe Junge aus der AfD ausgetreten. Der ehemalige Landesvorsitzende der rechtsradikalen Partei in Rheinland-Pfalz verkündete seinen und den Austritt seiner Frau in einem langen Facebook-Post. Der Text ist ein Rundumschlag gegen die AfD und ihr Personal. Junge kritisiert „allen voran“ Alexander Gauland, Ehrenvorsitzender und Fraktionschef im Bundestag. Der habe einen „völlig überschätzten Höcke“ geschützt und den rechtsextremen, mittlerweile aus der Partei ausgeschlossenen ehemaligen Brandenburger Landeschef Andreas Kalbitz „bis in die höchsten Parteiämter“ gefördert. Aber auch die Jugendorganisation der Partei, JA (Junge Alternative) wird von Junge als „Höckejugend“ kritisiert, die „dem radikalen Flügel an den Lippen hängt“.

Nichtmal die Basis und die Wähler:innen der Partei kommen in Junges Erklärung gut weg. Denn auch die haben sich in den letzten Jahren verändert und radikalisiert und würde angeblich gemäßigte Interessent:innen schon auf den ersten Blick abschrecken: „vernünftige und gebildete Menschen [werden] schon bei dem ersten Veranstaltungsbesuch von der überreizten Stimmung, gepaart mit wilden Verschwörungstheorien und teilweise unflätigem Benehmen abgeschreckt (…), während sich der blökende Stammtischprolet wie zu Hause fühlt.“

Eine Ansicht, die auch von anderen Vertreter:innen von Junges Ex-Partei geteilt wird. Georg Pazderski, Vorsitzender der Berliner AfD-Fraktion, bezeichnete in einem geleakten Chatverlauf die eigenen Wähler:innen als „Jogginghosenfraktion“ und „3K-Mitglieder: keine Zähne, keine Kohle, keine Bildung.“

Genau wie Pazderski gehörte Junge zum angeblich gemäßigten Teil der AfD, der sich von rechtsextremen Flügel distanziert. Dafür, was „gemäßigt“ in der Welt der AfD aber eigentlich bedeutet, ist Uwe Junge ein gutes Beispiel. Während der Fußball-EM 2020/2021 bezeichnete Junge die regenbogenfarbene Kapitänsbinde von Manuel Neuer als „Schwuchtelbinde“, was ihm sogar die lesbische Fraktionsvorsitzende Alice Weidel übel nahm. Mit Weidel lag Junge schon öfters im Clinch und bewies dabei auch gleichzeitig seine frauenfeindliche Seite. Auf den Wunsch eines Twitterusers, die AfD-Fraktionsvorsitzende als Kanzlerin zu haben, antwortete Junge: „Gott steh uns bei. Haben wir nicht schon genug emotionalisierende und weiblich geprägte Politik erlitten?“.

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Der Skandal um seine Äußerung zu Neuers Armbinde war nicht der erste Beleg für Junges Homofeindlichkeit, 2016 wurde bekannt, dass der ehemalige Oberstleutnant sich diskriminierend gegenüber einer lesbischen Soldatin geäußert hatte, ein Verstoß gegen die „Grundsätze der Inneren Führung“ der Bundeswehr wurde damals festgestellt. Die Bundeswehr warf ihm auch einen Verstoß gegen das Mäßigungsgebot vor, nachdem er Angela Merkel als „Vaterlandsverräterin“ bezeichnet hatte.

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Ohnehin hat es der angebliche „Volksverrat“ Uwe Junge angetan. Nachdem der Münchner Kardinal Reinhard Marx Geld für die Seenotrettung von Geflüchteten gespendet hatte, twitterte Junge: „Der Teufel soll euch holen. Das ist aktiver Verrat am deutschen Volk! AUSTRITT!“ (sic)

Die Partei-Reaktionen auf Junges neuesten Austritt fallen eher hämisch aus. Eigentlich überraschend, denn obwohl der Ex-Landeschef sich seit längerem aktiv gegen den rechtsextremen Flügel positioniert, wurde er erst kürzlich von Unterstützer:innen gefeiert, als er samt Familie in den Flutgebieten in Rheinland-Pfalz als Helfer auftrat und sich mediengerecht im Tarnoutfit in Szene setzte. Ein Kommentar unter dem Bild lautet: „Auf Solche Führung kann man Stolz (sic) sein. Mein voller Respekt. AfD aber normal“, zusammen mit zwei Deutschlandflaggen und einem blauen Herz.

Mit den blauen Herzen, (einem Symbol das von AfD-Sympathisant:innen auf Social Media genutzt wird) ist es jetzt jedenfalls vorbei. Junges ehemaliger Landesverband bedankt sich zwar für seine Dienste in Rheinland-Pfalz, „bedauert jedoch den politischen Irrweg, den Uwe Junge seit geraumer Zeit einschlug“. Den Austritt nehme der Vorstand „zur Kentniss“, Junge sei damit „weiteren Parteiordungsmaßnahmen zuvorgekommen“. Alice Weidel hatte nach dem EM-Eklat ein Parteiausschlussverfahren angedeutet und getwittert: Uwe Junge „wird sich die Partei demnächst von außen anschauen dürfen.“

AfD-Chef Tino Chrupalla äußerte sich ähnlich wie Junges alter Landesverband und schrieb auf Twitter, dass der Ex-AfDler mit seinem Austritt einem Parteiausschlussverfahren zuvor gekommen sei und weiter: „Ich danke Herrn Junge für seine Aufbauarbeit. Alles Gute im politischen Ruhestand!“ Das wiederum sagt eigentlich mehr über die Partei und Chrupallas politische Positionierung aus, als über Junge. Denn erst im August hatte der Parteichef gegen den Ausschluss von Matthias Helferich gestimmt, der über die Landesliste NRW voraussichtlich in den Bundestag einziehen wird. Helferich hatte in privaten Chats den NS-Richter Roland Freisler als persönliches Vorbild genannt und sich selbst als „das freundliche Gesicht des NS“ bezeichnet. Für Chrupalla offenbar kein Grund zum Ausschluss, im Gegensatz zu Junges Einsatz gegen den rechtsextremen Flügel?

Wie genau der „politische Ruhestand“ des Ex-Oberleutnants aussehen wird, ist offen. In seinem Austritts-Post kündigt Junge an, bei der Bundestagswahl für die „Liberal-Konservativen Reformer“ (LKR) zu stimmen, die 2015 vom ehemaligen AfD-Chef Bernd Lucke gegründet wurde. Auf Facebook und Twitter teilt Junge seitdem immer wieder Posts der LKR. Die Partei hat sich offiziell noch nicht zu ihrem neuesten Unterstützer geäußert. LKR-Chef Jürgen Joost, ebenfalls ehemaliges AfD-Mitglied, teilte jedoch Junges Austrittserklärung auf Facebook.

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