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Polizist Oliver von Dobrowolski „Das Grundgesetz ist knallhart antifaschistisch“

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Kriminalhauptkommissar Oliver von Dobrowolski: Ehemaliger Vorsitzender von „PolizeiGrün“ und Gründer von „Better Police“.
Kriminalhauptkommissar Oliver von Dobrowolski: Ehemaliger Vorsitzender von „PolizeiGrün“ und Gründer von „Better Police“. (Quelle: Erik Marquardt)

Belltower.News: Herr von Dobrowolski, vor 23 Jahren wurden Sie Polizist. Warum eigentlich?
Oliver von Dobrowolski: Das klingt so platt, aber ich wollte etwas Gutes tun, das war mir wichtig. Einen Beruf ausüben, der was Sinnhaftes in sich hat, nicht als Broker zum Beispiel. In meiner Familie gab es keine Polizist*innen, ich hatte nur das klassische Polizeiwissen, das jeder Durchschnittsdeutsche mit sich im Schädel rumträgt: Tatort, Polizeiruf, Fernsehkrimis. Also habe ich mich bei der Kriminalpolizei beworben, ohne das groß zu recherchieren. Es war ein sehr schreibtischlastiger Job. Ich war nicht unglücklich, wäre aber lieber auf der Straße gewesen. Das mache ich jetzt seit knapp drei Jahren.

Sie beschreiben sich selbst als Antifaschisten. Die Institution Polizei ist öffentlich allerdings nicht gerade bekannt dafür, besonders viele offen antifaschistische Beamt*innen in ihren Reihen zu haben. Wie viele gibt es?
Wir haben hier das gleiche Problem wie auf die Frage, wie viele Polizist*innen ticken eigentlich echt rechts, wie viele sind AfD-Wähler*innen. Das ist natürlich eine der großen Vorzüge einer rechtsstaatlichen Demokratie, in der wir leben: Politische Gesinnung ist Privatsache und wird nicht erfasst. Es gibt aber einige Antifaschist*innen: In der Berufsvereinigung „PolizeiGrün“ ist die Zahl an tatsächlich zahlenden und mitwirkenden Mitgliedern im dicken dreistelligen Bereich, die Unterstützer*innen im vierstelligen Bereich.

Bei rund einer Viertelmillion Polizist*innen ist das nicht besonders viel…
Man kann sich darüber streiten, ob das ein großer Anteil ist oder nicht. Aber das sind immerhin mehr als diese rechtsextremen „Einzelfälle“. Trotzdem fühle ich mich manchmal alleine, wenn es um Hass und Hetze gegen mich geht. Aber es gibt mehr Verbündete, als man sich vorstellt. Bei Kolleg*innen merkt man oft, dass deren Mindset in die gleiche Richtung geht, dass es auch ihnen wichtig ist, pluralistisch, demokratisch, rechtsstaatlich, tolerant und fehlerfrei in dieser Behörde zu arbeiten.

Der Begriff Antifaschismus ginge diesen Kolleg*innen aber zu weit?
Es ist auch eine Definitionsfrage und ein ewiges Missverständnis: Ich werde auch deshalb häufig angefeindet, weil ich #Antifaschist als Hashtag bewusst auf meinen Social-Media-Kanälen verwende. Damit möchte ich natürlich auch ein bisschen provozieren: Leute kriegen reflexartig den Schaum vor dem Mund. Wenn man aber auf die Entstehungsgeschichte der Bundesrepublik schaut, dann ist die knallhart antifaschistisch, genauso wie unser Grundgesetz. Das heißt: Antifaschismus müsste eigentlich in der DNA der Beamt*innen festgeschrieben sein.

Eigentlich schon. Heute vergeht allerdings kaum eine Woche ohne den nächsten rechtsextremen Skandal innerhalb der Polizei: Hitlerbilder und Hakenkreuze in Chatgruppen, massenhaft vermisste Munition oder gar tödliche Polizeigewalt aus rassistischen Motiven. Denken Sie manchmal, Sie haben sich doch für den falschen Beruf entschieden?
Es ist nicht einfach. Es ist hart, wenn man gefühlt in der Minderheit ist. Vor allem, wenn viele Kolleg*innen solche Vorfälle relativieren oder verharmlosen möchten. Der Polizeiapparat in Deutschland zieht seit längerem Menschen an, die auf Waffen, Uniforme und Autoritätausübung stehen. Wir brauchen aber Menschen, die etwas ändern wollen, von innen.

Hat Deutschland ein Polizeiproblem?
Auch das ist eine Definitionsfrage: Ich tendiere dazu, Menschen, die diese Verschlagwortung „Polizeiproblem“ erfassen und plakativ in der Öffentlichkeit vertreten, eher zuzustimmen, als dass ich sage, nein, das ist alles falsch, das sind dunkle Bilder an der Wand, die davon ablenken sollen, dass wir eigentlich doch eine rechtsstaatliche Polizei seien. Es ist legitim, diesen Begriff zu verwenden. Die negativen Schlagzeilen kommen in einer unfassbaren und erschreckenden Regelmäßigkeit.

Seit 2014 waren Sie im Vorstand der Berufsvereinigung „PolizeiGrün“, seit 2018 als erster Vorsitzender. Der Verband, der zwar parteiunabhängig ist, den Grünen aber nahesteht, setzt sich laut ihrer Webseite für die Förderung einer „toleranten, kritikfähigen und rechtsstaatlichen Bürgerpolizei“ ein. Diese Woche kündigten Sie Ihren Rücktritt an. Warum?
Es gibt in Institutionen, sei es eine politische Partei oder eine Interessenvertretung oder von mir aus ein Wirtschaftsunternehmen, durchaus verschiedene Ansätze, inwiefern Kontinuität an der Spitze vorteilhaft ist oder inwiefern es nicht besser sein kann, ab und an in Posten den Sitz freizumachen, um auch ein bisschen frischen Wind mit einzubringen.

Sie wollten also nicht die Merkel der „PolizeiGrün“ werden?
Richtig. In meinem Blog habe ich es eher mit den fast nordkoreanischen Verhältnissen in der Polizeigewerkschaft DPolG mit Rainer Wendt als „ewigen großen Vorsitzenden“, der seit 2007 Bundesvorsitzender ist. Er wird aus diesem Vorstand anscheinend in einer Kiste rausgetragen werden müssen. Durch Interviews und Pressearbeit werde ich mittlerweile als Gesicht von „PolizeiGrün“ wahrgenommen. Ich wollte nicht, dass sich alles verstetigt, dass daraus eine „Oliver-von-Dobrowolski-Institution“ wird.

Also sind Sie zurückgetreten und haben nun einen neuen Verein, „Better Police“, gegründet, der sehr ähnliche Schwerpunkte hat. Stehen Sie mit diesem Schritt nicht schon wieder im Rampenlicht, während „PolizeiGrün“ nun ohne medienpräsenten Vorsitzenden dasteht?
Was Sie ansprechen, ist eine Lesart, die ich anerkennen muss und vor der ich auch Angst hatte. Dazu möchte ich sagen: Es war ja gar nicht gedacht als eine ähnliche Vereinigung. Es ist keine Kriegserklärung, ich wollte das definitiv nicht als Konkurrenz auf die Beine stellen, sondern viel mehr als Ergänzung. Die Möglichkeit besteht natürlich für alle Unterstützer*innen und Sympathisant*innen von „PolizeiGrün“, sich auch gleichzeitig für „Better Police“ zu engagieren. Die Rückmeldungen, die ich in den letzten Tagen bekommen habe, bestätigen mich, dass das auch so interpretiert wird.

Wie wird sich „Better Police“ also von „PolizeiGrün“ unterscheiden?
Es gibt vor allem zwei große Unterschiede: Ich finde es immer noch erstaunlich, aber dieses grüne Image schreckt viele Polizist*innen ab. Das betrifft nicht nur die alten Kolleg*innen, sondern auch die jungen. Es herrscht immer noch dieses Klischee, dass „Grüne“ Steine schmeißen und die Polizei angreifen würden, dass sie gegen alles seien, was die Polizei stärken würde. Davon kommt man einfach nicht weg, auch wenn bei „PolizeiGrün“ Menschen dabei sind, die sich bei den Linken oder in der SPD engagieren. „Better Police“ soll genauso politisch sein, aber ich nehme bewusst diese Einfärbung heraus.

Und der zweite Unterschied?
„PolizeiGrün“ ist zwar bewusst anders als die großen Polizeigewerkschaften, die knallhart Lobbyarbeit für ihre zahlende Mitglieder leisten. Nichtsdestotrotz ist „PolizeiGrün“ aber ein Berufsverband. Es gibt allerdings viele Menschen, die eine bessere und reformierte Polizei wollen, nicht nur Polizist*innen. Mit diesen Menschen, die bislang außen vor gelassen wurden, möchte ich zusammenarbeiten.

Sie waren früher Mitglied der GdP, der größten Polizeigewerkschaft, traten aber 2015 aus Protest aus, nachdem sie sich von ihrem Vorstandsmitglied und Pressesprecher Steve Feldmann nicht distanzieren wollte, der eine rechtsradikale Vergangenheit hat. Im März 2021 hat die GdP eine Unvereinbarkeitserklärung für AfD-Mitglieder beschlossen. Wie glaubwürdig finden Sie solche Abgrenzungen?
Die Erklärung ist grundsätzlich gut, da bin ich aber abwartend. Der erste Dämpfer kam sofort nach dem Beschluss, als der Brandenburger Landesverband sich dagegen ausgesprochen hat. Was ich denen unterstelle: Dass es eher darum geht, zahlende Mitglieder, die nah am rechten Rand stehen, nicht zu verlieren. Danach habe ich eine Klarstellung von dem Bundesverband vermisst. Denn eine Chance wurde von der GdP nämlich nicht erkannt: Eine ganz bewusste Distanzierung von diesem polizeilichen Galopp in Richtung rechts hätte ein Alleinstellungsmerkmal für die Gewerkschaft sein können, vor allem im Vergleich mit der DPolG, der zweitgrößten Gewerkschaft. Stattdessen hört man zum Beispiel in den Landesverbänden der GdP in Bremen und Hamburg Äußerungen, die von den ultraharten Law-and-Order-Statements der DPolG kaum zu unterscheiden sind. Und dabei habe ich ein schlechtes Gefühl.

Die DPolG will eine solche Unvereinbarkeitserklärung gegenüber der AfD nicht beschließen, weil die Gewerkschaft jetzt bereits mit der AfD nicht arbeite und sowieso schon zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekenne, heißt es…
Eine ähnliche Logik verfolgt Horst Seehofer: Es könne kein Racial Profiling geben, weil es verboten ist. Man muss andersherum wieder fragen: Welchen Zacken bricht sich denn Rainer Wendt oder die DPolG aus der Krone, wenn sie sich mit einem Statement oder Code of Conduct einfach ganz klar von der AfD abgrenzen? Eine Überraschung ist es jedoch nicht.

Wegen Ihrer polizeikritischen Arbeit sind Sie auch massiv angefeindet worden: Sie werden bedroht, beleidigt, bekommen Todeswünsche. Die Polizeiführung wollte Sie angesichts solcher Bedrohungen nicht unterstützen, im Gegenteil. Wie Sie auf Ihrem Blog schreiben, seien Sie als „Meinungsmacher und Unruhestifter“ abgestempelt, „den man im Auge behalten wird“. Wollen Sie manchmal nicht einfach aufgeben, wenn so ein Hass auf Sie kommt und Sie nicht einmal Rückendeckung von Ihren Chefs bekommen?
Ja, das sind Gefühle, die in einem hochkommen. Man fühlt sich erschöpft, als sei alles aussichtslos. Ich stand schon öfter davor, mich zurückzuziehen und alles einzustampfen, auch auf Social Media. Aber dann habe ich mir gesagt: wenn man das tut, dann hat die andere Seite gewonnen. Dann kommt immer diese Jetzt-erst-recht-Stimmung auf. Das was mich am meisten motiviert, ist, wenn ich Rückmeldungen erhalte von Leuten, die sagen, man wäre für sie quasi der einzige Grund überhaupt, noch Vertrauen in die Polizei im Besonderen und den Rechtsstaat im Allgemeinen zu haben.

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